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Cal Crutchlow (11.): «Honda muss Realität erkennen»

Von Günther Wiesinger
Cal Crutchlow

Cal Crutchlow

Nach dem elften Platz im zweiten Brünn-Training liess Cal Crutchlow kein gutes Haar an seiner LCR-Honda. «Unser Bike ist einfach nicht konkurrenzfähig.»

Nur Platz 11 im zweiten freien MotoGP-Training auf dem 5,403 km langen Automotodrom Brno, Rückstand 0,997 Sekunden, da riss dem Sachsenring-GP-Zweiten Cal Crutchlow der Geduldsfaden.

«Mir hängt es zum Hals heraus. Ich muss jedes Wochenende das Gleich erzählen. Das Motorrad lenkt nicht ein, wir müssen beim Bremsen so viel riskieren, um ein bisschen Zeit wettzumachen, wenn wir beschleunigen, bäumt sich die Maschine auf, wir können uns vor lauer Wheelies kaum retten. Wenn wir bremsen, überhitzen wir den Vorderreifen und stürzen fast. Aber wenn ich heute am Abend mit den Honda-Leuten rede, ist es immer dieselbe Story: Sie haben Marc Márquez, und er ist auf Platz 1, der schnellste Mann auf der Piste. Was masse ich mir also an, wenn ich mich über das Material beschwere? Alle vergleichen nur die Ergebnisse des heutigen Tages...»

Crutchlow: «Ich habe das Gefühl, ich fahre wirklich gut, aber unser Bike ist einfach nicht konkurrenzfähig. Wir haben in einigen Kurven Untersteuern. Wenn wir beim Bremsen den Vorderreifen überhitzen, wird die Situation von Runde zu Runde schlimmer. Du kannst dir also ausrechnen: Nach 22 Runden ist es 22 mal so schlimm wie in der ersten Runde. Wir geben unser Bestes. Marc, Dani und ich, wir erzählen alle die gleichen Sachen. Das Problem ist: Marc ist trotzdem schnell. Er rettet sich aus Situationen... Was hören wir dann von Honda: 'Habt ihr diesen Save gesehen? Ist das nicht fantastisch?' Keiner blickt auf die Realität und merkt, dass Marc fast wieder auf den Kopf gefallen ist, wieder einmal. Denn wir fahren in jeder Bremszone mit dem Messer zwischen den Zähnen. Wie oft siehst du eine Yamaha in so einer brenzligen Situation? Wie oft hingegen siehst du Marc, Dani oder mich entweder am Boden oder beim Versuch, einen Rutscher abzufangen! Pausenlos! Sie müssen der Wahrheit uns Auge blicken und ein Motorrad bauen, mit dem jeder schnell fahren kann, nicht nur Marc. Im Moment existiert auf der ganzen Welt nur ein Fahrer, der dieses Motorrad fahren kann.»

Aber das war 2014 und 2015 nicht anders, oder? Crutchlow: «Ja.»

Der LCR-Honda-Pilot widerspricht auch der Aussage von HRC-Vizepräsident Nakamoto, das Problem habe nur mit der Einheits-Software von Magneti-Marelli zu tun. «Ich weiss nicht...», grübelt Cal. «Kürzlich hat jemand gesagt, Ducati ist in diesem Jahr so gut, weil sie ab September 2014 die Open-Elektronik bei Barbera hatten. Aber Honda und Yamaha hatten diese Elektronik in den Open-Teams auch zwei Jahre lang... Als ich 2014 für Ducati gefahren bin, hatte ich auch die Open-Elektronik. Es war kein Unterschied zu spüren. Weil Ducati clever war. Ich glaube nicht, dass unser Problem mit der Elektronik zu tun hat. Unser Problem sieht so aus: Wir haben hinten nicht genug Grip, wir beschleunigen nicht gut genug aus den Kurven raus, wir müssen viel zu heftig bremsen. Entweder befindet sich das Bike beim Bremsen auf der Nase, oder es beschleunigt auf dem Hinterrad. Es fehlt die Balance.»

Crutchlow weiter: «Ich werde den Honda-Leuten heute am Abend die Realität vor Augen führen. Ich habe mich hier in Brünn 2013 mit der langsamen, privaten Yamaha mit 1:55,4 min qualifiziert. Ich hatte kein Seamless-Getriebe, ich musste die Kupplung nehmen beim Runterschalten. Trotzdem war ich damals vier Zehntel schneller als Marc heute. Und wir reden von 2013! Was soll ich noch sagen?»

«Wir können über die Traction Control mehr Power freigeben, im zweiten und dritten Gang. Aber du machst dann nur Wheelies... Du fliegst dann hinten von diesem Ding runter. Und im vierten, fünften und sechsten Gang haben wir Mühe. Aber da fahren wir mit der vollen Power, da schränken wir nichts ein – im vierten, fünften und sechsten Gang. Das Beschleunigungsproblem existiert nur, weil hinten der Grip fehlt. Es liegt nicht an der Elektronik. Ein bisschen vielleicht am Motor, weil er immer noch aggressiv ist.»

«Marc hat im FP2 am Schluss den harten Hinterreifen verwendet, er ist damit Bestzeit gefahren», sagt Crutchlow. «Das war überraschend. Aber ich nehme auch den harten, wenn Marc ihn verwendet. Ich hatte in meinem letzten Run heute Probleme mit der Motorbremse, vermute ich. Ich bin schneller gefahren, ich weiß aber nicht, wie mir das gelungen ist... Mit dem weichen Hinterreifen habe ich nicht viel Zeit gewonnen. Wir fahren völlig außer Kontrolle, um halbwegs mithalten zu können. Wenn du dann siehst, wie ein Barbera 1:56,1 min schafft, indem er spazieren fährt, mit einer zwei oder drei Jahre alten Ducati... Ich könnte jetzt vielleicht bei Ducati anrufen und sein Ding vielleicht für 200.000 Euro kaufen. Dann stelle ich dieses Bike in mein Haus. Und wie viel ist unser Motorrad wert?»

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