Japan: Lewis Hamilton siegt, Sorge um Jules Bianchi

Von Vanessa Georgoulas
Lewis Hamilton übernahm in der 29. Runde des Japan-GP die Führung von seinem Mercedes-Teamkollegen Nico Rosberg

Lewis Hamilton übernahm in der 29. Runde des Japan-GP die Führung von seinem Mercedes-Teamkollegen Nico Rosberg

Mercedes-Star Lewis Hamilton liess sich vom Wetter-Chaos auf dem Suzuka Circuit nicht beirren und holte sich seinen achten Saisonsieg. Doch das trat angesichts der Sorge um Jules Bianchi in den Hintergrund.

Die Aufregung vor dem Japan-GP war gross: Zum ersten Mal in diesem Jahr mussten die Formel-1-Piloten im Regen in einen Grand Prix starten. Bis wenige Runden vor Schluss rätselten Teams, Piloten und Journalisten darüber, ob FIA-Renndirektor Charlie Whiting das Feld hinter dem Safety-Car ins Rennen schicken würde.

Die Meinungen darüber gingen auseinander. So erklärte etwa Ex-GP-Pilot Mika Salo, der als Rennsteward am Suzuka Circuit weilte: «Hier laufen einige Bäche über die Strecke und ich glaube, es wäre besser, hinter dem Safety Car zu starten.» Der ehemalige Formel-1-Fahrer und heutige SkySport-TV-Experte Marc Surer erklärte hingegen: «Wenn Daniel Ricciardo im Warm-Up über Boxenfunk laut darüber nachdenkt, die Intermediates aufzuziehen, dann dürfen die eigentlich nicht hinter dem Safety-Car starten.»

Rote Flaggen nach den ersten Runden

Weil der Regen kurz vor dem Start intensiver wurde, entschied sich Whiting für einen Start hinter dem Safety-Car. Erstmals seit der Geduldsprobe in Kanada 2011 (das Rennen dauerte länger als vier Stunden) fuhren die Formel-1-Stars die ersten Kilometer hinter Bernd Mayländer. Während Lewis Hamilton von der Mercedes-Boxenmauer gewarnt wurde, dass die Strecke sehr viel nasser geworden sei und er aufpassen müsse, beschwerte sich Weltmeister Sebastian Vettel über Aquaplaning.

Caterham-Rookie Marcus Ericsson legte Ausgangs der Schikane promt einen Dreher hin. Der Schwede konnte danach aber mit Hilfe der Streckenposten, die den grünen Renner aus dem Kies schoben, wieder weiterfahren. Kurz darauf wurde das Rennen nach nur fünf Minuten in der zweiten Runde abgebrochen. Leader Nico Rosberg und der Rest des Feldes reihte sich auf der Boxengasse ein.

Weil die Piloten dabei noch einmal die Star-Ziel-Linie kreuzten, wurde die dritte Runde eingeblendet. «Das hat den Vorteil, dass die Fahrer schon jetzt die halbe Punktzahl bekommen, wenn gar nicht mehr gefahren wird. Mindestens zwei Drittel der Renndistanz muss gemäss Artikel 6.5 der Sporting Regulations zurückgelegt werden, um die volle Punktzahl zu geben.»

Formel-1-Stars mit Problemen

Nach einer 20-minütigen Regenpause durfte sich das Feld erneut hinter dem silbernen Mercedes-Flügeltürer einreihen und auf die Strecke fahren. Kaum hatten sich die Boliden in Bewegung gesetzt, war das Rennen für Ferrari-Star Fernando Alonso schon wieder gelaufen. Die Wiederholung der TV-Bilder zeigte, dass die Elektronik beim Weltmeister von 2005 und 2006 plötzlich streikte.

Surer rätselte: «Das könnte natürlich mit dem Regen zusammenhängen, aber wir haben solche Ausfälle natürlich auch im Trockenen gesehen, da muss man erst die Ursache ermitteln.» Alonso war nicht der Einzige, der Probleme bekundete. Hamilton meldete ein Problem mit den Bremsen und sein Team beruhigte ihn daraufhin, dass es sich nur um einen Sensor-Defekt handle und er sich davon nicht beirren lassen solle.

Auch WM- und Renn-Leader Nico Rosberg wurde vom Technik-Pech verfolgt. Der Wahl-Monegasse konnte nur beschränkt von der Boxenmauer mit Informationen versorgt werden, weil die Telemetrie teilweise versagte. «Das ist in diesen Bedingungen ein grosser Nachteil», bedauerte Surer. Ab der sechsten Runde begann Hamilton langsam die Geduld zu verlieren. «Die Strecke ist so gut, wie sie nur sein kann in diesen Bedingungen. besser wird es nicht und die Pfützen sind kein Problem», funkte er.

«Charlie, die Strecke ist in Ordnung», legte Hamilton kurz darauf nach, «wir könnten schon fast auf den Intermediates-Reifen raus.» Surer erklärte: «Er weiss natürlich, dass die Rennleitung mithört, und hat Charlie Whiting nun direkt angesprochen. Hamilton ist ein sehr starker Fahrer im Regen und er will jetzt natürlich Gas geben.»

Reifen-Poker von Reifen-Flüsterer Jenson Button

In Runde 9 kam schliesslich die Meldung, dass das Safety-Car Ende Runde in die Boxengasse einbiegen würde. «42 Minuten nach dem geplanten Rennstart dürfen die Piloten endlich Gas geben», freute sich Surer. McLaren-Pilot Jenson Button bog gleich zur Box ab, und Lotus-Pilot Pastor Maldonado tat es ihm gleich. Der Weltmeister von 2009 liess sich Intermediates-Reifen geben und fuhr unter besonders starker Beobachtung der Konkurrenz wieder auf die Strecke.

Nach einer halben Runde war klar: Der Brite hatte sich richtig entschieden. Das teilte ihm McLaren auch per Boxenfunk mit: «Dein Tempo ist gut, du bist jetzt schon so schnell wie die Mercedes, gut gemacht!» Daraufhin stürmten auch Red Bull Racing-Pilot Daniel Ricciardo, Williams-Talent Valtteri Bottas und McLaren-Neuling Kevin Magnussen an die Box. Eine Runde später bogen auch Williams-Fahrer Felipe Massa und Vettel zum Reifenwechsel ab.

Obwohl der Weltmeister nach seinem Teamkollegen stoppte, kam er vor dem Australier wieder auf die Strecke raus. Rosberg legte seinen Stopp in Runde 14 ein. Das Mercedes-Team leistete gute Arbeit und der Deutsche konnte sich hinter seinem Teamkollegen auf Position 2 wieder einreihen. Hamilton versuchte, mit einer Verzögerung seines Stopps eine Lücke auf seinen Hintermann herauszufahren, machte sich aber alle Vorteile zunichte, weil er in der Spoon-Kurve weit ausholen musste.

Starke Überholmanöver des Red Bull Racing-Duos

Danach liess auch Hamilton grün markierten Intermediates-Reifen aufziehen, während Rosberg ohne Not wieder die Führung übernahm. Hinter dem Mercedes-Duo waren Button, Bottas, Massa, Vettel, Ricciardo, Force India-Rückkehrer Nico Hülkenberg, Ferrari-Star Kimi Räikkönen und Toro Rosso-Talent Daniil Kvyat auf den Top-Ten-Positionen unterwegs. Magnussen hatte sich aus der Gruppe der schnellsten Zehn verabschiedet, weil er zum zweiten Mal die Box ansteuern musste. Dort wechselte der Däne das Lenkrad aus.

Ab Runde 16 sorgte das Red Bull Racing-Duo mit einer Serie von schönen Überholmanövern für Unterhaltung. Sebastian Vettel sicherte sich Position 5 von Massa, und eine Runde später griff auch Ricciardo an. Der 25-Jährige aus Perth zog in den S-Kurven Aussen am Brasilianer vorbei und erntete dafür viele Komplimente von Surer: «Das war ein sehr starkes Manöver, er kann das einfach! Erstaunlich, wie konsequent er seine Angriffe immer durchzieht, das war ganz grosse Klasse», schwärmte der Schweizer.

Auch der zweite Williams wurde kurz darauf ins Visier genommen. Vettel schnappte sich den jungen Finnen in der Haarnadel-Kurve. Surer lachte: «Das ist die Lieblingsstelle von Vettel. Bottas macht die Tür zu, aber es nützt nichts, Vettel zieht Aussen an ihm vorbei. Das war auch sehr schön.» Ricciardo liess sich daraufhin nicht lange bitten und schnappte sich den Teamkollegen von Massa wiederum in den S-Kurven auf der Aussenbahn.

Lewis Hamilton übernimmt die Führung

Die Red Bull Racing-Renner waren denn auch die Schnellsten auf der Piste, auch Button war sehr schnell unterwegs. «Ich denke, dass die Mercedes die Reifen ein bisschen mehr hernehmen, und dass das der Grund ist, warum andere Gegner länger schnell fahren können als die Silberpfeile», verriet Surer, der sich über das anbahnende Spitzenduell von Rosberg und Hamilton freute. Rosberg beklagte sich wie schon zu Beginn seiner Intermediates-Fahrt über Übersteuern, während Hamilton sich in eine gute Position brachte.

Dass ab Runde 25 auch der Heckflügel wieder flachgestellt werden durfte, erhöhte die Spannung. Hamilton sorgte mit einem Ausritt in der ersten Kurve für eine Schrecksekunde und Surer schilderte: «Er hat die Kontrolle verloren, als der Flügel zuklappte. Das passierte auch relativ spät. Da hat er Glück gehabt.» Hamilton liess sich nicht beirren und schnappte sich seinen Teamkollegen in Runde 29 beim Anbremsen auf die erste Kurve. «Das war sauber und fair», kommentierte Surer trocken.

Sorge um Jules Bianchi

Die Zuschauer bekamen wiederum einige Dreher und Ausritte neben die Strecke zu sehen, vor allem, weil der Regen ab Runde 34 wieder stärker wurde. Auch Sebastian Vettel, der mittlerweile hinter dem Mercedes-Duo als Dritter unterwegs war, sorgte für Action: Erst rutschte er quer über die Piste, dann pflügte er sich in den S-Kurven durchs Kies. Der Weltmeister hatte Glück im Unglück, er konnte seine Position verteidigen. «Aber Button ist näher herangekommen», erklärt Surer.

Danach überschlugen sich die Ereignisse. Erst setzte Sutil Ausgangs der Dunlop-Kurve seinen Sauber in die Streckenbegrenzung, kurz darauf flog Jules Bianchi an gleicher Stelle ab, woraufhin das Rennen abgebrochen wurde. Nur Augenblicke später teilte die Rennleitung mit, dass das Rennen nicht mehr neu gestartet werden würde.

Somit siegte Hamilton vor Rosberg, Vettel, Ricciardo, Button, Bottas, Massa, Hülkenberg, Vergne, Pérez, Kvyat, Räikkönen, Gutiérrez, Magnussen, Grosjean, Maldonado, Ericsson, Chilton und Kobayashi. Auch Bianchi und Sutil wurden auf den Positionen 20 und 21 noch gewertet. Doch das trat angesichts der Sorge um Jules Bianchi, der mit der Ambulanz ins Medical Centre und gleich weiter ins Krankenhaus gebracht wurde, in den Hintergrund. Der Franzose war offenbar in den Bagger gerutscht, der Sutils Auto barg.

Später erklärte FIA-Pressechef Matteo Bonciani: «Der Fahrer war bei der Fahrt ins Krankenhaus nicht bei Bewusstsein, er wurde mit einer Polizei-Eskorte dorthin gebracht, weil der Hubschrauber bei diesen Bedingungen nicht starten kann. Mehr kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.»

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