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Wer sind die grössten Saugnäpfe der Formel 1?

Von Mathias Brunner
SPEEDWEEKipedia: Leser fragen, wir finden die Antwort. Heute: Welche Formel-1-Rennwagen der GP-Historie haben die grösste Saugnapfwirkung erzeugt?

In loser Reihenfolge gehen wir in Form von «SPEEDWEEKipedia» auf Fragen unserer Leser ein. Dieses Mal will Claus Zorn aus Neuwied wissen: «Was mich mal interessieren würde – welche Generation Autos in der Formel 1 hat den höchsten aerodynamischen Abtrieb erzeugt? Waren das die Wingcars, also die Flügelautos mit ihren Schürzen Ende der 70er, anfangs der 80er Jahre, wie der Lotus 79 oder der Williams FW07? Oder die extremeren Modelle Lotus 80 und Arrows A2? Da fuhren die Autos ja teilweise sogar ohne Frontflügel herum! Oder der Williams FW14 anfangs der 90er Jahre, der dank einer hydraulischen Aufhängung einen sehr stabilen Luftstrom an der Fahrzeugunterseite erzeugte? Oder sind es doch die heutigen Autos, trotz der stark reglementierten Unterböden?

Die Antwort gibt der langjährige Formel-1-Designer Gustav Brunner. Der Österreicher sagt: «Also die Erfindung des Wingcars in Form des Lotus 78 mit beweglichen, federbelasteten Schürzen  war sicherlich die aerodynamische Revolution schlechthin. Der Williams FW07 war sehr gut. Der Lotus 80 und auch der Arrows A2 hingegen waren schwer zu fahren – wegen aerodynamischer Instabilität.»

«1981 wurden die Schürzen dann verboten, weil die Autos in den Kurven zu schnell wurden und weil die Autos unsteuerbar waren, wenn in den Kurven die Saugnapfwirkung schlagartig abbrach. Der Brabham BT49 hatte flexible Schürzen, aber keine Abdichtung zum Asphalt. 1983 kam dann der flache Unterboden.»

«In den folgenden Jahren versuchten die Designer, den Wagen immer näher am Asphalt zu halten, was sehr effizient, aber instabil war. Der vollaktive und dominierende Williams FW15C von 1993 war der Höhepunkt dieser Technologie, mit enormem Anpressdruck. Schon bei 165 km/h war der Anpressdruck höher als das Eigengewicht des Fahrzeugs – ab diesem Tempo hätte der Rennwagen theoretisch an der Decke fahren können.»

«Die aktive Radaufhängung wurde Ende 1983 verboten. Nach dem tödlichen Unfall von Ayrton Senna 1994 in Imola wurde der so genannte Skidblock eingeführt – ein 1 cm dickes Holzbrett in Fahrzeugmitte, von vorne bis hinten, um den flachen und damit in Bodennähe instabilen Fahrzeugboden vom Asphalt wegzubekommen.»

«Später kam dann der gestufte Fahrzeugboden (5 Zentimeter). Noch später kamen die schmaleren Autos, was auch eine Anpressdruckreduzierung zur Folge hatte, da die aerodynamisch ungünstigen Räder näher am Fahrzeugkörper waren.»

«Um nun die Frage zu beantworten: Den höchsten Anpressdruck hatten die modernen Autos vor dem Schritt in die neue Turbo-Ära, also in den Jahren  2012 und 2013. Heutige Autos sind aerodynamisch stabiler und viel effizienter, weil sie weniger Luftwiderstand aufbauen.»

«Die Faustregel gilt: Alle Reglementänderungen, die den Anpressdruck um 25 bis 30 Prozent reduzierten, wurden nach jeweils zwei Jahren von den Technikern wieder wettgemacht. Gute Arbeit der Aerodynamiker, mit besten Grüssen an Adrian Newey!»

«Das wieder hatte damit zu tun: Mit dem Eintritt der Autohersteller Mitte der 90er Jahre begann übrigens das grosse Wettrüsten – mit enormen Investitionen in Windkanäle und gewaltigen Budgets für die Entwicklung. Zuerst hatte Ferrari den besten Windkanal, später Red Bull. In letzter Zeit  erntet Mercedes die Früchte ihrer vor Jahren getätigten Investition. Das bedeutet extremen Aufwand wie mehrere Kanäle, Dreischichtbetrieb im Kanal, verstärkte Bemühungen in Sachen CFD, «computational fluid dynamics», also Flussdynamikberechnungen, bessere Modellgrösse sowie günstigere Testgeschwindigkeit. Inzwischen gibt es auch hier vom Reglement her Beschränkungen.»

«Den aktuellen Autos, die meiner Meinung nach für die Formel 1 zu langsam sind, fehlt es nicht am Anpressdruck. Sie sind bloss viel schwerer als vor der Einführung der Turbomotoren. In einer 3g-Kurve hat die Aerodynamik das Dreifache des Gewichtszuwachses zu kompensieren, sonst ist man langsamer. Für 2017 werden alle möglichen Massnahmen diskutiert, um die Rundenzeiten zu reduzieren. Einfacher und sicherer wäre es, das Gewicht zu reduzieren. Denn Aero-Änderungen sind die teuersten Änderungen.»

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