KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Sensation: Kehrt Jorge Lorenzo zu Ducati zurück?

Von Günther Wiesinger
Mugello-GP 2018: Sieger Lorenzo mit Gigi Dall'Igna

Mugello-GP 2018: Sieger Lorenzo mit Gigi Dall'Igna

Obwohl die meisten lukrativen MotoGP-Plätze schon belegt sind, bahnt sich jetzt noch eine saftige Transfer-Überraschung an. Jorge Lorenzo führt Gespräche mit Ducati.

Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis gab gestern im exklusiven SPEEDWEEK.com-Interview konkrete Hinweise darauf, dass die Zusammenarbeit mit Testfahrer Jorge Lorenzo nach einem Jahr schon wieder zu Ende gehen könnte. Denn erstens hat die Coronakrise alle Testpläne über den Haufen geworfen, der Spanier saß bisher noch nie auf der 2020-Yamaha YZR M1. Zweitens sind Wildcard-Einsätze 2020 verboten worden. Und drittens könnte das Yamaha Motor Racing European Test Team wegen der Covid-19-Seuche für 2021 zu Sparmaßnahmen gezwungen sein. Das könnte auch das ca., 1,5 Millionen Euro teure Testteam-Projekt gefährden.

Inzwischen steht fest: Der umtriebige Jorge-Lorenzo-Manager Albert Valera, der kürzlich bereits Jorge Martin (Moto3-Weltmeister 2018 auf Honda) zu Pramac-Ducati transferiert hat, verhandelt mit Ducati Corse über einen neuen Stammfahrervertrag für Lorenzo, den fünffachen Weltmeister und 68-maligen GP-Sieger, der schon 2017 und 2018 im Ducati-Werksteam fuhr und dafür 25 Millionen Euro kassierte.

Jetzt stellt sich die Frage: War die Rücktrittsankündigung von Lorenzo am Donnerstag vor dem Valencia-GP nur eine Oscar-verdächtige schauspielerische Inszenierung mit dem langfristigem Ziel, 2021 mit einer Werks-Desmosedici noch einmal auf Titeljagd zu gehen?

Die Trotzrektion beim siegreich beendeten Mugello-GP 2018 haben jedenfalls alle Beteiligten längst bereut. Ducati-CEO Claudio Domenciali hatte zehn Tage vorher heftige Kritik an Lorenzo geübt, Danilo Petrucci für 2019 als fixen Nachfolger ins Spiel gebracht und den stolzen Lorenzo arg vergrämt.

Nach dem Mugello-Triumph wollte Ducati sofort neue Verhandlungen aufnehmen, aber Lorenzo-Manager Albert Valera sagte noch beim Parc Fermé ganz deutlich zu Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti: «Es ist zu spät.»

Man hatte sich bereits mit Repsol-Honda auf einen neuen Zwei-Jahres-Vertrag geeinigt.

Lorenzo triumphierte danach auf der Ducati auch noch beim, Catalunya-GP und in Spielberg. Er kam jedoch mit der Honda RC213V nie zurecht, verletzte sich dann in Assen schwer (zwei Brustwirbel gebrochen) und schaffte für HRC das ganze Jahr hindurch kein Top-Ten-Ergebnis.

Schon während der Verletzungspause im Juli und August führten Valera und Lorenzo wieder Gespräche mit Ducati für 2020. Man wollte den Zwei-Jahres-Vertrag bei HRC auflösen, Lorenzo 2020 mit einem Werksvertrag bei Pramac und nachher wieder im Werksteam fahren lassen. Inzwischen hatte auch Ducati-CEO Domenicali eingesehen, dass es ein Fehler war, frühzeitig das Vertrauen zu Lorenzo zu verlieren.

Lorenzo bekam aber im Sommer 2019 von HRC keine Freigabe. Erst nach Jorges nicht sonderlich motivierten Auftritten ab dem Silverstone-Comeback ließ sich Honda auf eine Vertragsauflösung für 2021 ein. Ohne Konkurrenz-Ausschlussklausel. Deshalb konnte Lorenzo wenige Wochen später für Yamaha unterschreiben.

Jack Miller von Pramac führte sicherheitshalber beim Österreich-GP im Juli 2019 bereits Gespräche mit Red Bull KTM, als eine Ducati-Verpflichtung durch Lorenzo noch ein akutes Thema war. 

Ducati hat für die vier MotoGP-Plätze im Winnow-Team und bei Pramac bisher erst Jack Miller fix unter Vertrag. Der WM-Achte ersetzt Petrucci im Werksrennstall der Roten aus Borgo Panigale.

Neben Miller soll Andrea Dovizioso das Werksteam vervollständigen, der dreifache MotoGP-Vizeweltmeister. Aber «Dovi» redet manchmal vom Aufhören, außerdem hat das Verhältnis zwischen ihm und Ducati-Corse-General Manager Gigi Dall’Igna einige Risse bekommen.

MotoGP-Fahrer von Lorenzos Kalibers sind dünn gesät. Und Dall'Igna ist schon seit seiner Derbi-125 und Aprilia-250-Zeit ein glühender Bewunderer des schnellen Mallorquiners.

Lorenzo: Erst 2022 wieder im Werksteam?

Selbst wenn «Dovi» als 14-facher MotoGP-Sieger weiterfährt, will er eventuell nur noch für ein Jahr unterschreiben. Lorenzo könnte dann mit voller Werksunterstützung für ein Jahr zu Pramac transferiert werden und 2022 einen Platz im Werksteam erhalten.

Denn Jack Miller bekam nur einen Ein-Jahres-Vertrag.

Schon in den letzten Wochen durfte man sich wundern, warum Danilo Petrucci bei Ducati nur ein Superbike-Angebot erhielt und sich dann Richtung KTM aus dem Staub machen durfte, bevor der Deal mit Dovizioso besiegelt war.

Jetzt ist die Lage übersichtlicher: Ducati verfügt mit Lorenzo offenbar über eine lukrative Personalreserve.

Wenn Dovizioso bei Ducati Corse zusagt und auch Lorenzo unterschreibt, würden allerdings bei Pramac für Bagnaia und Zarco die Türen zufallen. Denn Jorge Martin gilt dort als Fixstarter. Er darf aber vor dem 15. September nicht darüber sprechen.

Bei Ducati werden die Verhandlungen mit Loenzo bisher dementiert. «Ich weiß nichts davon», beteuerte Sportdirektor Paolo Ciabatti gegenüber SPEEDWEEK.com.

Für Lin Jarvis, Managing Director von Yamaha Motor Racing, käme ein Transfer von Lorenzo zu Ducati nicht überraschend. «Jorge wollte 2020 bei Yamaha herausfinden, ob bei ihm noch genug Interesse für eine Rückkehr zum Rennfahren besteht. Ich glaube, er hatte ein sehr starkes Interesse daran zu ergründen, ob er noch schnell genug, komfortabel und konkurrenzfähig sein würde und ob er mit der Yamaha sein altes Selbstvertrauen wieder zurückgewinnen könnte. Aber bei uns sind alle vier MotoGP-Plätze voll, wenn sich Valentino zum Weiterfahren entschließt und für das Sepang-Circuit-Yamaha-Team unterschreibt. Da ich hoffe, dass Franco Morbidelli auch bei uns bleibt und beim SIC-Team weitermacht, dann würde Yamaha wohl keinen Platz für Jorge haben. Jorge müsste also mit einem Mitbewerber sprechen, wenn er wieder eine komplette Saison fahren will. Es gibt Hersteller wie Ducati, die ihr Fahreraufgebot noch nicht komplettiert haben. Sie haben bisher nur einen Fahrer verpflichtet.»

So sehen die MotoGP-Teams 2020 aus

Repsol-Honda
Marc Márquez, Alex Márquez

Ducati Team
Andrea Dovizioso, Danilo Petrucci

Monster Energy Yamaha
Maverick Viñales, Valentino Rossi

Suzuki Ecstar
Alex Rins, Joan Mir

Red Bull KTM Factory Racing
Pol Espargaró, Brad Binder

Aprilia Racing Team Gresini
Aleix Espargaró, Bradley Smith

Pramac Racing
Jack Miller, Francesco Bagnaia

Reale Avintia Racing
Tito Rabat, Johann Zarco

Petronas Yamaha SRT
Fabio Quartararo, Franco Morbidelli

LCR Honda
Cal Crutchlow, Takaaki Nakagami

Red Bull KTM Tech3
Miguel Oliveira, Iker Lecuona

So sehen die MotoGP-Teams 2021 aus

Repsol-Honda
Marc Márquez, Pol Espargaró

Ducati Team
Andrea Dovizioso? Jorge Lorenzo? Jack Miller

Monster Energy Yamaha
Maverick Viñales, Fabio Quartararo

Suzuki Ecstar
Alex Rins, Joan Mir

Red Bull KTM Factory Racing
Brad Binder, Danilo Petrucci?

Aprilia Racing Team Gresini
Aleix Espargaró, Bradley Smith? Andrea Iannone?

Pramac Racing
Jorge Martin, Jorge Lorenzo? Pecco Bagnaia? Johann Zarco?

Reale Avintia Racing
Tito Rabat, Johann Zarco?

Petronas Yamaha SRT
Valentino Rossi, Franco Morbidelli

LCR Honda
Alex Márquez? Cal Crutchlow? Takaaki Nakagami?

Red Bull KTM Tech3
Miguel Oliveira, Iker Lecuona

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