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Jorge Lorenzo: Schwere Zeiten für den Superstar

Von Günther Wiesinger
Wenn Ducati statt Jorge Lorenzo einen Fahrer wie Jack Miller oder Danilo Petrucci ins Werksteam holt, brechen für den spanischen Superstar schwere Zeiten an.

Die Situation von Jorge Lorenzo bei Ducati Corse ist nicht gerade beneidenswert. Vor zwei Jahren haben ihn die Roten aus Borgo Panigale als Retter in der Not engagiert, denn Ducati wollte Yamaha (Valentino Rossi) und Honda (Marc Márquez) einen gleichwertigen Superstar entgegensetzen.

Man war zur Überzeugung gekommen, dass Andrea Dovizioso und Andrea Iannone nicht das fahrerische Format von Rossi und Márquez (und teilweise Dani Pedrosa) haben.

Und das war 2016 keine falsche Einschätzung.

Aber «Dovi» spielte nach der Verpflichtung von Lorenzo nicht die beleidigte Leberwurst, sondern holte die besten Trainer an seine Seite. Die körperliche Fitness wurde in Zusammenarbeit mit Francesco Chionne, dem Physiotherapeuten, und Francesco Cuzzolin, dem Sporttrainer optimiert.

Und Dovizioso kümmerte sich nicht nur um seinen Körper, sondern auch um seinen Geist. Eugenio Lizama ist ein Sportpsychologe, der mit vielen Stars im Motorsport zusammengearbeitet hat. Auch Amadeo Maffei und Bruno Demichelis sind zwei Psychologen, die sich 2017 und seit mehr als einem Jahr immer in Andreas Nähe befanden.

Und dadurch geriet bei Ducati für 2017 und 2018 das Gehaltsgefüge gehörig durcheinander. Ducati ließ sich die fahrerischen Darbietungen von Lorenzo für zwei Jahre nicht weniger als 25 Millionen Euro kosten.

Und Dovizioso nahm für 2017 und 2018 sogar eine Gagenkürzung hin, um bei Ducati seinen Kontrahenten Iannone auszuschalten, der dann für 3 Millionen pro Saison zu Suzuki Ecstar ging.

Dovizioso dürfte 2017 bei Ducati 1 Million kassiert haben, 2018 wird seine Jahresgage auf 1,5 Millionen geschätzt.

Dabei hat Dovi im Vorjahr sechs Rennen gewonnen, er ist Vizeweltmeister geworden, er hat 261 Punkte gesammelt, Lorenzo 137.

Dovi fuhr im Vorjahr sieben Podestplätze heraus, Lorenzo drei (Platz 2 in Malaysia und zwei dritte Plätze in Jerez und Aragón).

Lorenzo hat in bisher 18 Ducati-Rennen 114 Punkte erobert, acht im Schritt, das entspricht einem achten Platz.

Dovizioso hat im gleichen Zeitraum 307 Punkte erbeutet, also 17 im Schnitt, das entspricht mehr als einem durchschnittlichen 3. Platz.

Lorenzo ist ohne Zweifel ein Fahrkünstler, er hat die 250er-WM zweimal gewonnen, die MotoGP dreimal – 2010, 2012 und 2015. Er ist der einzige MotoGP-Pilot, der jemals einen Titel von Marc Márquez in der Königsklasse verhindert hat.

Aber dieser Titel von 2015 hat einen üblen Beigeschmack, weil Márquez damals in Sepang den Italiener Rossi in die Niederlage eskortierte und dann auf dem Siegerpodest noch die Daumen nach unten reckte. Diese Geste galt seinem Teamkollegen Rossi, dessen Strafe (letzter Startplatz in Valencia, damit Titel verspielt) er öffentlich als zu gering anprangerte.

Lorenzo forderte damals die Disqualifikation von Rossi. Das nahmen ihm viel Fans übel. Und als Márquez jetzt in Las Termas Rossi abräumte, verhielt sich Lorenzo mucksmäuschenstill.

Jorge Lorenzo hat aus vielfältigen Gründen in der Beliebtheitsskala nie die Werte von Rossi und Márquez erreicht. Er hat oft die falschen Berater und trat auch regelmäßig in Fettnäpfchen. Er rühmte sich oft, eine makellose Runde gedreht zu haben und vollendeten Motorsport präsentiert zu haben, er verglich sich nach dem fünften Titelgewinn mit F1-Ikone Ayrton Senna – und fand mit Marc Márquez einen neuen Bezwinger, als er Rossi endlich als Titelanwärter ausgeschaltet hatte.

Weil ihm der Schatten von Rossi bei Yamaha zu übermächtig war, ließ er sich auf das Ducati-Abenteuer ein, das zu einem Desaster zu werden droht, wenn auch zu keinem finanziellen. Deshalb sollte sich unser Mitleid in Grenzen halten.

Trotzdem droht einem der vier oder fünf weltbesten Motorradrennfahrer für 2019 ein Abstieg.

Ducati Corse kann Miller oder Petrucci ins Werksteam holen – und mit ihnen dieselben Resultate erreichen wie mit Lorenzo. Dovizioso bleibt als Nummer 1 für die Zukunft gesetzt. Seine Gage wird auf 5 oder 6 Millionen erhöht werden.

Ducati kann sich einen Weggang von Dovi nicht leisten. Er fährt das sechste Jahr dort und erntet jetzt die Früchte seiner Arbeit.

Und Lorenzo? Er kam mit einem Punkt von Las Termas nach Texas, damit war er punktegleich mit Karel Abraham, der eine zwei Jahre alte private Ducati fährt.

Schade, Lorenzo gilt als Fahrgenie, das ist unbestritten. Aber er braucht eine Yamaha, um sein Können optimal auszuspielen. Bei Ducati wird er voraussichtlich das nächste Desmosedici-Opfer nach Bayliss, Gibernau, Melandri, Rossi und Crutchlow.

Die Ausweichmöglichkeiten für Lorenzo sind gering. Suzuki Ecstar könnte ihm den Platz von Iannone oder Rins anbieten, ein Risiko für die Japaner.

Ein Wechsel zu Repsol-Honda ist laut eines Insiders «unvorstellbar». HRC will Márquez keinen ebenbürtigen Nebenbuhler ins Nest setzen.

Bei Aprilia ist das Motorrad nicht konkurrenzfähig, Movistar-Yamaha und Red Bull KTM sind mit Rossi/Viñales und Pol Espargaró/Zarco für 2019 und 2020 besetzt.

Lorenzo, 2017 in Jerez Dritter, braucht bis Juni dringend Erfolgserlebnisse, um seinen Platz bei Ducati im Werksteam für die Zukunft zu rechtfertigen.

In Jerez, Le Mans oder spätestens Mugello muss er gewinnen. Sonst könnte die MotoGP-Zukunft für den bemühten und ehrgeizigen Mallorquiner düster aussehen.

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