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Die seltsame Welt der US-Medien

Kolumne von Matthias Dubach
Spanischer Doppelsieg? Lass uns nochmals nachzählen...

Spanischer Doppelsieg? Lass uns nochmals nachzählen...

In Austin war am Wochenende ein UFO namens MotoGP gelandet. Die lokalen Journalisten versuchten, der Lage Herr zu werden. Aber bei so vielen Spaniern war das nicht einfach...

Eine Woche nach dem Attentat auf den Marathon in Boston stehen in Austin und anderswo die Flaggen nicht mehr auf Halbmast. Das Leben muss und kann dank der Ergreifung der Täter weitergehen. Das Leben geht am Tag nach dem ersten Grand Prix in Texas auch für die Vertreter der einheimischen Medien weiter, die zur Berichterstattung das MotoGP-Rennen auf dem Circuit of the Americas waren. Die MotoGP wird rasch aus dem Arbeitsalltag der US-Sportjournalisten verschwinden, am Wochenende haben die Playoffs in der Basketballliga NBA begonnen.

Hinzu kommen die üblichen Verdächtigen American Football, Baseball, NHL-Eishockey und, wenn es Motoren sein müssen, NASCAR.

Ich hatte im Pressezentrum des COTA das Vergnügen, neben einigen einheimischen Journalisten zu sitzen. Offensichtlich waren sie von ihren Arbeitgebern dazu verdonnert worden, vom Gastspiel der seltsamen Motorradserie aus Europa zu berichten. An den beiden Trainingstagen wurde hauptsächlich das private Facebook-Profil bearbeitet.

Dann erklärte mir am Samstag der bärtige, ältere Herr der gemütlicheren Sorte, dass er seinen Lesern ein Márquez-Interview präsentieren will. Nach der Medienrunde beim Spanier kam er mit leeren Händen zurück. «Es hatte ziemlich viele Leute dort...» Ich verzichtete darauf, ihm zu erklären, dass in der MotoGP nicht jeden Tag ein 20-jähriger Wicht auf die Pole-Position fährt und einen 31-jährigen Rekord auslöscht.

Gross zu stören schien ihn das geplatzte Vorhaben nicht. Seine Leser würden sich kaum über ein ausbleibendes Márquez-Interview beschweren. Marc who? Was solls, Facebook wartete, und solange im 0,75-Liter-Pappbecher die Eiswürfel schepperten, war die Welt ohnehin in Ordnung. Ach ja, und richtig Englisch könne dieser Spanier ohnehin nicht. So eine Frechheit aber auch!

Am Sonntag gewann Márquez tatsächlich auch das Rennen. Im topmodernen Presseraum wurde das TV-Bild wie in einem Kino riesig an die Wand projektiert. Die zahlreichen spanischen Kollegen quittierten die Zieldurchfahrt mit einigen kernigen Jubelschreien, Márquez, Pedrosa und Lorenzo hatten ausserdem an diesem Renntag bei neun möglichen Podestplätzen die Nummern 6 bis 8 für Spanien sichergestellt.

Einer meiner US-Kollegen, am Sonntag in einem kleidsamen Jogginganzug erschienen, äffte die Freudenausrufe der Spanier ein paar Mal unüberhörbar nach und meinte dann: «Doppelsieg!» Ich belehrte ihn, dass er auch Lorenzo zu den Spaniern zählen sollte. Da dies unfassbar erschien, wurde eine Ergebnisliste konsultiert, um sich zu vergewissern. Danach überboten sich die Kollegen mit Vorschlägen für Schlagzeilen: Perlen wie «Reign of Spain» oder «Spain 1, World 0», schienen in der engeren Auswahl zu sein.

Kollege Jogginganzug wollte es aber an der Pressekonferenz nach dem Rennen genau wissen, griff sich das Mikrofon, schaute Marc Márquez an und setzte an: «Dani, erklär mal...» Über den Köpfen von Pedrosa und Márquez erschienen Fragezeichen. An wen geht die Frage? «Oh, ich habe was durcheinander gebracht. Die Frage geht an den 100-Podest-Kerl!» Also eine Frage an Jorge Lorenzo. Der Weltmeister sollte erklären, warum Spanien derart dominant ist. Lorenzo schloss die Ausführungen über gute Sponsoren und exzellente Nachwuchsarbeit mit der Voraussage, dass Spanien noch mindestens für fünf weitere Jahre gute Fahrer habe. Die Jogginghose war zufrieden.

Das Mikrofon wurde weitergereicht: «Mister Lorenzo, wie beeindruckt sind sie von der Leistung von Mister Márquez?» Für einen Augenblick waren die drei Podeststürmer ganz normale junge Kerle im Alter von 20, 25 und 27 Jahren, die wegen so viel Förmlichkeit im Duz-Metier Motorsport beinahe losgeprustet hätten. «Ich glaube nicht, dass Marc mit 20 noch zu jung ist, ein Mister zu sein... Wobei, bei seiner heutigen Leistung können wir ihn durchaus Mister nennen», grinste Lorenzo.

Der Fragesteller tat die Bemerkung über die Anrede als Übersetzungsproblem ab und fuhr fort: «Mister Lorenzo, werden sie angesichts der Leistung von Mister Márquez nun ihren Plan für die folgenden 16 Rennen ändern?» Lorenzo: «Es stimmt schon, mit meinen 26 Jahren bin ich ein bisschen mehr Mister...» Aber Profi genug, beantwortete er dem höflichen Fragesteller aus Texas die Frage: «Ich bin 3 sec hinter dem Sieger ins Ziel gekommen. Nein, ich werde meinen Plan nicht ändern.» Die gleiche Frage ging auch noch an Mister Pedrosa – ich verzichte darauf, die Antwort widerzugeben.

Bye bye Texas!

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