Formel 1: Carlos Sainz zurück zu Ferrari?

Nico Hülkenberg, Daniel Ricciardo: Renault gibt Gas

Von Mathias Brunner
​Das GP-Team von Renault stellt sich im Rennwagenwerk Enstone (England) vor: Mit dem 2019er Wagen wollen Nico Hülkenberg und Daniel Ricciardo 2019 den Top-Teams tüchtig auf die Nerven gehen.

Wir müssen gleich warnen: Renault hat in Enstone vor 160 Gästen nicht sein 2019er Auto gezeigt, sondern lediglich das Auto, wie es in der kommenden Saison aussehen wird. Teamchef Cyril Abiteboul entschuldigt sich: «Unser neues Auto ist noch immer in Stücken, wir werden es kurz vor dem Barcelona-Test bereit haben. Ich bitte um Nachsicht.» Wie der Wagen aussehen soll, das zeigten die Franzosen parallel zur Präsentation auf Werksbildern.

Renault hat sich in der Formel-1-WM 2018 auf dem vierten WM-Rang eingenistet. Nun wollen die Franzosen den nächsten Schritt machen und die drei Top-Teams Mercedes, Ferrari und Red Bull Racing ärgern. Der 63jährige Alain Prost arbeitet als Sonderberater der Franzosen und ist guter Dinge: «Wir werden 2019 besser abschneiden als in der vergangenen Saison, da bin ich mir ganz sicher. Wir werden es 2019 schaffen, die Lücke zu den drei Top-Teams zu verringern. Ich weiss nur noch nicht, um wie viel. Alles sieht sehr vielversprechend aus. Ich denke nicht, dass es reichen wird, um Mercedes und Ferrari schon zu schlagen, aber Red Bull und Honda sind für mich ein Fragezeichen.»

Renault hat in der vergangenen Saison gemäss des 51fachen GP-Siegers Prost «einige gute Gelegenheiten sausen lassen. Dennoch haben wir einen soliden vierten Rang im Konstrukteurs-Pokal eingefahren, dies obschon wir uns sehr früh auf die Zukunft ausgerichtet haben. Wenn wir uns das Kräfteverhältnis ansehen in der Formel 1, dann gibt es immer Wellenbewegungen. Wir waren im Sommer nicht so stark, wie wir es hätten sein müssen. Aber wir haben uns erneut verbessert, vor allem beim Motor, in Sachen Chassis haben wir nicht alles optimal gelöst.»

«Aber wir wollten den vierten Schlussrang erreichen, gleich hinter den drei Top-Teams, das haben wir geschafft. Wir wollten den Abstand zu ihnen verringern, auch das haben wir geschafft. Gleichzeitig haben wir nicht zu extrem entwickelt, wir wollten den Schwerpunkt eher auf 2019 legen. Der nächste Schritt ist von allen der schwierigste: auf Augenhöhe mit den Top-Teams kommen. Wir können das nicht wegreden – besonders Ferrari und Mercedes haben ihre Motoren 2018 nochmals markant verbessern können. Also mussten wir etwas unternehmen und die Arbeit für das 2019er Aggregat früh beginnen. Das haben wir getan.»

Jerôme Stoll, Präsident von Renault Sport, sagt über das Engagement seiner Firma: «Wir wollten den neuen Wagen hier zeigen, weil Enstone für uns ein besonderer Ort ist. Wir sind nun mehr als 25 Jahre zuhause. 2019 feiern wir zudem 40 Jahre des ersten GP-Siegs von Renault in der Formel 1, das war 1979 im Dijon. Für uns macht die Formel 1 aus zwei Perspektiven Sinn – als Marketing-Werkzeug und um technische Expertise zu zeigen. Gerade für die elektrische Seite von Mobilität ist die Formel 1 für Renault elementar.»

«Unser Ziel – wir wollen wieder Weltmeister werden. Wir sind nicht in die Formel 1 zurückgekommen, um das Feld zu füllen. Wir wissen, dass das nicht über Nacht passiert, aber ich sehe uns auf Kurs. Und wir sind als Firma dazu bereit, alles zu tun, um unser Ziel zu erreichen.»

Renault-Teamchef Cyril Abiteboul ergänzt: «Enstone hat sich in den vergangenen Jahren extrem geändert, alle Abteilungen wurden verbessert und ausgebaut. Wir sind von 400 auf 700 Fachkräfte gewachsen, in nur 24 Monaten. In Viry werden wir bald einen brandneuen Prüfstand einweihen. 2020 wird eine komplett neue Motorabteilung fertig.»

«Wir wollen die Lücke zu den besten drei Teams weiter verringern. Wir haben dazu die richtigen Fahrer. Wir wollen beweisen, dass wir beim Motor zugelegt und ein besseres Auto gebaut haben.»

Motorenchef Rémi Taffin: «Wir haben ein stabiles Reglement, wir haben eine starke Mannschaft, die jetzt über einen längeren Zeitraum arbeiten konnte. Wir hatten den besten Winter der letzten Jahre, wir sind wirklich guter Dinge.»

Chassis-Chef Nick Chester: «Es war ein hartes Stück Arbeit, sich der veränderten Aerodynamik anzupassen und die Werte von 2018 zu erreichen. Aber wir dürfen auf unser Auto stolz sein. Wir haben die Infrastruktur, um mehr Risiken bei der Entwicklung einzugehen. Wir wollen schneller und effizienter entwickeln.»

Nico Hülkenberg strotzt vor Tagendrang: «Ich habe es keine Sekunde bereut, zu Renault gegangen zu sein, weil ich immer wusste, wozu diese Firma fähig ist. Es war eine Super-Gelegenheit für mich, und daran hat sich nichts geändert. Wir sind 2018 WM-Vierter geworden, aber wir haben nicht schnell genug entwickelt. Da wollen wir 2019 zulegen. Wir wollen auch auf jeder Art Rennstrecke konkurrenzfähig sein.»

Renault folgt gemäss der gezeigten Fotos allen gängigen Trends mit dem 2019er Renner, ohne sich komplett in die Karten sehen zu lassen. So wird die auf Fotos gezeigte Variante schon im Laufe der Wintertests (18. Februar) anders aussehen, wenn die ersten Evo-Teile ans Auto kommen; für den Saisonbeginn (17. März) ist ein weiteres Entwicklungspaket geplant. Den grössten Spielraum bieten den Aerodynamikern die seitlichen Luftleit-Elemente, hier werden wir bei allen Rennställen viele Entwicklungen erleben. Das Heck ist extrem eingezogen, um die Wirkungsweise des Diffusors zu verstärken. Die Einlässe der Seitenkästen sind wie am Ferrari sehr hoch angebracht, die Seitenkästen selber markant tailliert. Die hohen Lufteinlässe sind zuvor auch von Toro Rosso und Haas übernommen worden.

Nick Chester: «Wir haben grosses Augenmerk auf die Verringerung von Gewicht gelegt, um mehr mit Ballast spielen zu können.»

Ein Hoffnungsträger heisst Daniel Ricciardo. Es ist eine Weile her, dass wir den Australier mit der Raute von Renault haben siegen sehen: Unvergesslich beispielsweise sein Monaco-Triumph 2011, damals trat der australische Strahlemann in der Formel Renault 3.5 an, bereits unterstützt von Red Bull. Gut sieben Jahre später hat sich Daniel dazu entschlossen, Red Bull Racing zu verlassen und bei Renault eine neue Herausforderung anzunehmen. Im Sommer 2018 wurde es offiziell gemacht. Es war die dritte Hammermeldung im Sommer, abgesehen von der Rettung von Force India und der Ankündigung von Fernando Alonso, 2019 nicht in der Formel 1 anzutreten.

Renault-Sonderberater Prost kann es nicht erwarten, mit dem siebenfachen GP-Sieger zu arbeiten. «Wir waren 2018 mit unseren Piloten Nico Hülkenberg und Carlos Sainz sehr zufrieden. Aber ich bin mir ganz sicher, Daniel Ricciardo wird Renault dabei helfen, eine neue Dimension zu erreichen. Er wird uns dabei helfen, weiter zu wachsen, weil er mit seiner jahrelangen Erfahrung aus einem Top-Team unschätzbare Informationen im Gepäck mitbringt.»

Daniel lacht: «Also ich bin nur zu Renault gekommen, weil ich endlich mal Französisch lernen wollte! Nein, ernsthaft – ich brauchte Veränderung, und meine Entscheidung hat Einiges im Startfeld ausgelöst. Renault hat mich tief beeindruckt, das Werk in Enstone wächst ständig. Der Ehrgeiz ist da, den nächsten Schritt zu machen und in den Windschatten der Top-Teams zu rücken. Das ist auch für mich ein gewaltiger Anreiz.»

«Zusammen mit Nico können wir Renault weiter nach vorne bringen, das hat mich am meisten gereizt am neuen Job. Ich wurde mit offenen Armen empfangen hier, ich spüre viel Goodwill. Dieses Vertrauen möchte ich gerne mit guten Ergebnissen belohnen.»

Renault: Solide Fortschritte

Niemand kann bestreiten: Renault macht seit der Rückkehr als Werksrennstall in die Formel 1 stetig Fortschritte. 2016 belegten die Gelben WM-Schlussrang 9, mit kümmerlichen acht Punkten. 2017 rückten die Franzosen auf Platz 6 vor, mit nunmehr 57 Punkten. 2018 ist Renault «Best of the Rest» zu erreichen, also auf Rang 4 hinter den drei Top-Teams Mercedes, Ferrari und Red Bull Racing. Renault hatte zur Sommerpause 2018 schon mehr Punkte eingefahren als in der ganzen Saison davor.

Vor neun Jahren wurde aus Renault Lotus: Im Dezember 2009 hatte Renault zunächst 75 Prozent der Teamanteile an das Luxemburger Unternehmen Genii Capital verkauft und zog sich aus dem operativen Geschäft zurück. Renault hatte durch die genannte Singapur-Affäre (Nelson Piquet fuhr beim ersten Nacht-GP im Stadtstaat 2008 absichtlich in die Wand, Stallgefährte Alonso gewann) einen erheblichen Image-Schaden erlitten, zudem gab es wirtschaftliche Sachzwänge. Später übernahm Genii Capital den Rennstall ganz. Renault blieb der Formel 1 als Motorhersteller erhalten und wurde von 2010 bis 2013 mit Red Bull Racing vier Mal in Folge Weltmeister. Doch das Werksteam hatte «au revoir» gesagt.

In der Zeit von Lotus (das mit dem einstigen Team von Colin Chapman nichts zu tun hatte) verliessen viele Mitarbeiter den Rennstall. Das Geld wurde knapp, das hatte Auswirkungen auf Infrastruktur und Konkurrenzfähigkeit. Im Sommer 2015 klopften die Gerichtsvollzieher an, Lotus stand vor der Zahlungsunfähigkeit. Hätte Renault das Team nicht zurückgekauft, wären in Enstone wohl die Lichter ausgegangen.

Das Werksgelände von Enstone ist seit der Rückkehr von Renault als Werksrennstall kaum mehr zu erkennen: Renault hat gewaltig zugelegt, das Personal wurde in drei Jahren fast verdoppelt. Renault-Teamchef Cyril Abiteboul sieht sich im Fahrplan: 2016 und 2017 Infrastruktur aufbauen, 2018 in den Windschatten der Top-Teams aufschliessen, 2019 Podestplätze einfahren, 2020 regelmässig gewinnen, spätestens 2021 soll der WM-Titel her.

Aber die Formel-1-Welt tickt nicht nach Mehrjahresplänen wie von Teamchef Abiteboul. Unsere Aufstellung aus dem Konstrukteurs-Pokal der vergangenen zwanzig Jahre (ganz unten) zeigt – ein Rennstall schiesst selten aus dem Mittelfeld mir nichts, dir nichts an die Spitze, schon gar nicht dann, wenn das Reglement weitgehend stabil bleibt. Erfolg und Misserfolg verlaufen zyklisch. Nur bei umfangreich neuem Reglement wurde das Kräfteverhältnis dramatisch verändert – etwa beim Schritt in die neue Turbo-Ära, als Mercedes-Benz die Hausaufgaben mit Abstand am besten gelöst hatte. Mercedes löste Red Bull Racing als Dauer-Weltmeister ab.

Ausreisser finden wir auch, wenn ein Rennstall einen technischen Vorteil erlangt hat – wie BrawnGP zur Saison 2009 hin. Honda zog sich auf Ende 2008 zurück, die Entwicklung des 2009er Modells hatte fast ein Jahr gedauert, zudem wurde der geniale Kniff des Doppeldiffusors optimal umgesetzt. Jenson Button setzte zu einer Siegesserie an, die einen so grossen WM-Vorsprung erzeugte, dass scheinbar aus dem Nichts Weltmeister wurde. BrawnGP profitierte auch von neuen Aerodynamik-Regeln, für die sie am längsten tüfteln konnten, weil die Entwicklung des jämmerlichen 2008er Modells früh eingestellt wurde. Nicht zu vergessen, dass sich ein Teil der Gegner mit der neu eingeführten, kinetischen Energierückgewinnung schwertat.

Renault träumt von der Rückkehr zu glorreichen Jahren wie 2005 und 2006, als Fernando Alonso den WM-Titel einfuhr und zwei Mal der Konstrukteurs-Pokal gewonnen werden konnte. Doch Superstar Alonso und sein Team profitierten damals von einem besonderen Reglement: Die Reifen mussten ein Rennen lang halten, Michelin lieferte vorzüglichen Gummi. 2006, im ersten Jahr der neuen V8-Motorgeneration, hielt die Überlegenheit von Renault so lange an, wie der Massedämpfer erlaubt war.

Bei stabilem Reglement finden wir kaum ein Team, das aus dem Mittelfeld zur Spitze vordrang – und sich dort halten konnte. BAR-Honda und Jordan schienen auf gutem Weg zu sein, fielen dann aber wieder zurück. Vor 2021 wird es keine einschneidende Reglement-Änderung geben.

Optimisten (wie der künftige Renault-FahrerDaniel Ricciardo) würden argumentieren: Der Australier hat gesehen, wie Lewis Hamilton für 2013 zu Mercedes wechselte und sich das Timing als perfekt erwies. Zahlreiche so genannte Insider witterten damals: Hamilton habe einen Riesenfehler gemacht, McLaren den Rücken zu wenden. Von wegen!

Pessimisten würden sagen: Fernando Alonso glaubte an einen Aufwärtstrend bei McLaren, als er Ende 2014 zurück nach Woking wechselte. Wir alle wissen, wie sich das mit Honda drei Jahre lang entwickelt hat.

Renault im Formel-1-Konstrukeurspokal

1977: 18. (keine Punkte)
1978: 12. (3)
1979: 6. (26)
1980: 4. (38)
1981: 3. (54)
1982: 3. (62)
1983: 2. (79)
1984: 5. (34)
1985: 7. (16)
2002: 4. (23)
2003: 4. (88)
2004: 3. (105)
2005: 1. (191)
2006: 1. (206)
2007: 3. (51)
2008: 4. (80)
2009: 8. (26)
2016: 9. (8)
2017: 6. (57)
2018: 4. (122)

Renault-Werksfahrer in der Formel 1

1977: Jean-Pierre Jabouille (F)
1978: Jabouille
1979: Jabouille und René Arnoux (F)
1980: Jabouille und Arnoux
1981: Arnoux und Alain Prost (F)
1982: Arnoux und Prost
1983: Prost und Eddie Cheever (USA)
1984: Patrick Tambay (F), Derek Warwick (GB) und Philippe Streiff (F)
1985: Tambay, Warwick und François Hesnault (F)
2002: Jenson Button (GB) und Jarno Trulli (I)
2003: Trulli und Fernando Alonso (E)
2004: Trulli, Alonso und Jacques Villeneuve (CDN)
2005: Alonso und Giancarlo Fisichella (I)
2006: Alonso und Fisichella
2007: Fisichella und Heikki Kovalainen (FIN)
2008: Alonso und Nelson Piquet (BR)
2009: Alonso, Piquet und Romain Grosjean (F)
2016: Kevin Magnussen (DK) und Jolyon Palmer (GB)
2017: Palmer, Nico Hülkenberg (D) und Carlos Sainz (E)
2018: Hülkenberg und Sainz
2019: Hülkenberg und Daniel Ricciardo (AUS)

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