ISR-Manager David: «Albtraum für Sergey Sirotkin»

Von Vanessa Georgoulas
Exklusiv-Interview mit ISR-Teammanager Loïc David: Der ehemalige Formel-1-Ingenieur und heutige ISR-Teammanager spricht über Schützling Sergey Sirotkin und dessen Formel-1-Pläne.
Loïc David, wie viele Interviews mussten Sie seit der Verkündung von Sergey Sirotkins Formel-1-Aufstieg geben?

Bei mir hält sich das Ganze noch in Grenzen, für Sergey ist es schon ein Albtraum. Aber ehrlich gesagt habe ich Schlimmeres erwartet. Ich komme ja aus der Formel 1 und kenne den Medienrummel. Deshalb weiss ich auch damit umzugehen.

Als ehemaliger Formel-1-Ingenieur kennen Sie die Königsklasse des Motorsports gut. Glauben Sie, dass der erst 17-jährige Sergey Sirotkin schon bereit ist für die Formel 1?

Das ist eine schwierige Frage. Einerseits muss man mit Blick auf sein junges Alter sagen: Es ist noch zu früh. Sergey ist erst 17 Jahre alt und wird bei seinem Debüt 18 sein. Aber er ist auch schon sehr reif für sein Alter, er wirkt wie ein Fahrer, der schon 23 Jahre alt ist. So gesehen ist er vielleicht schon soweit. Er bekommt nun die gleiche Chance wie Kimi Räikkönen, im gleichen Team – bei Sauber. Sie sehen, die Geschichte könnte sich hier vielleicht wiederholen, und wenn man eine solche Chance bekommt, nutzt man sie auch.

Sergey wehrt sich gegen den Vergleich mit Kimi – auch wenn er sehr schmeichelhaft ist. Ist dieser denn angebracht?

Ich habe nie mit Kimi Räikkönen gearbeitet, aber er wirkt auch sehr ruhig und selbstbeherrscht. Die Leute aus dem Norden haben Eines gemeinsam: Sie haben viel Selbstbeherrschung, aber in ihnen steckt auch viel Energie. Da sehe ich schon Parallelen. Sergey hat viel Talent, er hat auch seine Emotionen im Griff, und er ist sehr zielstrebig.

Welches ist die grösste Stärke von Sergey?

Für mich ist das seine Qualität, gleich auf Tempo zu kommen. Im Wintertest war er gleich von Beginn weg schnell. Normalerweise braucht man einige Anpassungen, wenn man in eine neue Formel-Klasse aufsteigt. Man muss die Bremsen und vieles mehr auf seine Bedürfnisse einstellen. Aber Sergey kam, stieg ins Cockpit und bum! Er lernt unglaublich schnell und hat ein wahnsinnig gutes Gefühl für sein Auto. Natürlich haben wir dann noch mit den Daten gearbeitet, aber er war von Anfang an bei der Musik – als wäre er in diesem Auto schon einmal gefahren. Er hat einen natürlichen Speed, das ist ein besonderes Talent. Ich kann mir vorstellen, dass er sich deshalb schnell in der Formel 1 einfinden wird.

Wie gut ist Sergeys Entwicklungsarbeit, gibt er den Ingenieuren ein gutes Feedback?

Ja, manchmal müssen wir ihm helfen, aber er beschreibt sehr genau, was das Auto macht und was er will. Er sagt etwa: Ich kann dies nicht machen, weil jenes so ist. Er hat also schon jetzt ein tieferes Verständnis dafür. Und er weiss, was er braucht und wohin er will. Das ist das Wichtigste.

Und was ist Sergeys grösste Schwäche?

Man kann nicht von Schwäche reden, er hat natürlich sehr viel weniger Erfahrung als andere Fahrer. Das kann ein Nachteil oder eine Schwäche sein. Aber ich verweise da noch einmal auf Kimi. Der hatte auch kaum Erfahrung, als er in die Formel 1 kam. Ob das also eine Schwäche ist, kann ich jetzt noch nicht beantworten.

Wie sieht es mit seiner Fitness aus – ist Sergey körperlich stark genug, um ein Formel-1-Rennen durchzustehen?

 Ja, natürlich, das sieht man von blossem Auge. Er ist sehr kräftig gebaut, da habe ich überhaupt keine Bedenken.

War die Verständigung zu Beginn der Zusammenarbeit noch ein Problem?

Nein, überhaupt nicht, Sergey spricht schon jetzt sehr gut Englisch und das ist auch eine Voraussetzung, um in der Formel 1 zu bestehen. Was die Kommunikation angeht – auch im Dialog mit den Journalisten – mache ich mir keine Sorgen, in dieser Hinsicht ist Sergey bereit für die grosse Bühne.

Aber er ist eher der stille Typ, oder wie würden Sie Sergey beschreiben?

Ja, er ist sehr ruhig, alles andere als ein Showman. Er ist nicht scheu, aber zieht keine Show ab. Er ist sehr professionell, wenn ihm jemand eine Frage stellt, beantwortet er sie auch immer höflich. Die Zusammenarbeit mit ihm ist sehr angenehm.

Interessiert sich Sergey  für die technische Seite des Motorsports?

Ja, denn er will verstehen, was in seinem Auto passiert. Er weiss, dass ihm das technische Wissen hilft, sein Rennauto besser zu verstehen, und dadurch ein besserer Rennfahrer zu werden.

Viele Stimmen im Fahrerlager haben sich kritisch zum Russen-Deal von Sauber geäussert. Was glauben Sie, wird Sergey zum Saisonstart 2014 im Sauber sitzen?

Das kann ich bei bestem Willen nicht sagen. Ich weiss ja nicht, was hinter den Kulissen der Königsklasse alles passiert.

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