Michael Schumacher: Die Fans haben ihn nicht vergessen
Lewis Hamilton ist der erfolgreichste Grand-Prix-Rennfahrer, Max Verstappen sammelt Rekorde. Aber für viele Fans ist ein anderer Pilot die Nummer 1 – Michael Schumacher, unvergleichlich, unvergessen.
Am 29. Dezember 2013 erlitt die deutsche Rennlegende Michael Schumacher bei einem Sturz im Skigebiet Méribel (Frankreich) schwere Kopfverletzungen. Seither kämpft er sich ins Leben zurück.
Der 91-fache GP-Sieger wollte einfach nur ein wenig skilaufen. Mit seiner Familie weilte er oft im grossräumigen französischen Skiareal von Méribel. Schumacher war ein Könner auf den Latten. Doch beim Überqueren der Piste geriet er an einen Stein, kam zu Fall und prallte mit dem Kopf auf einen anderen Felsen.
Stand 29. Dezember 2025: Über Details zum Gesundheitszustand ist so gut wie nichts bekannt. Alles, was über Bestätigungen der Familie Schumacher und von seiner Managerin Sabine Kehm hinausgeht, sind Mutmassungen, Hörensagen, eine Mischung aus bösem Geschwätz und hoffnungsvoller Gerüchteverbreitung.
Solche Spekulationen, so hat die Managerin einmal festgehalten, seien unverantwortlich, denn angesichts der Schwere seiner Verletzungen sei der Schutz der Privatsphäre für Schumacher sehr wichtig. "Leider führten solche Gerüchte dazu, dass viele Menschen, die ehrlich Anteil nehmen, sich falsche Hoffnungen machen."
Das Interesse an Michael Schumacher ist nie erloschen. Das hat vier Gründe. Das liegt zunächst einmal an den treuen Schumacher-Fans. Darüber hinaus schaffte es sein Sohn Mick in die Formel 1. Ab September 2021 war auf Netflix der bewegende Film SCHUMACHER zu sehen, der schnell zur meistgeklickten Dokumentation des Streaming-Portals wurde. Und dann war da der WM-Kampf Verstappen gegen Hamilton 2021, mit der Möglichkeit für den Briten, dank eines achten Titels Michael Schumacher zu übertrumpfen.
Wie enorm das Interesse an Michael Schumacher bleibt, zeigten auch mehr als eine Million Downloads eines Schumacher-Fünfteilers der ARD, Being Michael Schumacher.
Dieses Phänomen ist unverändert: Wann immer ich bei meiner Arbeit als Formel-1-Berichterstatter mit jemandem ins Gespräch komme, einem Passagier im Flugzeug vielleicht, einer Rezeptionistin im Hotel, einem Kellner im Restaurant, einem Taxifahrer, und die Menschen erfahren, dass ich in der Königsklasse tätig bin, so lautet eine der folgenden Fragen unweigerlich: "Sagen Sie, können Sie mir vielleicht sagen, wie es Michael Schumacher geht?"
Ich muss dann jeweils sagen: "Nein, ich kann es nicht, tut mir leid."
Nur die Familie und der engste Freundeskreis können das. Und sie schweigen eisern.
Felix Damm vertritt die Familie Schumacher in medienrechtlichen Angelegenheiten. Der Anwalt hat in einem Gespräch mit dem Fachportal "Legal Tribune Online" gesagt: "Es geht immer darum, Privates zu schützen. Ich glaube, dass die allermeisten Fans gut damit umgehen können und es auch respektieren, dass durch den Unfall ein Prozess in Gang gesetzt wurde, bei dem der private Schutzraum notwendig ist und jetzt weiterhin beachtet wird."
Sternstunde in Spanien
Ich habe leider nie erlebt, wie die Silberpfeil-Giganten Rudi Caracciola (Mercedes-Benz) und Bernd Rosemeyer (Auto Union) um Siege kämpften, wie Juan Manuel Fangio mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit von Titel zu Titel strebte, wie Jim Clark seine Gegner mit unwiderstehlichen Darbietungen entmutigte.
Aber ich hatte das Privileg, die Ausnahmerennfahrer Ayrton Senna und Michael Schumacher während ihrer kompletten GP-Karrieren zu sehen.
Einige von Schumis Siegesfahrten waren wahre Sternstunden, wie in Katalonien 1996 etwa. Schumacher fuhr im Regenrennen förmlich Kreise um die Gegner, in zahlreichen Kurven wählte der Deutsche ganz andere Linien, das hatte er aus dem Kartsport in die Formel 1 mitgebracht. Wo andere Fahrer nur herumrutschten, fand Schumacher Haftung.
Am Ende kam Schumi 45 Sekunden vor Jean Alesi ins Ziel, eine Weltreise, nur noch Jacques Villeneuve schaffte es, in der gleichen Runde zu bleiben, der viertplatzierte Heinz-Harald Frentzen war überrundet, Pedro Diniz als Sechster hatte schon zwei Runden Rückstand, alle anderen kreiselten von der Bahn oder schieden durch Defekte oder Kollisionen aus.
Regenmeister Rudi Caracciola hatte seinen Nachfolger gefunden. Es war der erste Sieg von Michael Schumacher für Ferrari. 71 weitere in Rot sollten bis Shanghai 2006 hinzukommen.
Zwei verschiedene Schumacher
Die erwähnte ARD-Doku zeigt zwei Gesichter von Michael Schumacher – den knallharten Racer und den hingebungsvollen Familienvater.
Der 91-fache GP-Sieger liess sich zunächst in Vufflens-le-Château nieder, ab 2008 in Gland. Aus Deutschland war der Rennfahrer einst nach Monaco gezogen, weil er dort keine Ruhe mehr fand.
"Die Leute spazierten einfach so in unseren Garten", sagte er mir einmal in einer stillen Minute. Aber auch Monte Carlo war für ihn nicht das Richtige. Zudem bot dem ausgeprägten Naturmenschen Schumacher Monaco zu wenig Reize. "Zu klein, zu wenig grün", fand Schumi.
Angesprochen auf das friedliche Leben in der Schweiz erzählte mir Michael Schumacher diese Anekdote: "Wenn ich in der Schweiz Brötchen holen gehe, dann gucken die Menschen höchstens einmal kurz herüber, ab und an fragt jemand nach einem Autogramm, das ist alles. Später werden diese Menschen dann zuhause vielleicht sagen: ‚Rate mal, wen ich heute gesehen habe?’ Aber unsere Familie kann unbehelligt leben."
"Einmal ging ich mit dem Hund spazieren und traf eine Frau, die ebenfalls mit dem Hund unterwegs war. Wir sind ins Gespräch gekommen, haben über dies oder das gesprochen. Und auf einmal sagte sie zu mir: ‚Und was machen Sie so beruflich?’ Sie hatte keine Ahnung, wer ich bin. Das fand ich fabelhaft."
Der Wunsch nach Ruhe war auch der Grund für zahlreiche Reisen in die USA, wo die meisten Menschen nicht wussten, wer Michael Schumacher war und wo das Formel-1-Interesse vor dem Netflix-Boom auf Sparflamme köchelte.
Mit Freunden entstand bei einer dieser Reisen der spontane Wunsch, einen NASCAR-Lehrfahrkurs zu machen. Also stellten sich Schumi und seine Kumpels in eine lange Schlange. "Nach einer Weile wurde uns das Warten zu blöd, also sind wir wieder gegangen", verriet mir der Ausnahmekönner. Auf meine Frage, wieso er nicht gesagt habe, wer er sei, meinte Schumi: "Ich wollte mich nicht vordrängeln, das wäre nicht in Ordnung gewesen." Also haben wir Michael Schumacher nie in einem NASCAR-Auto erlebt.
Unglaublich, aber wahr – in der Warteschlange hatte niemand den Deutschen erkannt.
Ich kenne nur zwei Piloten, von welchen so oft die Rede ist, obschon sie nicht in unserer Mitte weilen, und das gilt für Fans und Fachleute zugleich: Ayrton Senna und Michael Schumacher.
Vielleicht ist dies das wertvollste Zeichen des Respekts, das wir solchen Persönlichkeiten entgegenbringen können – dass wir sie nicht vergessen.
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