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Nackter November: Die abgeschaffte Meisterfeier

Kolumne von Rainer Braun
​Jahrzehntelang gab es nach einer Rennsaison im November eine offizielle Meisterehrung für alle Titelträger. Erinnerungen an eine liebgewonnene Feierstunde.

Die jüngeren Fahrer-Jahrgänge kennen die «DMSB-Meisterehrung» schon gar nicht mehr, weil sie seit einigen Jahren der Vergangenheit angehört. Einfach abgeschafft, nach 71 Jahren. Als Grund nennt DMSB-Pressesprecher Michael Kramp die Tatsache, dass «fast jede Meisterschaft oder Rennserie inzwischen selbst ihre eigene Ehrung ausrichtet».

Allerdings ist das Argument nicht so ganz sattelfest, denn schon immer hatten die meisten Ausrichter deutscher Prädikats-Wettbewerbe zusätzlich vor oder nach der zentralen ONS/DMSB-Ehrung noch ihre eigenen, internen Meisterfeiern. Warum auch nicht.

Möglicherweise haben bei der Absetzung die Kosten eine Rolle gespielt. Denn so ganz preiswert war die zentrale Meisterfeier in ihren letzten Jahren für die deutsche Sportbehörde DMSB gerade nicht. Vor allem die exklusiven Abend-Veranstaltungen auf dem Petersberg in Bonn und im Wiesbadener Kurhaus mit Dinner, reichlich Gästen und Programm gingen ordentlich ins Geld.

Wiesbaden erlebte 2018 die letzte Auflage der traditionellen Form der Meisterehrung. Eingeladen und geehrt wurden stets alle Gewinner der von der ONS bzw. später vom DMSB ausgeschriebenen Prädikats-Wettbewerbe auf der Rundstrecke, am Berg, dem Rallye- und Offroad- sowie dem Kart-Sport.

Dies war stets auch eine gute Gelegenheit, die Jung-Talente aus allen Bereichen näher kennenzulernen. Ab 1998 kam mit der Zusammenführung von ONS und OMK zur neuen Organisationsform DMSB (Deutscher Motor Sport Bund) noch der Motorradsport hinzu.

Jedenfalls fehlt heute so manchem aus der deutschen Motorsport-Gemeinde die gemeinsame Feier, die stets ein Treffen der erfolgreichen Akteure war und überdies auch das Who is Who des deutschen Motorsports am Jahresende zusammenbrachte. Vertreter von Sport, Industrie, Wirtschaft und Politik würzten die Feier oft genug als Ehrengäste oder Gastredner.

Die erste ONS-Meisterfeier gab es 1948, elf Jahre später kam der «Große ONS Pokal» (ab 1998 umgetauft in «DMSB Pokal») als ranghöchste Trophäe im deutschen Automobilsport hinzu. Die Auszeichnung erhielt zumeist der Motorsportler, der herausragende Leistungen auf internationalem Parkett erbracht hatte.

Geehrt wurden jeweils die drei Erstplatzierten jedes offiziell ausgeschriebenen Wettbewerbs, dazu gab es ab den 70er-Jahren auch noch Sonderauszeichnungen an Veranstalter- und Industrie-Repräsentanten für besondere Leistungen.

Erster Gewinner der höchsten Auszeichnung war 1959 Porsche-Denkmal Edgar Barth, in dessen Sammlung die Trophäe dann noch weitere zweimal landete. Ebenfalls dreimal ging der Pott auch an Walter Röhrl und an Michael Schumacher. Sogar je viermal nahmen ihn Gerhard Mitter und Jochen Mass entgegen. DTM-Rekordmeister Bernd Schneider war 1997 der letzte Preisträger vor der Namensänderung.

Zumindest der «DMSB Pokal» hat die abgeschaffte Meisterfeier überlebt. Die ranghöchste Trophäe im deutschen Motorsport wird jetzt innerhalb des alle zwei Jahre stattfindenden, dreitägigen DMSB-Kongresses am «Abend des Ehrenamts» an verdiente Unternehmen, Funktionäre oder Helfer verliehen. Ebenso ein «DMSB-Ehrenpreis» und der «DMSB-Umweltpreis».

Allerdings gilt für alle Sonderauszeichnungen, dass eine Verleihung nur stattfindet «wenn das Vergabe-Präsidium würdige Preisträger wahrnimmt» (so Pressesprecher Kramp).

Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg (2016) und DMSB-Ehrenpräsident Hermann Tomczyk (2019) waren die letzten Preisträger, bevor nach sechs Jahren Pause nun Anfang November 2025 erstmals mit Porsche für sein breitgefächertes Motorsport-Engagement ausgezeichnet wurde. Den DMSB-Ehrenpreis erhielt Friedhelm Kissel für sein unermüdliches Engagement im Rallyesport und der DMSB-Umweltpreis ging an den ADAC Saarland.

Die glanzvollsten Meisterfeiern fanden nach der Jahrtausendwende als exklusive Abend-Veranstaltungen auf dem Petersberg oberhalb von Bonn und im Wiesbadener Kurhaus statt. Vom Ambiente her waren das sicher die exklusivsten, wohl aber auch teuersten Varianten.

Immerhin war mit der Wahl der Wiesbadener Location posthum ein Herzenswunsch des 2012 verstorbenen ONS-Geschäftsführers Sigismund von Kahlen in Erfüllung gegangen, die Ehrung mal im Kurhaus seiner Heimatstadt stattfinden zu lassen. Er hatte die Geschäfte der ONS mehr als 30 Jahre geführt und war stets bestrebt, die Sportbehörde in ihrer Arbeitsweise und Außendarstellung moderner zu gestalten. Oft scheiterte aber an internen Widerständen.

Immerhin hat von Kahlen es geschafft, dass zu Zeiten der alten DTM die damals noch unter «ONS-Meisterehrung» firmierende Veranstaltung ab 1989 bis 1996 sogar auf Wanderschaft gehen konnte. Und zwar von Jahr zu Jahr als Gast bei einem anderen Unternehmen der Automobilbranche, das in der DTM oder deren Umfeld engagiert war.

So richteten zwischen 1989 und 1996 Mercedes, BMW, Porsche, Volkswagen, Audi, Alfa Romeo/Fiat, Dekra sowie Fichtel & Sachs die Feier auf ihre Kosten aus, teils unter Mitwirkung der jeweils eigenen Event-Agenturen mit Regie und Video-Zuspieler. Der modernere Rahmen samt neuzeitlichem Ambiente brachte eine spürbare Entstaubung in die eingefahrenen Abläufe.

Letztmals war 1997 die branchenfremde Deutsche Bank in Frankfurt Gastgeber in deren geschichtsträchtigem «Hermann Josef Abs-Saal». Danach erfolgte 1998 die Umbenennung der ONS in DMSB und eine neue Ära der Ehrungen begann, die ihre Höhepunkte dann auch in wirklich stilvollen Abendveranstaltungen fand. Im Zuge der Umfirmierung bereicherten auch die Motorrad-Meister ab 1998 die nunmehr gemeinsame Ehrung.

Bei der Terminwahl der alten Meisterehrungen hatten die ONS-Oberen nicht immer ein glückliches Händchen.

Vor allem in den früheren Jahren legten die Verantwortlichen die Feierstunde oft genug ausgerechnet auf den Volkstrauertag oder den nachfolgenden Totensonntag. Zumindest das dunkle Outfit der meisten Gäste wurde diesen trüben Tagen gerecht. Ort der Handlung war seinerzeit oft das eher triste Frankfurter Airport-Hotel. Dazu kam dann auch noch ein eher unglücklich früher Beginn morgens um 10 oder 11 Uhr.

Lockerheit und Leichtigkeit fehlten vor allem in der Zeit zwischen 1970 und 1985. Die Feierstunden dieser Jahre liefen immer nach strengem Protokoll ab. Die Grußworte kamen in der Regel vom amtierenden ONS-Präsidenten sowie einem Verkehrs- oder Regional-Politiker. Danach wurde geehrt und dann gegessen. Erst der Wechsel hin zur Industrie als Gastgeber brachte durch die Mitwirkung der Event-Agenturen der jeweils gastgebenden Unternehmen auch eine neue Lockerheit in die Abläufe.

Grund für Heiterkeit gab es zuvor eher selten. Und wenn doch, dann wurde das vom Auditorium fast mit Befremden aufgenommen.

Und tatsächlich ist mir da die eine oder andere fröhliche Situation aus den frühen Jahren noch in Erinnerung geblieben. So etwa der lautstarke, nicht enden wollende Lachanfall von Stefan Bellof, weil der Kollege Moderator in Unkenntnis der korrekten Aussprache den Namen eines Kart-Herstellers verbal fürchterlich verunstaltete. Ruhe kehrte erst ein, als Bellofs Freundin Angelika ihren Liebsten sanft aus dem Saal schob …

Aber auch eine fette Panne im Zuge der Begrüßung bei einer anderen Meisterehrung ist erwähnenswert. So gab es bei einer relativ früh am Tag angesetzten Feier eine höchst peinliche Situation. Ein Versprecher am Mikro sorgte für Raunen im Saal, als der Moderator (in diesem Falle der Autor dieser Geschichte) die Gäste wie folgt begrüßte: «Schön, dass Sie heute alle so früh auferstanden sind.»

Ein fataler Versprecher, zumal auch noch an einem Totensonntag.

Es sollte natürlich «aufgestanden» heißen, ich selbst habe meinen Patzer gar nicht bemerkt und wurde erst hinterher damit konfrontiert.

Die Altvorderen der ONS- und FIA-Gremien in den ersten Reihen fühlten sich wohl persönlich angesprochen und verunglimpft. Zu retten war leider nichts mehr. Als Konsequenz wurde ich für mehrere Jahre auf die Strafbank verbannt und durfte nur noch als Gast teilnehmen.

Erst mit Beginn der DTM-Rotation zu den Industrie-Standorten war der Weg ans Mikro für mich wieder frei, weil sich vor allem ONS-Geschäftsführer von Kahlen mit Nachdruck für meine Rückkehr eingesetzt hatte.

Meinen Nachfolgern unterliefen allerdings auch diverse Missgeschicke. So vergas ein Kollege gleich eine ganze Ehrungsseite durch ungewolltes Überblättern der Vorlage. Leider bemerkte er das Versäumnis erst, nachdem die Gäste schon zu Tisch gebeten waren und die Ton-Technik samt der Mikros verschwunden war. Den Betroffenen wurden die Pokale dann im Laufe des Mittagessens diskret am Tisch überreicht.

Als besonders deprimierend ist mir die ONS-Meisterfeier aus dem Jahr 1973 in Erinnerung geblieben. Was als glanzvoller Abstecher ins Berliner Hilton Hotel gedacht war, endete mit betretenen Gesichtern und Sorgen um die Zukunft des Rennsports. Der damalige ONS-Präsident Hans Joachim Bernet ließ gleich zu Anfang seiner Begrüßungsrede die Vollgasgemeinde erstarren.

Hier der O-Ton: «Meine Damen und Herren, angesichts der energiepolitischen Lage hat die ONS beschlossen, motorsportliche Veranstaltungen in Deutschland bis auf Weiteres zu untersagen. Das Verbot gilt ab sofort und so lange, wie die Lage am Mineralölmarkt uns die moralische Verpflichtung auferlegt, Kraftstoff zur Aufrechterhaltung der alltäglichen Energieversorgung einzusparen.»

Tuschelnde Rennfahrer, entsetzte Veranstalter, ratlose Teamchefs und Tuner – eine depressive Stimmung durchwaberte den Festsaal. Auslöser für die Hiobsbotschaft war die Tatsache, dass die OPEC wegen des Jom Kippur-Kriegs dem Westen den Ölhahn zugedreht und damit die geschichtsträchtige Benzinkrise 1973/74 ihren Anfang nahm. Erst vier Monate später wurde das Renn-Verbot im Frühjahr wieder Zug um Zug gelockert.

Dass ich im vorgerückten Alter nochmals mit den Kollegen Eddie Mielke und Burkhard Bechtel zwei Meisterfeiern auf dem Petersberg als Moderator begleiten durfte, war für mich persönlich ein emotionaler Schlusspunkt am Ende einer langen, über 50 Jahre währenden Reise zu den Schauplätzen dieser Veranstaltung.

Es waren und es sind einfach die unvergesslichen Erinnerungen an die liebgewordene Meisterehrung, die mich diese Geschichte haben schreiben lassen.

Nicht nur mir fehlt dieses jährliche Highlight im deutschen Motorsport-Kalender.


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