MotoGP: Warum der Saisonstart in weite Ferne rückt

Von Günther Wiesinger
Lorenzo Baldassari beim Moto2-Rennen in Doha: Wann gibt es wieder Punkte? Niemand weiß es.

Lorenzo Baldassari beim Moto2-Rennen in Doha: Wann gibt es wieder Punkte? Niemand weiß es.

Die Klassen Moto3 und Moto2 haben 2020 schon einen WM-Lauf absolviert. In der MotoGP ist nach den jüngsten Ereignissen kein Termin für den Auftakt in Sicht.

Über das Wochenende haben zahlreiche Länder in Europa ihre Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Panademie drastisch verschärft. Shutdown, Lockdown, Ausgehverbote, Ausgehbeschränkungen, Grenzsperren, Grenzkontrollen auch im Schengenraum, Sperrgebiete wie in Tirol, Schließungen von Spielplätzen und Parks – die Welt hat sich für uns alle dramatisch verändert.

In der Schweiz kam es im Unispital Zürich zu einer Unterschriftensammlung des medizinischen Personals, dem die Maßnahmen des Bundesrats nicht weit genug gingen – es wurde ein sofortiger «lockdown» gefordert. Denn in allen Ländern fürchten die Experten einen Zusammenbruch der Gesundheitssysteme, wenn jetzt die sozialen Kontakt nicht auf das absolute Minimum reduziert werden.

Viele weitsichtige Regierungen verordnen jetzt eine Blaupause jener Vorkehrungen, die im Januar und Februar in Singapur getroffen wurden. Das 6-Millionen-Land zählte in der Anfangsphase zu den von SARS-CoV2 am schwersten betroffenen Gebieten, das Land lag vor vier Wochen noch an zweiter Stelle nach China. Singapur hält aber die Anzahl der bestätigten Fälle jetzt stabil bei 226 – und hat bisher noch keinen Toten beklagt.

Singapur hat vorbildlich rasch reagiert, denn man hat aus der dramatischen SARS-Epidemie 2003 eine harte Lektion gelernt.

«Flattening the curve», ist das Geheimnis der Stunde, die Kurve mit der Anzahl der Infizierten muss so schnell wie möglich eingedämmt und flach gehalten werden, um die Gesundheitsbehörden nicht mit einer zu hohen Anzahl Patienten zu überfordern.

Sehr früh wurden in Singapur auf dem Flughafen und anderen Ankunftsorten Temperatur-Monitore platziert. Alle Flüge in und aus der Krisenregion Hubei mit der Stadt Wuhan in China wurden frühzeitig gestoppt. Immer mehr Reisende aus immer mehr Ländern wurden und werden bei ihrer Ankunft sofort für 14 Tage unter strikte Quarantäne gestellt.

Seit der SARS-Krise hat Singapur etliche Experten aus aller Welt ins Land geholt, darunter den australischen Professor Dale Fisher, der an der National University in Singapur doziert und den Vorsitz im «Global Outbreak Alert and Response Network» bei der World Health Organisation (WHO) führt.

Auf Anordnung von Professor Fisher werden immer noch alle positiven Fälle in Krankenhäusern isoliert. In Windeseile wurde ein Schnelltest entwickelt und landesweit für alle Verdachtsfälle verfügbar gemacht. Für jeden neuen Fall wurden Teams installiert, die allen möglichen Kontaktpersonen nachforschten. Alle in Quarantäne befindlichen Fälle werden streng überwacht, sie dürfen mit niemandem in Kontakt kommen, zweimal täglich bekommen sie Nachrichten aufs Mobiltelefon, dann müssen sie auf einen «locator link» drücken, mit dem ihr Aufenthaltsort eruiert wird. Es kann sich also kein Verdachtsfall mal rasch für einen Barbesuch aus dem Staub machen.

Wer gegen diese Maßnahmen verstösst, bekommt empfindliche Geldstrafen, sogar Haftstrafen werden angedroht.

Wenn ich von diesen Maßnahmen lese und dann höre, dass der britische Premierminister Boris Johnson den Dingen im Grunde freien Lauf lässt, kommt mir das Gruseln.

Dann verstehe ich, warum in Großbritannien erst in 12 bis 16 Wochen mit dem Höhepunkt der Coronavirus-Verbreitung gerechnet wird, in Ländern wie Österreich, Schweiz, Belgien und den Niederlanden aber im günstigsten Fall schon in vier bis sechs Wochen.

In Österreich wurden zwar in Tirol beim Krisenmanagement offenbar auch schwere Fehler gemacht und zu lange gezögert. Aber jetzt kam es in Österreich sogar zu einer Mobilmachung des Bundesheeres: Alle Soldaten, die Ende März abrüsten wollten, müssen bis Ende Juni weiterdienen. Für die Zivildiener gelten ähnliche Vorschriften, die Zivildiener der letzten fünf Jahre werden zur freiwilligen Rückkehr aufgerufen.

Inzwischen haben uns die Psychologen auch erklärt, warum die meisten Verordnungen scheibchenweise diktiert und dann von Tag zu Tag verschärft werden. Bei der Atomkatastrophe in Fukushima/Japan hat man im Zuge der Evakuierungen gelernt, dass so eine Salamitaktik eine Panik in der Bevölkerung und Hamsterkäufe am sinnvollsten verhindert.

In Österreich wurde der Flughafen Wien auf 20 Prozent seiner Kapazität heruntergefahren. Sobald alle Österreicher heimgeholt worden sind, wird er voraussichtlich zugesperrt. Auch die Zugverbindungen ins Ausland werden gestoppt.

Vor einer Woche hieß es noch überall: Der Virus kennt keine Grenzen.

Wer über all diese Nachrichten nachgrübelt, dem wird rasch klar: Es werdem auch im Mai in ganz Europa keine namhaften internationalen und nationalen Motorsport-Veranstaltungen stattfinden.

Denn die Reisebeschränkungen werden nicht in sechs Wochen fallen. Und sie gelten längst nicht mehr nur für Italiener. Die Versammlungsverbote werden auch nicht kurzfristig wieder aufgehoben, darauf müssen wir uns gefasst machen.

Denn Italien beklagte allein gestern 368 Tote, total bisher 1807. Die Anzahl der bestätigten Fälle ist auf 24.747 gestiegen. Am 21. Februar waren es 200.

Auch aus Spanien werden dramatische Zuwächse gemeldet. Momentan sind dort bereits 7885 Menschen infifiziert. Vor einer Woche waren es keine 500.

Die Krisenstäbe bei Dorna, Liberty Media, Infront Moto Racing und anderen Serien-Promotern können momentan nichts Konkretes planen. Sie können nur immer neue Szenarien entwickeln und Anpassungen am Kalender vornehmen, die zwei Tage später vielleicht schon wieder irrelevant geworden sind.

Das haben wir in der Formel 1 anschaulich erlebt. Am Donnerstag letzter Woche nahmen die Dinge in Melbourne noch weitgehend ihren gewohnten Lauf. Innerhalb von 24 Stunden wurden dann auch die F1-Events in Bahrain und Vietnam abgesagt, und mit Zandvoort, Catalunya und Monte Carlo am 3., 10. und 24. Mai rechnet auch keiner mehr, der einigermassen bei Trost ist.

Der aktuelle Motorrad-GP-Kalender 2020

08. März: Doha/Q (ohne MotoGP
03. Mai Jerez/E
17. Mai: Le Mans/F
31. Mai: Mugello/I
07. Juni: Barcelona/E
21. Juni: Sachsenring/D
28. Juni Assen/NL
12. Juli: KymiRing/SF
09. August: Brünn/CZ
16. August: Red Bull Ring/A
30.
August: Silverstone/GB
13. September: Misano/I
27. September: Aragón/E
04. Oktober: Buriram/TH
18. Oktober: Motegi/J
25. Oktober: Phillip Island/AUS
01. November: Sepang/MAL
15. November: Texas/USA
22. November: Las Termas
29. November: Valencia/E

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