Ferrari: Einfache Erklärung oder faule Ausreden?

Von Mathias Brunner
Ferrari unter Druck

Ferrari unter Druck

​Seit Monaten wird Ferrari unterstellt, beim bärenstarken Motor in einem Graubereich des Reglements zu operieren. Ferrari-Teamchef Mattia hat für fast alles eine Erklärung. Sind das nur faule Ausreden?

Seit 2018 hat Ferrari den kraftvollsten Motor in der Formel 1, seit 2019 haben die Italiener ein windschlüpfiges Auto obendrein. Ergebnis: Nach der Sommerpause standen wochenlang nur noch rote Rennwagen auf der Pole-Position, und auf den Geraden ist kein Auto schneller, erst in den USA brach diese Serie ab. Die Konkurrenz knirscht mit den Zähnen, und die FIA erhielt Briefe der Gegner, welche die Legalität des Ferrari-Motors zwar nicht offen anzweifeln, so doch hinterfragen. Aber kein Rennstall hatte bislang den Mumm, dem berühmtesten Rennstall der Welt Illegales zu unterstellen und diese Behauptung mit einem Protest an die Öffentlichkeit zu zerren.

In Mexiko hat sich Ferrari-Teamchef Mattia Binotto erstmals zum unüberhörbaren Grummeln der Gegner geäussert. «Jedes Team arbeitet hart, um sich Vorteile zu erarbeiten. Als die neue Turbohybrid-Ära 2014 begann, hatten wir nicht den besten Motor, also haben wir die Ärmel hochgekrempelt. Heute liegen wir vorne, und darauf dürfen wir stolz sein. Früher hatten andere Hersteller Vorteile, aber ich habe damals nichts von irgendwelchen Anschuldigungen gehört. Wenn ich höre, dass unsere Top-Speed hinterfragt wird, dann kann ich nur erwidern: Na und? Wir hinterfragen auch nicht die Kurventempi der Anderen. Sind sie in den Kurven so schnell, weil sie tricksen? Das glauben wir nicht. So wenig, wie wir auf den Geraden tricksen.»

Die von der FIA nie bestätigte Unterstellung besteht darin, dass Ferrari möglicherweise bei der Benzinversorgung eine Lücke im Reglement gefunden hat, um in bestimmten Situationen durch mehr Spritfluss mehr Leistung und damit eine bessere Beschleunigung zu erzeugen. Die Gegner können sich den gewaltigen Speed der roten Renner auf den Geraden nur zum Teil erklären.

Max Verstappen hat in Texas ordentlich auf den Busch gehauen. Er hat über die schwache Ferrari-Leistung gesagt: «Das passiert eben, wenn man nicht mehr trickst.»

Mattia Binotto schäumte: «Ich habe hier einige Kommentare von Gegnern gehört über eine technische Direktive und die angebliche Auswirkung auf unser Auto. Ich bin von einigen Kommentaren sehr enttäuscht. Um genau zu sein, hatte Seb am Samstag gute Chancen, hier die Pole zu erringen, die Abstände waren klein, es hat nicht viel gefehlt. Charles verlor das dritte Training, wir mussten einen anderen Motor einbauen, der weniger Leistung abgab. Wir hätten also durchaus auf dem üblichen Niveau fahren können. Im Rennen waren wir schwach, aber das lag nicht am Speed auf den Geraden, sondern am Reifen-Management. Solche Aussagen sind falsch und nicht gut für den Sport. Da sollten einige Leute mit ihren Worten vielleicht ein wenig vorsichtiger umgehen.»

Mercedes-Teamchef Toto Wolff hat die Einstellung seines Teams sehr elegant formuliert: «Wir stellen uns nicht die Frage, ob der Ferrari-Motor legal ist. So denken wir nicht. Wir zeigen nicht mit dem Finger auf andere Hersteller. Wir fragen uns vielmehr: Wie können wir selber etwas besser machen? Wir fragen uns: Haben wir etwas übersehen? Holen wir nicht alles aus dem Motor heraus? Wir haben heute eine Warnung erhalten. Wenn unsere Rivalen mehr Leistung aus einem Motor holen, dann müssen wir das auch können.»

Auf die technische Direktive 35/19 der FIA vor Austin folgte Ausgabe 38 vor Interlagos: In ihr ist präzisiert worden, dass keine wie immer geartete Flüssigkeit aus Bereichen wie Ladeluftkühler oder Energierückgewinnung in einen Brennraum gelangen darf. Die 38. Direktive der Saison 2019 ist damit ein enger Verwandter einer ähnlichen Klarstellung aus dem Jahre 2018 – damals machten die Regelhüter klar, dass es nicht erlaubt ist, Öl in Brennräume einzuspeisen, das eigentlich für die Kühlung vorgesehen wäre.

Ergebnis des Brasilien-Wochenendes: Ferrari ist auf den Geraden schnell und in den Kurven besser als sonst, die Top-Speed war besser als in Texas, aber nicht so vorzüglich wie zuvor. Natürlich hat Binotto dafür eine Erklärung, Ferrari-Kritiker werden es in die Kategorie faule Ausrede einstufen.

Der Italiener in Interlagos: «Ja, die Honda-Renner von Red Bull Racing und Toro Rosso waren in Brasilien schnell, in den Kurven und auch auf den Geraden. In Brasilien suchst du immer zwischen einer guten Balance zwischen Abtrieb für den kurvigen Innenteil und einer hohen Geschwindigkeit in den Vollgaspassagen. In Interlagos waren wir zum ersten Mal auch in den Kurven bei der Musik, das zeigt, dass wir uns bei der Abstimmung weiter in jene Richtung entwickeln, welche wir in Texas eingeschlagen hatten.»

Inzwischen sind wir bei Direktive 39/19 angelangt. Den Rennställen ist am 20. November mitgeteilt worden, dass die FIA in den Autos einen zweiten Durchfluss-Messer installieren will, um die maximale Menge von 100 Kilo Sprit pro Stunde nachhaltig zu kontrollieren. Und in Brasilien ist die Benzinversorgung von drei Autos beschlagnahmt worden: von einem Ferrari, vom Ferrari-Kunden Hass sowie von einem dritten Team, das mit einem anderen Motorhersteller arbeitet.

Was nun passiert, ist einfach: Finden die FIA-Techniker etwas Fragwürdiges, hat Ferrari Einiges zu erklären. Bis dahin gilt für den berühmtesten Rennstall das Motto – im Zweifel für den Angeklagten.

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