Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Pit Beirer: «Ich engagiere keinen Yamaha-Fahrer mehr»

Von Günther Wiesinger
Johann Zarco auf der Red Bull-KTM

Johann Zarco auf der Red Bull-KTM

«Wow, das ist der Fahrer, den wir brauchen», dachte sich KTM-Rennchef Pit Beirer, als Johann Zarco bei Yamaha Rossi und Viñales besiegte. Aber auf der KTM versagte der Franzose gründlich.

Das Red Bull KTM Factory Team hat Johann Zarco vor einer Woche für den Rest der Saison beurlaubt. Doch am Samstag stürzte Pol Espargaró auf dem MotorLand Aragón, er erlitt eine Radiusfraktur am linken Handgelenk, wurde am Sonntag operiert, seine Teilnahme am GP von Thailand am 6. Oktober ist fraglich. Auch der private KTM-Test heute und morgen in Aragón findet ohne den WM-Elften statt. Und falls für Buriram ein Ersatzfahrer gebraucht wird, steckt KTM in der Klemme. Denn der reguläre Ersatzfahrer Mika Kallio sitzt bereits auf der Zarco-Maschine. Und Testfahrer Dani Pedrosa weigerte sich, Rennen zu bestreiten. «Dabei werden seine Rundenzeiten immer konkurrenzfähiger», verriet KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer.

Man könnte also KTM jetzt vorwerfen, man habe die Reißleine bei Zarco zu früh gezogen. Aber die missmutigen Kommentare des Franzosen nach Platz 11 in Misano brachten das Fass zum Überlaufen. Die Boxencrew des zweifachen Moto2-Weltmeisters atmete erleichtert auf, als plötzlich der gut gelaunte Finne Mika Kallio Einzug hielt.

Pit Beirer wunderte sich über die Lästereien von Zarco vom Sonntagnachmittag in Misano. «Denn Johann hat am Samstag in Misano eine außergewöhnliche Leistung gebracht. Seine Rundenzeit im Q1 war stark, und dann hat er im. Q2 den achten Startplatz erzielt, mit gebrauchten Reifen, weil er keine frischen Reifen mehr hatte», sagt Pit Beirer anerkennend. «Im Misano Quali hat man die erstaunlichen Fähigkeiten von Johann gesehen. Unglaublich, wozu er auf einem Motorrad fähig ist. Doch nach seinen Aussagen vom Sonntag habe ich die Hoffnung verloren, dass wir die Geschichte mit ihm zu einem Turnaround bringen können. Für mich waren der achte Startplatz und der elften Rang im Rennen ein positives Signal. Ich dachte, auf dieser Plattform können wir aufbauen. Aber am Montag danach habe ich die Hoffnung aufgegeben, als ich das Weekend Revue passieren ließ und dazu die Kommentare von Johann gelesen habe.»

Beirer macht kein Geheimnis daraus, dass er Zarco auch beurlaubte, weil er Rücksicht auf dessen gefolterte Crew nehmen musste. «Ich bin für das gesamte MotoGP-Projekt verantwortlich, wenn du dann erlebst, das die Resultate besser werden, aber 50 Prozent des Mannschaft in der Box immer traurig sind, weil sie sich genauso anstrengen, aber sie immer gegen eine Wand laufen, dann kommt ein Zeitpunkt, wo man sagen muss: ‚Blicken wir dauernd in die Vergangenheit – oder freuen wir uns auf die bessere Zukunft?‘ Die Kündigung war auch ein nötiges Signal für die Crew, für ihre Motivation und Arbeitsmoral. Wir haben Mika nicht an Bord geholt, weil wir uns von ihm viel bessere Ergebnisse erhoffen. Aber wir haben jetzt eine positivere Stimmung auf der anderen Seite der Box. Wir denken an morgen und wollen gemeinsam besser werden.»

Es hat sich schon oft gezeigt, dass viele ehemalige Yamaha-MotoGP-Fahrer bei Ducati, Honda oder KTM Mühe haben und sich die Rookies auf der M1 am leichtesten tun – siehe Zarco, Folger, Quartararo.

Doch weder Honda hat die extremen Probleme mit Lorenzo vorhergesehen noch KTM jene mit Zarco. Beirer: «Das ganze Fahrerlager hat jetzt erfahren, dass es zwei unterschiedliche Charaktere von Maschinen gibt. Es existieren Motorräder, die einfacher zu handhaben sind und solche, die einen anderen, kräfteraubenderen Fahrstil verlangen. Es gibt zwei Motorenkonzepte, doch beide gewinnen Rennen. Als wir Johann engagiert haben, haben wir nicht damit gerechnet, das so ein großer Unterschied zwischen zwei unterschiedlichen Fabrikaten existieren kann und dass deswegen sehr unterschiedliche Fahrstile nötig sind. Unser Motorrad war im vergangenen November noch schwieriger zu fahren als heute. Das ist unbestritten. Aber bei Pol Espargaró haben wir seit April und Mai gesehen, dass wir uns steigern. Wir haben gesehen, was Johann 2017 und 2018 mit einem Kunden-Motorrad geleistet hat, das technisch ein Jahr alt war. Trotzdem hat er das Werksteam besiegt. Das haben wir an Johann bewundert. Wir haben damals gesehen, welch ein Fighter er ist und dass er sich nicht darum kümmert, welches Material er bekommt. Er hat sich bei seinem alten Team nie beschwert und nie auf das Material des Werksteams geschielt. Er setzte sich aufs Motorrad und fuhr schneller als Rossi und Viñales. Das hat uns beeindruckt. Wir sagten uns: ‚Wow, das ist der Kerl, den wir brauchen.‘ Wir hielten ihn für den Fahrer, der unser Projekt noch ein Stück weiter nach vorne bringen würde. Das hat nicht geklappt.»

Inzwischen haben die KTM-Verantwortlichen eine Lektion gelernt. «Mit dem heutigen Wissen würde ich keinen Yamaha-Fahrer mehr verpflichten», räumt Pit Beirer ein.

WM-Stand MotoGP nach 14 von 19 Rennen:

1.Marc Márquez 330. 2. Dovizioso 202. 3. Rins 156. 4. Petrucci 155. 5. Viñales 147. 6. Rossi 137. 7. Quartararo 123. 8. Miller 117. 9. Crutchlow 98. 10. Morbidelli 80. 11. Pol Espargaró 77. 12. Nakagami 68 . 13. Mir 49. 14. Aleix Espargaró 46. 15. Iannone 32. 16. Bagnaia 29. 17. Oliveira 29. 18. Zarco 27. 19. Lorenzo 23. 20. Rabat 18. 21. Bradl 16.

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