Müller: Wie der Wasserträger zum Titelfahrer wurde

Von Andreas Reiners
Nico Müller

Nico Müller

Nico Müller konnte die hohen Erwartungen in der DTM lange nicht erfüllen. In diesem Jahr fuhr er lange um den Titel mit, außerdem steigt er in die Formel E ein. Eine erstaunliche Wandlung.

Auf Nico Müller war immer Verlass. Auch, als sich die Konkurrenz an ihm abarbeitete, wich er nicht von seiner Aufgabe ab. 2017 war das, als er als «Bremsklotz» für seinen Teamkollegen Mattias Ekström fungierte, ihn im Titelkampf der DTM abschirmte gegen die Gegner von BMW und Mercedes.

Die Konkurrenz wetterte, schimpfte, rauschte ihm sogar entnervt ins Heck (BMW-Pilot Timo Glock). Müller wurde zum Buhmann. Und erledigte trotzdem stoisch die Aufgabe, gegen die er sich als Werksfahrer nur bedingt wehren konnte. «Nico tut mir sehr, sehr leid. Ich kann ihm nur mein Beileid aussprechen», sagte Glock damals.

Die Aufgabe erledigte Müller mit Bravour. Ekström wurde zwar von René Rast knapp geschlagen nur Vizemeister, doch Müller unterstrich, dass er der treue und loyale Wingman ist, auf den man zählen kann. Er lächelte die Vorwürfe weg, das Gezeter ebenso, auch die andauernden Fragen, ob es nicht frustrierend sei, als Rennfahrer den Verteidiger geben zu müssen. Es war Teil seines Jobs, wenn auch kein schöner Teil.

Denn deine eigenen Ansprüche waren freilich andere, immerhin war er 2014 mit viel Vorschlusslorbeeren in die DTM gekommen. Er hatte erstmals 2012 auf sich aufmerksam gemacht, beim Young Driver Test von Audi. Er war damals so stark, dass er spontan in das Shootout aufgenommen wurde, gegen Adrien Tambay und René Rast ein DTM-Cockpit ausfahren durfte.

Eine spezielle Situation, der Druck war groß. Er war besser als Rast, unterlag aber Tambay. Müller blieb auf dem Audi-Radar und erhielt 2014 ein DTM-Cockpit, wohlgemerkt deutlich vor dem zweimaligen Champion Rast, der 2012 durchfiel und erst 2017 in die DTM kam.

Doch es dauerte bis zum endgültigen Durchbruch, streng genommen passierte der erst in diesem Jahr, in dem Müller nicht nur schnell, sondern auch konstant schnell war. Er war der einzige, der es mit Überflieger Rast aufnahm.

Ein Grund für den nächsten Schritt zum Titelkandidaten: Es wurden 2018 bei Abt einige personelle Veränderungen vorgenommen, mit vielen jungen Leuten im Team. So wurde zum Beispiel Felix Fechner sein Renningenieur. Müller: «Er ist so alt wie ich und war davor noch nie Renningenieur. Wir sind zusammengewachsen. Wir verstehen uns fast blind. Wir haben auch schlechte Erfahrungen zusammen gemacht, die uns haben wachsen lassen.»

Hinzu kamen die für die DTM typischen Begleiterscheinungen: Einen guten Start erwischen, das Momentum aufnehmen, beibehalten, konservieren. Und an dem Lauf, den man nicht immer bis ins letzte Detail erklären kann, arbeiten, sich nicht zurücklehnen. Und natürlich spielt Erfahrung eine Rolle. Er ist zwar erst 27, absolviert aber schon seine sechste Saison.

Auch wenn es am Ende aus diversen Gründen nicht reichte – der Schweizer macht keinen Hehl daraus, dass Genugtuung dabei ist. «Es ist schön, dass man schwarz auf weiß bestätigen kann, dass man es kann. Wir haben uns viel erkämpft. Es ist eine Erleichterung, Das macht uns hungrig auf das, was noch kommt», sagte er.

Das, was noch kommt, ist aber November auch die Formel E. Ein Zug, der in der Karriere nur einmal vorbeifahre, betonte er vor ein paar Wochen. Deshalb war es keine Frage, dass er die Chance bei Dragon ergreifen möchte, nachdem er die bei Audi verpasste. Seit Saison vier war er dort Test- und Entwicklungsfahrer, die Ingolstädter zogen aber Daniel Abt vor.

Für seine Karriere sei der Einstieg wichtig, sagte Müller SPEEDWEEK.com: «Ich habe lange darauf hingearbeitet und ich bin Audi dankbar für die Möglichkeit. Ich bin extrem gespannt. Es ist eine Herausforderung. Das wird mich nur besser und stärker machen, denn die Formel E ist anders als alles andere. Ich hoffe, dass ich dort viele Ausrufezeichen setzen kann.»

Müllers Engagement in der Formel E soll seine DTM-Karriere aber nicht beeinträchtigen. Sprich: Der Schweizer bleibt Audi-Werksfahrer und damit auch in der DTM. Motorsportchef Dieter Gass betonte bei der offiziellen Verkündung am Mittwoch ganz klar: Die DTM hat Priorität.

Der Kalender der Tourenwagenserie steht noch nicht offiziell fest, demnach also auch nicht, wie viele Überschneidungen es geben wird. Dass es funktioniert, beide Serien parallel zu betreiben, hat sein Markenkollege Robin Frijns in dieser Saison bewiesen, als er das Doppel-Programm ausübte. Allerdings gab es auch keine terminlichen Überschneidungen.

Müller glaubt nicht nur, dass beide Serien gehen, sondern auch an einen positiven Nebeneffekt: «Zu einem Großteil dürften die Kalender aneinander vorbeigehen. Die zusätzliche Erfahrung kann man auch in die DTM mitnehmen, die einem neue Perspektiven geben, die einen besser machen und den Horizont erweitern.»

Über die Ziele hat er sich angesichts des bis zum Nürburgring laufenden DTM-Titelkampfes nur «sehr wenige Gedanken gemacht. Wir schauen, wie die Vorbereitung läuft. Die Jungs sind extrem motiviert, wollen pushen. Ich hoffe, dass wir viele Ausrufezeichen setzen können.»



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