Abservierter Chantra: Honda hat schlechtes Gewissen

Somkiat Chantra
Seit Mitte August steht fest, dass Somkiat Chantra seinen Platz im MotoGP-Team LCR Honda nach nur einer Saison an den Brasilianer Diogo Moreira abtreten muss, derzeit Dritter der Moto2-WM.
Chantra, der in 106 Moto2-Rennen zwei Siege und sechs Podestplätze erobert hat, kann sich nicht wie erhofft an die MotoGP-Maschine anpassen. Hinzu kommt, dass er seit seinem Rennunfall in Assen Ende Juni verletzt war und erst an diesem Wochenende in Barcelona wieder dabei ist. Die ernüchternde Bilanz in seiner Rookie-Saison: Mit einem Punkt liegt er auf dem letzten WM-Rang.
Jetzt zeichnet sich ab, dass die Honda Racing Corporation, zuständig für alle Werkseinsätze des größten Motorradherstellers, den Thailänder von der MotoGP- in die Superbike-WM transferieren wird.
Dort werden nach vier Jahren mit Iker Lecuona und Xavier Vierge beide Fahrer ausgetauscht. Während sich Lecuona mit dem Ducati-Werksteam einigen konnte und den Platz von Alvaro Bautista einnehmen wird, steht Vierge für 2026 ohne Job da und reagierte fassungslos auf die Honda-Entscheidung.
Als erster Fahrer für 2026 wurde von Honda der Engländer Jake Dixon (29) verpflichtet, aktuell Fünfter der Moto2-WM.
Für die zweite Fireblade war der Spanier Sergio Garcia vorgesehen, ebenfalls ein Moto2-Fahrer ohne jegliche Erfahrung mit großen Motorrädern und ausgefeilter Elektronik. Der 22-Jährige testete für Honda im MotorLand Aragon und vertritt dieses Wochenende in Magny-Cours den verletzten Lecuona. Er wird voraussichtlich auch beim nächsten Event in Aragon für seinen Landsmann einspringen.
Garcia stand als zukünftiger Teamkollege von Dixon bei Honda oben auf der Wunschliste, doch für Sergio war die Superbike-WM von Anfang an nur ein Plan B: Er gab Honda einen Korb und unterschrieb am 25. August beim Gresini-Team für eine weitere Moto2-Saison.
Für Insider steht fest: Die Überführung von Chantra in die Superbike-WM ist mehr dem schlechten Gewissen der japanischen Manager geschuldet als auf die Überzeugung zurückzuführen, dass der 26-Jährige Honda an die Spitze führen könnte. Denn Experten sind der Meinung, dass es eines erfahrenen Superbike-Fahrers bedarf, um das wahre Potenzial der CBR1000RR-R herauszufinden, mit der seit der Markteinführung 2020 nur mickrige sechs dritte Plätze in der Weltmeisterschaft errungen wurden.
Doch Honda ließ die Weltmeister Jonathan Rea und Alvaro Bautista für nächstes Jahr ebenso abblitzen wie andere routinierte Könner wie Michael van der Mark, Andrea Iannone oder den zweifachen Supersport-Champion Dominique Aegerter.
Honda-Fans haben sich in den vergangenen Jahren als sehr leidensfähig erwiesen: Den letzten Superbike-Sieg schaffte Nicky Hayden im Regenchaos von Sepang 2016, der letzte Triumph im Trockenen gelang Jonathan Rea 2014 in Portimao. Um einen WM-Titel zu finden, muss man in der Statistik bis ins Jahr 2007 zurückblättern, als James Toseland mit dem Ten-Kate-Team gewann.