Formel 1: Carlos Sainz zurück zu Ferrari?

Toto Wolff: «Red Bull Racing hat bestes Fahrerduo»

Von Gerhard Kuntschik
Toto Wolff

Toto Wolff

​Mercedes-Sportchef Toto Wolff stapelt drei Wochen vor dem Formel-1-Start tief und wittert starke Konkurrenz. Dazu hätte er einige der Neuerungen der Formel 1 so nicht durchgeführt, hätte der Wiener das Sagen gehabt.
Toto, wie schwierig war die Konzeption der neuen Autos mit dem Halo genannten Fahrerschutz?

Halo hatte viel Einfluss, weil der Heiligenschein mit 14 Kilogramm sehr schwer ist – und zudem an einem der höchsten Punkte angebracht ist. Damit verändert sich die gesamte Fahrdynamik, auch die Aerodynamik wird durch Luftverwirbelungen beeinflusst.

Gibt es dazu Daten?

Ja. Wir erkennen zwar keinen Riesennachteil in Sachen Aerodynamik, aber der Halo verändert die Luftzufuhr in den Kühler. Und die Tests des Verbandes ergaben, dass der Halo dem Druck standhält, den ein Londoner Doppeldeckerbus erzeugen würde.

Ist ein Halo notwendig?

Die Grundidee, den Fahrer vor umherfliegenden Objekten zu schützen, ist begrüssenswert. Es überwiegen für mich die positiven Faktoren, aber die Lösung ist ästhetisch nicht ansprechend und nicht die richtige für die Formel 1. Vielleicht haben sich in einem halben Jahr alle daran gewöhnt und es ist kein Thema mehr. Wenn nicht, müssen sich alle zusammensetzen, um eine bessere Lösung zu finden.

Kann Mercedes seine Dominanz fortsetzen?

Wenn Regeln stabil bleiben, liegt es in der Natur der Sache, dass sich die Leistungen angleichen. Wir haben den Motorvorsprung von 2014 sicher nicht mehr. Beim Antrieb haben die anderen Hersteller aufgeholt. Beim Chassis kann man bei gleichbleibenden Regeln immer weniger Leistung herausholen, während andere Teams einen Rückstand durch grössere Entwicklungssprünge verringern können.

Ist Lewis Hamilton weiter in der Form seines Lebens?

Er war es nach dem Sommer 2017 in der zweiten Hälfte. Schauen wir, wie er in diesem Jahr aus den Startlöchern kommt.

Wie steht es um die Fahrer ab 2019?

Bei Valtteri Bottas schauen wir, wie er sich in diesem Jahr entwickelt und werden ab Sommer entscheiden. Bei Lewis ist die Verlängerung nur eine Sache von Details. Ich gehe davon aus, dass wir gemeinsam weitermachen werden.

Für Diskussionen der Fans sorgten die geänderten Startzeiten und die Verbannung der Grid-Girls. Was hältst du davon?

Zuerst sollten wir den Formel-1-Eigentümern Respekt zollen, dass sie Dinge ändern wollen. Diese zwei Themen sind für mich aber keine Optimierung. Die Startzeiten in Europa auf 15.10 Uhr zu verlegen, ist interessant. Die eine Stunde kann vielleicht nach dem Mittag gut sein, aber die zehn Minuten stiften Verwirrung. Der Sport muss selbstbewusst genug sein, dass die Zeitpläne auch von namhaften TV-Anstalten so gestaltet werden, dass ein sinnvoller Einstieg stattfindet. Die Grid-Girls gab es in der Formel 1 immer. Sie wären mir nicht diskriminierend vorgekommen, weil die Damen adrett im Outfit von Sponsoren oder lokalbezogen wie in Österreich im Dirndl gekleidet waren. Bikini-Girls haben wir doch schon lang nicht mehr. Diese Entscheidungen wäre nicht auf meiner Prioritätenliste gestanden.

Ist die Formel 1 in gutem Zustand – oder würdest du etwas ändern?

Die Formel 1 muss sich mit der geänderten Medienlandschaft und dem veränderten Konsumverhalten der Konsumenten auseinandersetzen. Wir müssen uns unserer DNA bewusst sein, aber auch zeitgemäss aufstellen. Liberty kennt sich mit Medien sicher aus.

Beurteile bitte die Konkurrenz in Stichworten.

Ferrari machte einen Riesenschritt von 2016 auf 2017, das Auto wird auch in der kommenden Saison schnell sein, und Sebastian Vettel als Leader ist stark und selbstbewusst. Red Bull Racing hat eine tolle Fahrerkombination, mit Ricciardo einen Sunnyboy, der richtig gut fährt, dazu mit Verstappen ein Riesentalent, das polarisiert, was die Formel 1 braucht. Diese Paarung ist sicher top in der Formel 1. Das Team legte in der zweiten Hälfte 2017 eine Entwicklung wie kein anderes hin. Wenn Renault zulegt, wird das Team ein bärenstarker Gegner.

Force India? Da wird das Duell Pérez gegen Ocon unterhaltsam. Beide wollen sich für höhere Aufgaben 2019 profilieren, deshalb ist diese Saison für beide essenziell. Williams hat ein mutiges Design, da bin ich gespannt, wie es sich umsetzen lässt. Neuling Sirotkin hat wenig Erfahrung, aber sein Speed kann einiges wettmachen. Stroll muss mit 19 Jahren Teamleader im zweiten Jahr sein.

Renault wird für mich den grössten Schritt nach vorn machen, wird alle Ressourcen nützen, hat mit Hülkenberg und Sainz ambitionierte Fahrer. Toro Rosso hat auch mit Honda für mich den Franz-Tost-Faktor, der Teamchef ist ein Racer und harter Arbeiter. Da können Überraschungen gelingen. Haas-Ferrari wird schwierig einzuschätzen sein, weil 2017 der Anschluss etwas verloren wurde. McLaren-Renault hat jetzt einen Antrieb, um sich mit Red Bull Racing messen zu können. Beide beanspruchen das beste Chassis für sich, das wird spannend. Sauber mit Alfa Romeo ist mehr als ein Marketing-Gag. Sauber hat den besten Windkanal der Formel 1, mit Leclerc einen Fahrer, der als Star der Zukunft gilt und mit Vasseur einen echten Racer als Teamchef.

Wird Fernando Alonso die Doppelrolle Formel 1 und Langstrecken-WM bewältigen?

Mit Sicherheit. Er ist Vollprofi, der für den Rennsport lebt. Ob er am Wochenende Kartfahren geht oder Langstrecke fährt, ist kein grosser Unterschied. Er bewältigt das.

Kann Niki Lauda trotz Airliner-Comeback seine Formel-1-Rolle voll beibehalten?

Niki ist ein Workaholic. Der ist erst gut, wenn er ausgelastet ist. Ich bin sicher, dass er das alles stemmen wird.

Wird Mercedes bei einem neuen Reglement ohne Hybridtechnik aussteigen?

Ich bin gegen Drohungen, und es gibt mehr als nur schwarz oder weiss. Hybrid bringt Leistung und bietet mehr als ein reiner Verbrenner. Die Formel 1 stand und steht für Hi-Tech. Die Frage, wieviel Hi-Tech brauchen die Fans, muss man ehrlich diskutieren. Es wird in der Zukunft keine Formel 1 und kein leistungsstarkes Serienauto ohne Hybrid geben.

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