Stefan Bradl: Die Heimkehr zu Honda

Von Günther Wiesinger
Honda meldet die Verpflichtung von Stefan Bradl (26) für die Superbike-WM 2017. Der Bayer spricht exklusiv über diesen Deal und die neue Herausforderung.

Im deutschen Red Bull Rookies-Cup begann Stefan Bradl auf Honda, mit einem Honda-Motor gewann er 2011 die Moto2-WM, dann fuhr er ab 2012 bei LCR-Honda drei Jahre lang in die Top-Ten der MotoGP-WM.

Nach bisher 46 Top-Ten-Ergebnissen in der Königsklasse fand Bradl kein reizvolles MotoGP-Team für 2017.

Deshalb ist es jetzt offiziell: Stefan Bradl beendet (oder unterbricht) nach fünf Jahren seine MotoGP-Karriere und bestreitet die Superbike-WM 2017 für das Honda World Superbike Team – als Teamkollege von Nicky Hayden.

Der 26-jährige Bayer übernimmt den Platz des WM-Fünften Michael van der Mark.

Bester deutscher Fahrer in der Superbike-WM war bisher Max Neukirchner, der die WM 2008 auf der Alstare-Suzuki nach zwei Laufsiegen als Gesamtfünfter beendete.

Für das Honda-Engagement in der Superbike-WM ist Honda Motor Europe (HME) mit dem Hauptquartier in Bracknell/GB zuständig.

Der Rennstall wird vom niederländischen Ten Kate Racing Team betrieben, das 2001 zuerst mit Honda die Supersport-WM beschickte und im Auftrag von Honda seit 2004 als offizielles Superbike-WM-Team des weltgrößten Herstellers auftritt.

Seit 2007 mit James Toseland haben Honda und Ten Kate keinen Superbike-WM-Titel mehr gewonnen.

Bei der Intermot in Köln (ab 4. Oktober) wird eine neue, wettbewerbsfähigere CBR1000RR Fireblade präsentiert, die Hayden und Bradl ermöglichen soll, in der Superbike-WM 2017 an Kawasaki und Ducati heranzurücken.

Honda wird davon eine verschärfte Rennversion für die Superbike-WM herstellen und homologieren lassen, dazu sind 500 Exemplare nötig, die aber im Verkauf maximal 40.000 Euro kosten dürfen.

Die besten Honda-Ergebnisse in der jüngsten Vergangenheit: 2014 schaffte Johnny Rea, der aktuelle Superbike-Weltmeister auf Kawasaki, auf der Honda Fireblade den dritten Gesamtrang.

Aktuell liegen van der Mark und Hayden auf den WM-Rängen 5 und 6, mit 183 und 195 Punkten Rückstand auf Johnny Rea.

SPEEDWEEK.com hat sich mit Stefan Bradl über die neue Herausforderung in der Superbike-WM unterhalten, in der sich zwei technische Motorenkonzepte gegenüberstehen: Honda, Yamaha, Kawasaki, Aprilia, BMW und MV Agusta setzen auf 1000-ccm-Vierzylinder, Ducati vertraut auf den 1200-ccm-Zweizylinder namens 1199 Panigale R. Mit diesem Twin liegt Chaz Davies in der WM an dritter Stelle. Die Twins müssen 168 kg wiegen, die Vierzylinder 162 kg.

Stefan, du hast beim Barcelona-GP am ersten Juni-Wochenende erkannt, dass sich Aprilia Racing mit Aleix Espargaró für die MotoGP-WM 2017 einigen wird. Es hat dann nicht lange gedauert, bis du nach Möglichkeiten in der Superbike-WM Ausschau gehalten hast.

Ja, unmittelbar nach dem Barcelona-Rennen ging es los. In Montmeló ist immer deutlicher geworden, dass Aprilia für Aleix die letzte Option war. Er hat damals auch über die Superbike-WM und drei Möglichkeiten gesprochen. Dadurch bin ich aufmerksam geworden.
Aleix hat dann den Aprilia-Vertrag bekommen. Am Tag vor dem ersten Assen-Training hat mich Aprilia darüber informiert. Damit war klar, dass für Bautista und mich bei Aprilia kein Platz mehr ist.
Zu diesem Zeitpunkt war in der MotoGP kein Platz in einem Werksteam übrig. Es war auch klar, dass bei den restlichen verfügbaren Plätzen für 2017 keine großen Aussichten auf konstante Top-Ten-Resultate bestehen würden.
Also habe ich gesagt: Jetzt muss man sich in der Superbike-WM auch umschauen. Auch dort waren nur noch zwei, drei wirklich interessante Plätze frei.
Honda hat von Anfang an das größte Unteresse an mir gezeigt.

Am Sachsenring-Wochenende wurde aber berichtet, du hättest ein Tech3-Yamaha-Angebot abgelehnt.

Wer das geschrieben hat, hat sich bei der Jahreszahl schwer vertan. Der hat im Kalender wohl versehentlich fünf Jahre zurückgeblättert. Den letzten Kontakt mit Hervé Poncharal gab es im Juni 2011. Seither wurde nie mehr verhandelt.
Nachher bestand von Tech3 kein Interesse mehr. Vielleicht habe ich als Red-Bull-Athlet dort nicht ins Konzept gepasst.

Was war dein Wunschteam für die Superbike-WM? Es waren noch Plätze bei Ducati, Yamaha und Honda offen.

Hm... Ein Wunschteam hatte ich eigentlich nicht. Aber die Verhandlungen mit Honda sind von Anfang an sehr angenehm und kompetent verlaufen. Der erste Kontakt kam über Carlo Fiorani im MotoGP-Paddock zustande. In Assen habe ich auch Ronald und Gerrit ten Kate zu einem ausführlichen Gespräch getroffen, die das Team im Auftrag von Honda Motor Europe betreiben. Wenige Tage später kam es zu einem persönlichen Treffen mit Marco Chini, dem Manager des Honda World Superbike-Teams.
Mit ihm wurden dann alle Details vereinbart.
Abgesehen von Honda gab es nur mit Ducati konkrete Gespräche für die Superbike-WM. Zu Milwaukee und Yamaha gab es Kontakte, aber nie konkrete Verhandlungen. Denn bei Honda lag sehr rasch ein interessantes Angebot auf dem Tisch. Da ging es sehr professionell zu. Es hat sich abgezeichnet, dass sich Michael van der Mark bei anderen Teams anbot. Honda war bereit, einen Fahrerwechsel vorzunehmen.
Bei Ducati standen viele Kandidaten auf der Liste, auch sehr renommierte Superbike-WM-Fahrer.

Honda war seit 2007 nicht Superbike-Weltmeister. Aber im Herbst wird eine neue CBR1000RR Fireblade vorgestellt, die die Basis für deine Rennmaschine 2017 bildet.

Ja, es kommt ein neues Motorrad, ein Update der Fireblade, das war auch notwendig, wenn Honda wieder um den Titel mitfahren will. Ich glaube, das ist jedem Beteiligten klar. Dazu kommt, dass Honda gegen Kawasaki momentan einen schweren Stand hat. Die Kawasaki-Fahrer Rea und Sykes sind wohl auch wieder die Favoriten für 2017. Das zeichnet sich zumindest bisher ab.
Ducati hat mit der Panigale R und Chaz Davies auch ein starkes Paket.
Sicher, die Superbike-WM wird nicht einfach. Das wissen wir. Aber es ist nicht so, dass ich gleich im ersten Jahr um den Titel fahren muss, weil sonst alles verloren ist.
Wir werden versuchen, das neue Projekt zum Erfolg zu bringen und etwas aufzubauen. Ich möchte nicht nach einem Jahr das Handtuch schmeißen.

Du planst also zwei Jahre in der Superbike-WM?

Ja. Das kann ich mir gut vorstellen.

Ist danach auch eine Rückkehr in die MotoGP-WM vorstellbar?

Das ist eine Frage, die ich jetzt nicht beantworten kann. Ich will zuerst einmal eine ordentliche SBK-Saison 2017 hinlegen.
Über 2018 will ich jetzt nicht reden.
Natürlich spiele ich mit dem Gedanken, dass es eine Rückkehr in die MotoGP-WM geben kann. Ausgeschlossen ist das absolut nicht. Aber da müssten mir einige Umstände in die Karten spielen. Da müsste einiges zusammenpassen.
Es müsste ein geeigneter Platz frei werden, es müsste ein konkurrenzfähiges Motorrad sein. Am besten wäre, wenn Honda Interesse hätte, mir einen Platz in einem Kundenteam anzubieten. Das ist sicher ein Wunschgedanke. Und es ist auch nicht unmöglich. Aber Vorrang hat jetzt, dass ich mich in der Superbike-WM 2017 durchsetze. Zuerst muss ich einmal in der Superbike-WM ein paar Rennen fahren. Dann wird man sehen, wie ich zurechtkomme und was sich für die Zukunft ergibt.

Mit Nicky Hayden wirst du einen Teamkollegen haben, mit dem du dich gut verstehst.

Ja, erstens verstehen wir uns gut. Zweitens glaube ich, dass wir uns gegenseitig pushen können. Mit dem Nicky bin ich immer gut ausgekommen. Er wird ein ganz angenehmer Teamkollege. Ich glaube, das ist eine ganz gute Konstellation. Honda wird auf alle Fälle zwei schlagkräftige Piloten am Start haben.

Drei Rennstrecken werden Neuland für dich sein?

Ja, Buriram in Thailand, Imola und Magny-Cours. Auf dem Lausitzring bin ich auch seit der IDM nicht gefahren.

Dafür kehrst du nach Laguna Seca zurück, wo du 2013 mit der LCR-Honda auf der Pole-Position gestanden und im Rennen hinter Marc Márquez Zweiter geworden bist.

Auf Laguna Seca freue ich mich nicht nur, weil ich dort mein bestes MotoGP-Ergebnis erreicht habe. Laguna ist auch von der Umgebung her eine Reise wert. Es ist für jeden Rennfahrer ein gewisser Traum, einmal die Corkscrew und diese Gegend zu erleben. Das Rennen dort 2013 war für mich natürlich ein Highlight.
Aber das war nicht nur streckenabhängig, dass es mir dort so gut gefallen hat. Ich würde dort auch jederzeit ohne Rennen wieder hinfahren, einfach als Tourist.
Ich habe längst den Plan, dass ich dort sicher noch einmal hinfahren werde. Ich möchte dort Urlaub machen und mir die Gegend in Kalifornien genauer anschauen. Vielleicht nach meiner Karriere. Dort ist es einfach wunderschön.

Mit welchen Zielen wirst du in deine erste Superbike-WM-Saison steigen? Johnny Rea war zuletzt 2014 auf Honda WM-Dritter. Wäre das ein vernünftiges Ziel für die erste Saison?

Honda will gewinnen! Aber mein primäres Ziel wird sein, in jedem Rennen um Podiumsplatzierungen zu fahren. Es finden jeweils zwei WM-Rennen am Wochenende statt. Man muss schauen, dass man konstant ist und bei möglichst vielen der 28 oder 30 WM-Läufe punktet.
Es ist auf alle Fälle das Ziel, aufs Podium zu fahren oder in Podiumsnähe, wie es Nicky macht.
Wir werden möglichst viel testen, das geht dann im November los. Dann wird sich herausstellen, wie schlagkräftig und konkurrenzfähig die neue Honda ist.

Honda plant langfristig mit dir in der Superbike-WM. Denn Nicky Hayden wird vielleicht nur noch ein, zwei Jahre fahren.

Ja, Honda hatte vom ersten Kontakt her sehr großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit mir. Das habe ich bei jeder Verhandlung und bei jedem Meeting gespürt. Wir hatten eine sehr gute Gesprächsbasis, das ist alles professionell abgelaufen.

Honda lässt die Superbike-WM-Fahrer üblicherweise auch beim prestigeträchtigen Suzuka Eight Hours Race fahren. Wirst du dort 2017 auch erstmals antreten?

Darüber ist gesprochen worden. Das ist vorgesehen, ja. Aber konkret vereinbart ist es bisher nicht.

Was neu für dich sein wird: Die Startaufstellung wird in der Superpole ermittelt.

Ja, das habe ich mir auch schon überlegt. Ich habe das Reglement noch nicht genau studiert, aber das wird interessant. Da bin ich gespannt. Das ist sicher eine sehr reizvolle Geschichte. Da kannst du entweder einen Riesencoup landen oder einmal abfucken. Das ist genau das Interessante daran. Das hat einen gewissen Reiz.
Es wird viel auf die Situation ankommen, wie man das Motorrad bis zur Superpole abgestimmt hat und wie man mit der Strecke zurechtkommt. Wenn alles passt, kann man sich leisten, mehr Risiko einzugehen. Wenn das Set-up nicht passt, muss man vielleicht etwas vorsichtiger sein.
Im MotoGP-Qualifying ist es auch nicht viel anders. Da fährt man in den 15 Minuten zwei Runs zu je zwei Runden. Man muss eine Sicherheitsrunde hinlegen, damit man mal gewertet ist. Auf der anderen Seite musst du dann in der zweiten Runde hindrucken.
Ich weiß inzwischen sogar, dass am Samstag ein freies Training um 8.45 Uhr stattfindet. Das kenne ich aus meiner 125er-Zeit...

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