KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Jonas Folger: «Da ist mir das Herz aufgegangen»

Von Günther Wiesinger
MotoGP-Rookie Jonas Folger gibt zu, dass er sich in den ersten GP-Jahren oft zu sehr auf sein außergewöhnliches Talent verlassen hat. Aber seine Leidenschaft fürs Motorradfahren brachte ihn wieder an die Spitze.

Überraschungsmann Jonas Folger aus dem französischen Tech3-Yamaha-Team geht von 4. bis 6. Augst in Brünn/Tschechien als großartiger MotoGP-WM-Siebter in die zweite Saisonhälfte.

Dort hat er im Regen 2016 sein drittes und letztes Moto2-WM-Rennen gewonnen.

Der Bayer feiert dann am 13. August (Renntag in Spielberg) beim Österreich-GP seinen 24. Geburtstag.

Und es lässt sich kaum in Worte fassen, wie viele Höhen und Tiefen der Motorradrennfahrer aus Schwindegg in den letzten Jahren schon erlebt hat.

Folger brachte es durch seine Minibike-Erfolge in Deutschland früh zu einem begehrten Platz in der von der Dorna und von Red Bull finanzierten MotoGP-Academy in Barcelona, wo auch Smith, Nakagami, Bradl, Webb und etliche Spanier unter der Regie von Alberto Puig das Handwerk erlernten.

Folger schaffte dann mit 13 Jahren schon Top-3-Plätze in der glänzend besetzten Internationalen Spanischen 125-ccm-Meisterschaft CEV, ehe er aus familiären Gründen in die IDM 125 geschickt wurde, wo ihn Sepp Schlögl und Adi Stadler in einem Honda-Team betreuten.

Folger gewann im Juli 2006 mit 13 Jahren auf dem Salzburgring als jüngster Fahrer einen 125-ccm-IDM-Lauf.

2008 debütierte er kurz nach seinem 15. Geburtstag in Misano bereits in der 125er-WM. Und dann steckte ihn das Red Bull KTM-Team für zwei Überseerennen anstelle des in Ungnade gefallenen Schweizers Randy Krummenacher sogar ins 125-ccm-Werksteam.

2009 bestritt Folger seine erste komplette WM-Saison – im Aprilia-125-Team von Fiorenzo Caponera. Er startete beim Jerez-GP nach einem Motorschaden im Qualifying von 34. Startplatz – und lag in der vorletzten Runde nach einer fabelhaften Leistung in den Top-3, dann stürzte er... Doch beim nächsten Rennen in Le Mans hielt sich der unerschrockene Folger mit Platz 2 im Regen schadlos.

Und er war immer noch 15 Jahre alt...

Jonas blieb 2010 noch im Caponera-Team, was sich als Fehler erwies, denn das Team wuchs auf fünf Fahrer, für die es nur einen Crew-Chief gab, das Geld und das Material waren knapp. Nach einem Sturz in Jerez musste Folger ewig mit einer verbogenen Schwinge fahren.

2011 fand Folger Platz im Red Bull Aprilia-125-Team von Aki Ajo, dessen strenges Regime damals nicht zum Erfolg führte. Folger musste seine Werks-RSA-Aprilia nach dem Brünn-GP sogar für einige Rennen mit seinen Teamkollegen Danny Kent tauschen, der einen RS-Production-Racer fuhr.

Der finnische Teambesitzer Aki Ajo warf Folger vor, er sei nur im Nassen wirklich schnell – und trennte sich nach einer Saison wieder von ihm.

Es folgte der Tiefpunkt in der GP-Karriere von Jonas Folger. Er fiel zwischen Stuhl und Bank und musste sich auf einen Deal mit MZ-Chef Martin Wimmer einlassen, der Folger 2012 in der neuen 250-ccm-Einzylinder-Viertaktklasse auf eine Moto3-Honda NSF250R setzen wollte, einen billigen Production-Racer.

Doch bereits im Februar zeichneten sich Budgetprobleme ab, MZ entließ Folger vor dem Saisonstart und nahm Toni Finsterbusch unter Vertrag, weil der Sachse eine anständige Mitgift ablieferte.

Jonas Folger stand im März 2012 noch ohne Vertrag auf der Straße – und musste angesichts der drohenden Arbeitslosigkeit notgedrungen beim Nachzügler-Team IodaRacing von Giampiero Sacchi unterschreiben, das bei der überforderten Firma Robby Engineering damals einen eigenen 250-ccm-EMIR-Moto3-Motor bauen ließ, der schwach und unzuverlässig war.

Doch Jonas schlug sich durch, ließ den Kopf nicht hängen, kämpfte mit dem nicht konkurrenzfähigen Material tapfer und verbissen um seine Chance – und wurde zur Belohnung mitten in der Saison von Weltmeister-Macher Jorge «Aspar» Martinez auf eine Kalex-KTM gesetzt.

Und wieder zeigte Folger seine Fähigkeiten – Platz 3 beim Debüt im Mapfre-Aspar-Team in Indy, noch dazu ohne vorherige Testfahrten. Der Deutsche eroberte dank ein paar weiterer Glanzleistungen noch den neunten Gesamtrang.

Folger verbrachte auch die Saison 2013 bei Martinez auf der Kalex-KTM, er schaffte den fünften WM-Rang, aber Martinez offerierte ihm keinen Moto2-Vertrag, außerdem wollte der Bayer statt der Suter MMX2 unbedingt eine Kalex – und fand sie beim kleinen spanischen AGR-Team, für das er in zwei Jahren zwei GP-Siege feierte, ehe er 2016 zu Dynavolt Intact GP wechselte.

Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com sprach MotoGP-Pilot Jonas Folger offen über die schwierigen Phasen seiner schillernden Karriere.

Jonas, du hast während deiner Zeit bei «Aspar» Martinez und dann beim AGR-Team einmal erwähnt, du hättest dich in manchen Phasen deiner Karriere zu sehr auf dein außergewöhnliches Talent verlassen. Was brachte den Umschwung? Du hast erkannt, dass nach Topteams wie Ajo und Martinez nicht mehr viele erstklassige Chancen kommen? Das war tatsächlich so – es kamen die Tiefpunkte bei MZ und Iodaracing. AGR galt auch nie als Top-Team. Du hast gewusst: Wenn ich diese Chance nicht nütze, wird es schwierig?

Ja, genau.

Nach dem Jahr mit Aki Ajo war ich in einer schlechten Situation. Damals habe ich den Spaß und die Lust am Rennfahren verloren. Was schade war, weil das Motorradfahren für mich das Schönste auf der Welt ist.

Wenn man dann einmal bei seiner liebste Beschäftigung die Lust verliert, dann überlegt man schon einmal: Soll ich weitermachen oder nicht?

Aber nach langer und reiflicher Überlegung und einem langen Tiefpunkt habe ich dann wieder mein Sprungbrett gefunden. Zuerst durch «Aspar» Martinez, der damals mit Moncayo nicht so zufrieden war und mich im Juli 2012 engagiert hat.

Er sagte, er gibt mir diese Chance. Da ist mir das Herz aufgegangen. Ich bin dann beim ersten Rennen in Indy gleich aufs Podium gefahren.

Von dem Moment an habe ich gewusst: «Jetzt darf ich nie wieder nachlassen. Ab jetzt tue ich alles dafür, damit ich dort hinkomme, wo ich hinkommen will.»

War es dein Erfolgsrezept, dass du damals mit rund 20 Jahren wieder daheim weggegangen bist wie während der MotoGP-Academy? Du hast gemeinsam mit Kumpel Marcel Schrötter in der Nähe von Girona ein Haus gemietet und dann professionell trainiert: Motocross, Dirt Track, Supermoto, Rennrad, Mountainbike und so weiter. Du hast dich auf den Job konzentriert, die Verlockungen in der Heimat hast du hinter dir gelassen.

Ja, ich habe alles gemacht und alles durchgemacht. Ich war jahrelang daheim, ich war mit dem Marcel in Spanien. Jetzt bin ich wieder daheim.

Ich habe sogar einmal ein Jahr lang in Spanien bei meinem Freund und Manager Christian Llavero gewohnt. Ich habe alles probiert und geschaut, was ist das Beste für mich.

Das war so in der Zeitspanne von meinem 18. Lebensjahr bis 20, 21. Da habe ich alles durchprobiert und gesagt: «Das taugt mir, das nicht, da habe ich viel gelernt, da eher weniger.»

Auf diese Weise habe ich meinen Weg gefunden.

Und zu meiner Intact-Zeit habe ich es auch geschafft, wieder heim nach Deutschland zu kommen und trotzdem immer vorbereitet zu sein für die Rennsaison.

Du bist jetzt WM-Siebter und hast beim Heim-GP vor drei Wochen einen grandiosen zweiten Platz erreicht. Welche Ziele setzt du dir für den Rest des Jahres?

Ich will in der WM auf alle Fälle in den Top-Ten bleiben. Das hat oberste Priorität.

Und wir wollen bestätigen, dass wir die ganze Saison so durchziehen können, wie uns das bei den ersten neun Rennen gelungen ist. Wir wollen also auch bei den restlichen Grands Prix immer wieder für Überraschungen sorgen.

Aber wenn es einmal nicht so gut läuft, dürfen wir auch mal Zehnter werden.

Und was nimmst du dir für 2018 vor?

In der kommenden Saison will ich noch einmal ein Stück weiter nach vorne kommen, auf alle Fälle.

Wir werden schauen, wo wir am Ende des Jahres stehen. Wenn wir im Optimalfall in dieser Saison unter den ersten acht bleiben, wollen wir natürlich nächstes Jahr in der WM unter die ersten sechs fahren.

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