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Stefan Bradl-Bilanz: «Die Ziele waren unrealistisch»

Von Günther Wiesinger
Nach Platz 8 in Valencia wurde Stefan Bradl von Teamchef Cecchinello mit einer Torte empfangen

Nach Platz 8 in Valencia wurde Stefan Bradl von Teamchef Cecchinello mit einer Torte empfangen

Stefan Bradl zieht nach drei LCR-Honda-Jahren Bilanz und sucht für die misslungene Saison 2014 keine Ausreden. «Ich dachte, ich werde mit diesem Druck fertig», sagt er.

Stefan Bradl hat in der MotoGP-Saison 2014 die Erwartungen nicht erfüllt. Er wollte näher an die Leistungen von Dani Pedrosa und Valentino Rossi heranrücken und in der Weltmeisterschaft einen Rang unter den ersten fünf anpeilen. Auch einige Podestplätze wurden ins Auge gefasst.

Aber es kam am Schluss nur der neunte WM-Rang mit drei vierten Plätzen (Austin, Aragón und Sepang) und zwei fünften Rängen (Las Termas und Catalunya) heraus.

Als Bradl merkte, dass HRC das Interesse an ihm verloren hat und auch die finanzielle Unterstützung für 2015 Richtung Jack Miller lenkte, schlitterte er in ein Tief, sein Selbstvertrauen erlitt einen Knacks, die Fehler mehrten sich, auch die Startplätze wurden nach dem Sachsenring-GP schlechter.

Stefan Bradl stand das ganze Jahr unter Druck. Im Interview mit SPEEDWEEK.com räumt er jetzt erstmals ein, dass ihm das HRC-Management bereits vor einem Jahr nach dem Valencia-GP ganz deutlich die Rute ins Fenster gestellt hatte. Er wusste danach schon vor dem Saisonauftakt 2014: Wenn er Pedrosa nicht besiegt oder zumindest regelmässig Podestplätze erzielt, wird der HRC-Vertrag nicht verlängert.

Stefan, wie sieht deine Saisonbilanz 2014 nach 18 Rennen aus? Du hast kürzlich erzählt, dass du vom ersten Rennen an viel Druck gespürt hast?

Sicher hat mich diese Situation schon im letzten Winter beschäftigt. Ich habe gewusst, Dani Pedrosa ist seit 2006 in der MotoGP-WM dabei. Er ist keine leichte Nuss, die ich da knacken soll.
Mir war bewusst: Es ist ein bisschen viel, was da von mir verlangt wird. Aber ich habe mich bemüht, es nicht so eng zu sehen. Ich habe gedacht, dass ich noch ein bisschen mehr Zeit bekomme und mich allmählich an die Top-4 mit Márquez, Lorenzo, Rossi und Pedrosa rantasten kann.
Aber die Saison ist dann mit dem Sturz in Katar losgegangen, auch wenn ich damals in Führung lag. Es ist also gleich vom Anfang an schwierig gewesen. Ich habe dann bald erkannt, dass unsere Ziele vielleicht ein bisschen unrealistisch gesteckt sind. Pedrosa in den Rennen zu schlagen, das hat nicht geklappt.

Rossi war 2012 und 2013 auch manchmal in Reichweite. Ihn wolltest du auch manchmal schlagen?

Ja, die Top-4 haben sich aber gegenüber 2013 noch einmal ein bisschen verbessert. Ich bin mit Sicherheit nicht stärker geworden, ich habe den erwarteten Schritt nach vorne nicht gemacht.
So wie die Saison losgegangen ist, mit dem Druck von Anfang an... Klar, normalerweise muss ich mit diesem Druck klarkommen.
Aber es sind halt verschiedene Sachen dazwischen gekommen. Der erste Sturz in Katar, gleich ein Nuller zum Auftakt...

Du hattest bei HRC schon 2013 ein Ablaufdatum. Honda wollte Cal Crutchlow schon im Sommer 2013, als er bis zum Sachsenring vier Podestplätze herausgefahren hat. Hätte er sich damals nicht für Ducati entschieden, hätte er deinen Platz bei LCR schon für 2014 übernommen?

Ja, er war schon damals bei Honda im Gespräch.

Du hast nach dem Katar-Crash in Texas Platz 4 erreicht, Platz 5 in Las Termas. Aber dann reichte es in Jerez wegen des «arm pump» nur für Platz 10, du musstest dich wieder operieren lassen. Erst in Barcelona gab es mit Platz 5 wieder einen Lichtblick. Nachher hast du das Selbstvertrauen verloren. Stimmt dieser Eindruck?

Nach dem Barcelona-GP kam Assen, dort ist es schon in den Trainings nicht gut gelaufen. Inzwischen hat HRC die Verhandlungen mit Miller vertieft. In Mugello hat mir HRC deutlich zu verstehen gegeben, dass meine Resultate nicht den Erwartungen entsprechen.
Ich dachte, mit diesem Druck werde ich fertig. Aber insgesamt hat mich das alles im Hinterkopf stärker beschäftigt als erwartet.

Du hast auch erwartet, dass HRC nicht gleich beide Kunden-Fahrer entlässt. Und Bautista war schwächer als du?

Ja, mit dem ist es auch rapide abwärts gegangen, vielleicht hat er den Druck noch stärker gespürt als ich. In Assen habe ich dann mit dem Sturz in der Besichtigungsrunde wieder einen Scheiss gebaut. Nachher konnte ich das Rennen nur auf Platz 10 beenden...
Honda hatte bis dahin mit Márquez alle Rennen gewonnen. Sie sind offenbar ins Grübeln gekommen, wie sie Pedrosa über kurz oder lang ersetzen können.
Es ist ihnen klar geworden, dass es im Moment keinen gibt, der besser ist, auch in den beiden Kunden-Teams nicht, in dem Junioren wie ich ausgebildet werden. HRC hat also dann Veränderungen vorgenommen, damit sie in zwei Jahren vielleicht einen Fahrer wie Miller haben, der ins Repsol-Team aufrücken kann.
Das ist verständlich. Ich hatte drei Jahre Zeit, mich zu bewähren. Jetzt bekommen Redding und Miller ihre Chance, sie sind jünger als ich. Und Crutchlow fährt bei LCR an meiner Stelle.

Aber deinen Platz mit HRC-Vertrag hat Miller erhalten. Lucio Cecchinello bemühte sich um einen Sponsor für einen zweiten Fahrer, weil er dich behalten und die Aufbauarbeit wollte. Erst als du dich für Forward-Yamaha entschieden hast, kam Crutchlow ins Gespräch. Er wirbt jetzt für den neuen Sponsor CWM. Miller fährt mit deinen bisherigen Sponsor wie Givi, Linear, elf usw.

Ja, richtig. Miller hat jetzt statt mir den HRC-Deal, Crutchlow hat dafür meine Factory-Honda übernommen.

Du warst in der ersten Saisonhälfte in den Qualifyings oft unter den ersten fünf, in den Rennen ging es meist nach hinten. Das hat dir das LCR-Team vorgeworfen. Und irgendwann ab Indy klappte es in den Qualifyings auch nicht mehr. Lag das oft am Set-up? Oder fehlte irgendwann das Selbstvertrauen?

In den Trainings war ich nicht so angespannt, da geht’s nicht um so viel, ist eh klar. In den Rennen bin ich mit der Zeit mehr und mehr unter Druck geraten. Ich habe gewusst, dass das Punkten nicht ausreichend ist, ein fünfter Platz war meistens bei weitem nicht genug... Das habe ich immer deutlicher gemerkt.
Wir sind zum Beispiel in Austin auf Platz 4 gelandet, ich fuhr knapp am Podium vorbei. Aber das war für das Team ein enttäuschendes Ergebnis.
Ich habe das einerseits verstanden. Ich will mein Versagen nicht aufs Team schieben. Das Team hat alles gegeben. Aber ob wir technisch immer auf dem neuesten Stand waren, ist für mich schwer nachzuvollziehen.
Und ob wir immer die besten Set-up-Lösungen gleich von Anfang an gefunden haben, ist auch schwierig zu beurteilen, weil ich keinen Vergleich habe. Ich will nichts auf Team schieben.
Ich muss den Grossteil der Schuld auf meine Kappen nehmen, dazu stehe ich. Mir bleibt eh nichts anderes übrig. Damit kann ich umgehen.

Mugello war auch ein Tiefpunkt. Drei Stürze in zwei Tagen, so etwas erschüttert auch das Selbstvertrauen?

Sowieso. Wenn du eh schon merkst, dass du hinter den Erwartungen bist und dann noch zusätzlich auf die Schnauze kriegst... Es passierte dann in Mugello der Sturz im Warm-up, an dem ich mit Sicherheit schuld war, aber dass er so gravierend ausging, hätte ich auch noch gedacht. Im Rennen hat mich dann Crutchlow abgeschossen, das hat perfekt zum Wochenende gepasst.
Es ist klar, dass solche Vorkommnisse Spuren hinterlassen. Ausserdem war es in einer Zeit, als ich eh schon ein paar Dämpfer gekriegt habe.

Randy Mamola hat im Sommer einmal gesagt: Stefan braucht einfach wieder einmal eine Portion Glück. Das liess auf sich warten?

Ja, erst in Sepang habe ich wieder etwas Glück gehabt, als ich Vierter geworden bin. Wenn Pedrosa nicht runtergeflogen wäre, wäre ich Fünfter geworden.
Aber ich habe in Indianapolis einen Nuller gehabt, als ich mit Aleix Espargaró kollidiert bin. In Australien habe ich einen Bock geschossen, was ich von mir normalerweise in diesem Stil nicht gewöhnt bin. In Misano war ich am Sturz im Rennen auch selber schuld.

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