Helmut Marko hält Verstappen für unschlagbar

Die alte Schule: Wie man einen Grand Prix gewinnt

Kolumne von Michael Scott
Jack Miller trank in Assen zur Feier seines Sieges den Cava aus seinem Stiefel

Jack Miller trank in Assen zur Feier seines Sieges den Cava aus seinem Stiefel

Seinen ersten MotoGP-Sieg in Assen feierte Jack Miller wie ein echter Rennfahrer – laut, wild und mit viel Alkohol. Bei anderen MotoGP-Stars wären solche Siegesfeiern undenkbar.

Man kann einen Rennfahrer an der Zahl seiner Siege messen. Aber kann man einen Mann daran messen, wie er mit ihnen umgeht? Jack Millers Sieg vor vier Wochen in Assen sorgte für viele ermutigende Aspekte. Es war der Sieg eines Underdogs, eine Wendung eines zuletzt unglücklichen Schicksals und eine willkommene Abwechslung zur üblichen Ordnung der Dinge.

Mindestens genauso großartig wie diese Tatsachen waren die Reaktion und die Siegesfeier des jungen Kerls. Sie reichten von emotionaler Demut nach dem Rennen bis zum sprudelnden Überkochen der Ausgelassenheit einige Zeit später, die von starken Drinks und Kraftausdrücken begleitet wurde. Angekurbelt wurden die Feierlichkeiten, was ich vielleicht nie müde werde zu erwähnen, vom Leeren einer Flasche Mezcal und dem anschließenden Verspeisen des Wurms, der sich am Boden jeder Flasche befindet.

Richtig old school. Wie ein echter Motorrad-Rennfahrer. Und genau wie ein echter Mensch. Solche Dinge wird man nie sehen, wenn Márquez gewinnt. Oder Pedrosa. (Wenn er doch nur.) Lorenzo gibt sich Mühe. In Le Mans kehrte seine Lorenzos Land Flagge in das Kiesbett zurück. Leider wirkt das etwas mechanisch. Direkt danach wurde er wieder Mister Sensibel – mehr Analyse als Ruhm. Rossi macht seine Freude ein bisschen offensichtlicher, aber wenn etwas gänzlich Ausgelassenes passiert, dann nur hinter den verschlossenen Türen und den getönten Scheiben seines Motorhomes, was von Zeit zu Zeit durch eine pochende und laut dröhnende Geräuschkulisse am Sonntag bis spät in die Nacht offenbart wird.

Das ist mehr ein Symptom dieser Zeit und weniger ein Resultat der jeweiligen Charaktere, es ist der Einfluss des Media-Managements der Teams. Neben den zahllosen Runden auf Dirtbikes, um ihre fahrerischen Fähigkeiten zu perfektionieren und das Handwerk eines modernen Rennstars zu erlernen, werden auch die PR-Fähigkeiten der jungen Fahrer trainiert. Sie werden von Menschen geschult, die wohl denken, dass Sanftheit der Schlüssel zu Beliebtheit und Erfolg ist. Ich denke aber, sie haben ihr Ziel verfehlt.

Ein Rennen gewinnen? Dann deinen Sponsoren danken, dem Team Tribut zollen, vielleicht die Unterstützung deiner Familie erwähnen... Und dann die Klappe halten. Die Grenze jeglicher Überschwänglichkeit ist erreicht, wenn du deine Handschuhe in die Menge wirfst. Sogar Rossi, der einst jeden seiner Siege mit einer die Fans erfreuenden Pantomimen-Show feierte, ist dieser Bewegung beigetreten.

Natürlich, eine lebhafte und ansprechende Persönlichkeit zu haben, ist für Erfolg im Motorradrennsport in keiner Weise wichtig. Oder auch nur eine einigermaßen ansprechende Persönlichkeit. Es gibt viele Präzedenzfälle, die diese Regel beweisen, dabei sind auch zutiefst reizlose Persönlichkeiten eingeschlossen. Das bedeutet aber nicht, dass die gesamte Persönlichkeit verborgen oder durch billige Allzweck-Politur übertüncht werden sollte.

In meinen vielen Jahren im Rennsport erlebte ich ein offensichtliches und strahlendes Beispiel eines Fahrers, der das besser als jeder andere verstand. Ich werde vielleicht dafür beschimpft, dass ich das sage, aber Barry Sheene war – allgemein gesprochen – kein besonders netter oder freundlicher Mann. Er war schonungslos biestig zu seinen Teamkollegen und rücksichtslos seinen Gegnern gegenüber (Nuancen von Rossi in beiden Fällen). Er trat zudem die Frauenwelt mit Füßen. Es kann zusammenfassend gesagt werden, dass er nicht so sehr das Siegen mochte, sondern die anderen verlieren zu sehen.

Doch Barry war ein vollendeter Performer in der Öffentlichkeit, er hatte großartigen Esprit, ein Meister der markanten Sprüche. Er fand sogar amüsante Wege, seinen Sponsoren zu danken, ohne sich wie ein gruseliger Roboter anzuhören. Und er wusste, wie man gemeinsam feiern konnte.

Zu viele seiner Nachfolger. Ich bin kein Fürsprecher von mutwilligen Besäufnissen, und mir ist sehr bewusst, dass Alkohol und Benzin keine gute Mischung ergeben, doch es gibt für alles eine Zeit und einen Ort. Sich in der Öffentlichkeit zu betrinken, ist ein Schritt gemeinsam zu feiern. Ich sah, unter anderen, Roberts sr., Schwantz, Rainey, Doohan – und in seinen frühen Jahren – Rossi diese wichtige Pflicht verfüllen – manchmal sehr ausschweifend.

Und, um fair zu sein, sah ich auch einen winzigen und sehr jungen Dani Pedrosa, der in einem brasilianischen Restaurant ein Glas Rotwein hinunterstürzte, das fast größer war als er selbst, nachdem er 2003 den 125-ccm-Titel gewonnen hatte. Ein hysterischer Rossi feuerte ihn dabei an. Ich denke, Dani fiel direkt danach um, aber er war zu dieser Zeit so klein, dass das schwer zu sagen war.

Auch ohne Schnaps gibt es Mittel und Wege, seine grenzenlose Freude auszudrücken. Obwohl das Risiko besteht, dabei menschlich zu wirken. Ich frage mich, während ich das schreibe, wer das nächste Rennen gewinnen wird. Und ich hoffe, dass es wieder Jack ist, nur für den Spaß. Wenn nicht er, dann Crutchlow, ein weiterer Rennfahrer der alten Schule. Vielleicht einer der Espargarós. Oder der verlässlich humorvolle und verdient beliebte Danilo Petrucci. Oder wenn es schon einer der üblichen Bande ist, dann soll er die Lektionen des Lebens vergessen und nur für dieses eine Mal einfach alles rauslassen.

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