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Honda: Heilung von der «Elektronik-Abhängigkeit»

Von Manuel Pecino
«Es ist wie bei einem Maler, dessen Farbpalette sich verändert hat», erklärte ein Techniker Hondas große Schwierigkeiten mit der Einheitselektronik von Magneti Marelli.

Ein frustrierender Tag gefolgt von einem anderen, an dem sie zu den Besten gehören können... Das Jahr 2016 war bisher eine Achterbahnfahrt für HRC. Die Vorsaison war ein Rennen gegen die Zeit, die Deadline war der erste Grand Prix. An diesem Punkt können wir sagen, dass Honda in Katar Schadensbegrenzung betrieben hat, doch wer die Geschehnisse genau verfolgt hat, weiß, dass sie nur knapp einem Desaster entgingen. In Losail hatte wohl jeder Erfolg mehr mit Marc Márquez’ Entschlossenheit und seinem Team zu tun als mit irgendetwas anderem.

Was passierte bei Honda? Welche Feuerprobe müssen sie gerade bestehen? «Es ist das fehlende Verständnis für die neue Software», lautet die Antwort von Technikern und Fahrern auf diese Frage. Unter allen MotoGP-Herstellern hat ausgerechnet der mächtigste Hersteller die größten Schwierigkeiten. Die Anfänge mit dem neuen System waren so frustrierend, dass die Fahrer und die Crew sich nicht auf ihre Gegner, sondern auf die Arbeit am Bike konzentrieren mussten.

Die Vorsaison hindurch verbesserte sich die Situation, der Podestplatz in Katar war ein Zeichen dafür, dass ein Fortschritt erzielt wurde. Doch die Tatsache bleibt, dass auch in Katar Momente der Verwirrung auftauchten. In der ersten Nacht waren die Techniker beispielsweise komplett verloren. «Wir haben eine unserer Meinung nach unwichtige Sache an der Elektronik verändert, aber die Auswirkung war radikal. Das haben wir nicht erwartet», erklärte Marc Márquez, der nur den enttäuschenden achten Platz im ersten Training belegt hatte. Am nächsten Tag gelang ein Fortschritt, doch Ereignisse wie diese ließen manche Menschen die Augenbrauen heben und fragen: «Was ist nur mit Honda los?»

Die Diagnose lautet...

Die Diagnose bei HRC ist paradox, denn in diesem Fall führte genau der Status als technologisch mächtigster Hersteller der Meisterschaft zu der derzeitigen Situation. Lasst mich erklären.

Während eines von Rossis Interviews mit Pressevertretern in Katar enttarnte ein zunächst harmlos klingender Satz den Ursprung der Kreuzigung, die Honda und ihre Fahrer im Winter erlebten. Als er darüber sprach, wie schnell Yamaha mit der neuen Elektronik zurecht kam, sagte Valentino: «Was passiert ist, rührt von der Tatsache her, dass unser Bike auch ohne die Elekrtonik schon eine gute Maschine war.» Also verbesserte die Elektronik nur ein ohnehin gutes Motorrad. Mit der Einheitselektronik machten sie einen Schritt zurück, ja. Doch die vorhandene Basis half ihnen, den Rückgang der Perfomance zu minimieren. Das war bei Honda nicht der Fall.

Ich werde nicht so dreist sein und behaupten, die RCV wäre ohne Elektronik ein «schlechtes Motorrad», aber sie ist ein schwieriges und kompliziertes Bike. Und das behaupte nicht nur ich. Beide, Márquez und Pedrosa, sind es leid, immer wieder dieselben Aussagen zu tätigen wie im letzten Jahr. Nur eine massive Anpassung der letzten Generation der HRC-Elektronik konnte die extreme Natur des Bikes bändigen. Trotzdem war die Saison 2015 kein einfaches Jahr für Márquez und Pedrosa. Erst in der zweiten Saisonhälfte wurde die RCV konkurrenzfähig.

Es ist kein Geheimnis, dass in der 2015er-Honda Technologien verwendet wurden, die auch in Hondas hochentwickeltem Roboter Asimo zu finden sind. Es wurde eine ausgefeilte Elektronik genutzt, um die Unbeständigkeit des sehr kraftvollen Motors zu kontrollieren. Die Elektronik kompensierte auch die Tendenz der RCV, sich immer aufzubäumen, wenn der Fahrer das Gas aufzieht. Dieses Verhalten wurde durch die vorwärtsdrehende Kurbelwelle, wie sie die Gegner nicht einsetzen, noch verstärkt. Die Elektronik verhinderte auch das Pumpen des Hinterrads am Kurvenausgang. Die Elektronik war also entscheidend für Márquez’ wilden Fahrstil am Kurveneingang. Die Liste ließe sich noch weiter fortführen.

Was nun?

Alle diese Fahrhilfen verschwanden bei der neuen Einheitselektronik. Vermutlich wissen die HRC-Ingenieure, was passierte und, dass es passieren könnte, doch sie irrten sich wohl darin, wie viel Einfluss die neue Elektronik haben würde. Sie mussten also durch ein System von Versuch und Irrtum herausfinden, wie mit der neuen Elektronik umzugehen ist. Es ist eine «Behandlung», die HRC unweigerlich durchlaufen musste, um ihre «Elektronik-Abhängigkeit» zu kurieren. Es wird noch eine Zeit dauern, bis sie mit dem neuen System so umgehen können wie mit der Software, die sie 15 Jahre lang entwickelt haben.

Einer der Techniker zog folgenden Vergleich, um die derzeitige Situation zu erklären. «Es ist wie bei einem Maler, dessen Farbpalette sich verändert hat. Bei der alten verstand er es perfekt, die Farben so zu mischen, damit er den gewünschten Farbton erhält. Mit der neuen Palette muss er alles noch einmal lernen, um wieder das zusammenmischen zu können, was er braucht.»

In den Rennsport übersetzt, bedeutet das, dass es noch mehr Zeit braucht, um das richtige Mapping zu finden. Man muss dabei auch die begrenzten Möglichkeiten der ECU bedenken. Sie ist nicht so hochentwickelt wie jene von Honda und Yamaha es war. Bei Suzuki wird hingegen eingeräumt, dass die neue Software vielleicht sogar besser ist als jene im letzten Jahr.

«Ich schätze, es wird drei Viertel der Saison dauern, um die neue Software gänzlich zu verstehen», erklärte Matteo Flamini, Valentino Rossis Mann für das Data Recording. «Bis wir diesen Punkt erreichen, beschränkt sie die Leistung der Fahrer.» Selbst wenn die Software dann ein offenes Buch ist, wird sie nie dieselben Hilfen bieten wie die Werks-Sortware. Flamini schätzt, dass sie maximal 80 Prozent der Leistung erreichen wie zuvor.

Es ist zudem eine Zusammenarbeit der MSMA (Motorcycle Sports Manufacturers Association) notwendig, um Modifikationen der Software zu ermöglichen. Das bedeutet, dass Honda, Yamaha und Ducati sich über die Veränderungen einig sein müssen. Das ist im Moment, lasst uns sagen, etwas kompliziert.

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