Bilanz der Wintertests: Mercedes schockiert Gegner

Von Mathias Brunner
​Der letzte Wintertesttag auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya endete wie im vergangen Jahr mit einer Bestzeit von Kimi Räikkönen und Ferrari. Aber was ist die wert? Wir sagen es.

Erinnern Sie sich an die Wintertests 2012? Nein? Dann helfen wir Ihrem Gedächtnis gerne auf die Sprünge – an acht Testtagen hatten acht verschiedene Piloten jeweils Bestzeit gefahren! Was damals noch keiner ahnen konnte: Die Saison sollte in ähnlichem Stil weitergehen –Button (McLaren) in Australien, Alonso (Ferrari) in Malaysia, Rosberg (Mercedes) in China, Vettel (Red Bull Racing) in Bahrain, Maldonado (Williams) in Spanien, Webber (Red Bull Racing) in Monaco, Hamilton (McLaren) in Kanada, sieben verschiedene Sieger in den ersten sieben Saisonrennen, das hatte es noch nie gegeben.

Jetzt müssen wir ganz stark sein: Das wird es 2018 nicht geben. Und für die Tifosi kommt es noch dicker: Basierend auf den Erkenntnissen von acht Tagen Testfahrten in Katalonien kann Ferrari froh wenn, wenn sie in den ersten Rennen Red Bull Racing hinter sich haben. Mercedes ist in dieser Form ausser Reichweite, selbst wenn uns klar ist: Der Albert-Park von Melbourne ist nicht der Circuit de Barcelona-Catalunya.

Normalerweise sage ich nach den Wintertests in aller Demut und zitieren dabei gerne Sokrates: «Ich weiss, dass ich nicht weiss.»

Unterschiedliche Pistenbedingungen, andere Spritlast, verschiedene aerodynamische Konfigurationen, uneinheitliche Motorkennfelder, diverse Pirelli-Mischungen – es gibt viele Faktoren, welche das wahre Kräfteverhältnis zum Zerrbild machen.

Aber für mich steht nach acht Tagen Wintertets fest: Mercedes ist stärker denn je. Lewis Hamilton und Valtteri Bottas waren meist mit der mittelharten Mischung unterwegs und abgesehen von den Mercedes-Jungs weiss nur der liebe Gott, wie viel Sprit genau jeweils im Tank herumschwappte.

Je nach Informationen im Fahrerlager ist der Vorsprung der Silberpfeile im Raum zwischen einer halben und einer vollen Sekunde anzusiedeln. Zu keinem Zeitpunkt ist Mercedes in Spanien so schnell gefahren, wie sie können. Nur so schnell, wie sie mussten, um mit einem reichen Erfahrungsschatz nach Australien zu fliegen.

Der neue Mercedes fährt wie auf Schienen um die Kurven, Bottas und Hamilton staunten selber, dass sie nicht nur Kurve 3 von Barcelona volle Kanne fahren können, sondern neuerdings auch Kurve 9. «In zehn Jahren Formel 1 zum ersten Mal», wie Lewis Hamilton verriet.

Der Mercedes reagiert willig auf Richtungswechsel, liegt wie ein Brett auf Randsteinen, erzeugt massiv Abtrieb. Valtteri Bottas: «Ich kann am Wagen bislang keine Schwäche erkennen.»

Das muss der Konkurrenz viel zu denken geben.

Für die Tagesbestzeit von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen kann sich Ferrari nichts kaufen. Vielleicht ist das Balsam auf die italienische Seele, aber spätestens bei den ersten Rennen warten wir auf den nächsten Vulkanausbruch des Ferrari-Präsidenten Sergio Marchionne. Denn Ferrari war auf der Barcelona-Bahn in den letzten Jahren immer bei der Musik. Als es dann um die Wurst ging, glänzte Silber heller – denn die Mercedes waren schneller.

Vielleicht ist nicht Mercedes ein Indikator dafür, wo Ferrari wirklich steht, und auch nicht Red Bull Racing (wir werden darauf zurückkommen), sondern – Haas. Die Ferrari-Kunden hinterliessen einen hervorragenden Eindruck. Kevin Magnussen und Romain Grosjean waren gar nicht mit der weichsten Reifenmischung unterwegs, so wie die Ferrari, reifenmischungsbereinigt lag Haas nur wenige Zehntel hinter Ferrari. Noch einmal: Wir kennen die Spritlast nicht. Aber die Gesichter bei Ferrari sprachen Bände.

Red Bull Racing verzichtete wie Mercedes auf Schauzeiten. Max Verstappen bestätigt: «Wir sind viel besser aufgestellt als vor einem Jahr. Wo uns das in Sachen Konkurrenzfähigkeit hinbringt? Da will ich erst mal Melbourne abwarten.»

Gemäss unserer Informationen kann Ferrari froh sein, wenn sie bei den ersten Rennen die RBR-Renner hinter sich lassen.

Renault hat zugelegt (davon profitiert auch das Werksteam), und Renault-Sport-Geschäftsleiter Cyril Abiteboul hat für die kommenden Monate mehr Power versprochen. Ferrari wird es mit Sorge hören.

Mercedes, Red Bull Racing, Ferrari, die Positionen der Top-Teams sind bezogen. Kein Mittelfeldrennstall hat die Lücke zu den drei erfolgreichsten Teams schliessen können, aber die besten Mittelfeldler könnten Ferrari erschreckend nahekommen.

Ich bin ehrlich überrascht davon, welch starke Leistung Haas hier in Barcelona gezeigt hat. Ich hätte eher Renault als besten Verfolger vermutet. Oder McLaren. Aber Haas hat nach einer unauffälligen ersten Testwoche zugelegt, auch in Sachen Evo-Teilen, die Dauerläufe und auch die Einsätze mit fast leerem Tank waren bewundernswert. Der US-amerikanische Renner liegt wie ein Brett auf der Strasse. Jedenfalls ruhiger als der Ferrari. Bereits kursierten im Fahrerlager Witzchen, dass Marchionne wohl bald die Haas-Renner kaufen, rot bemalen und als Ferrari laufen lassen werde. Natürlich wird das nicht passieren. Aber was die Haas-Truppe hier gezeigt hat, ringt mir grössten Respekt ab.

Renault und McLaren haben mehr Ressourcen, um Haas mittelfristig abzufangen. Besonders bei Renault sind stattliche Fortschritte zu erkennen. Nico Hülkenberg ist blendender Laune. Der Le-Mans-Sieger von 2015 erkennt, dass etwas vorwärtsgeht, und Red-Bull-Fahrer Carlos Sainz hält ihn auf den Zehenspitzen. Dreissig Minuten vor Wintertestschluss setzte der Madrilene mit 1:18,092 min ein Ausrufezeichen.

McLaren bleibt ein Sorgenkind. Dieses Mal wurde das Programm von Fernando Alonso durch einen geplatzten Turbo behindert. Dass es sich dabei um einen alten Lader gehandelt hat, ist ein kleiner Tost. Denn wie hatte Eric Boullier selber gesagt? «Wer in der Box steht, lernt über das Auto nichts.» McLaren wird im Feld vorrücken, das Potenzial dazu ist da – wie Fernandos 1:17,784 min 20 Minuten vor Testschluss unterstreichen. Das ist auch mit fast leerem Tank eine eindrucksvolle Zeit. Aber was nützt der ganze Speed, wenn die Kiste stehenbleibt? Zwischendurch tauchte Alonso sogar an der Spitze auf – nachher stellte sich heraus, der Asturier hatte abgekürzt.

Toro Rosso leistet mit Honda sehr gute Arbeit. Pierre Gasly war nur einen Hauch langsamer als die Haas-Fahrer. Der Honda-Motor hat an Leistung zugelegt und läuft bislang standfest.

Force India ist die zwei Jahre lang gehaltene Position als WM-Vierter los. Die Verantwortlichen des in Silverstone ansässigen Rennstalls haben angekündigt, dass für Australien ein Update kommt. Das ist auch dringend nötig.

Schlusslichter des Mittelfelds: Williams und Sauber. Bei den Briten drängt sich der Eindruck auf, dass der neue Rennwagen nicht verstanden wird. Sauber muss aus den letzten Jahren einen gewaltigen Rückstand wettmachen, über Nacht geht das nicht, selbst wenn Technikchef Jörg Zander und seine Kollegen ein top-modernes Auto gebaut haben.

Der Kampf im Mittelfeld wird ein echter Leckerbissen. Die Reihenfolge wird von Rennen zu Rennen variieren, abhängig von der Pistencharakteristik, den klimatischen Verhältnissen, den Reifenmischungen.

Fortsetzung am Freitag, 23. März, im ersten Training zum Grossen Preis von Australien im Albert-Park von Melbourne, Ortszeit 12.00 Uhr. Das passt – High-Noon im wahrsten Sinne des Wortes.

Und Mercedes wird am schnellsten ziehen.

Barcelona-Wintertests 2018: Alle Bestzeiten

1. Sebastian Vettel (D), Ferrari SF71H, 1:17,182 (7)* Hyperweich
2. Kimi Räikkönen (FIN), Ferrari SF71H, 1:17,221 (8) Hyperweich
3. Fernando Alonso (E), McLaren MCL33-Renault, 1:17,784 (8) Hyperweich
4. Daniel Ricciardo (AUS), Red Bull Racing RB14-TAG Heuer, 1:18,047 (6) Hyperweich
5. Carlos Sainz (E), Renault R.S.18, 1:18,092 (8) Hyperweich
6. Kevin Magnussen (DK) Haas VF-18-Ferrari, 1:18,360 (7) Superweich
7. Pierre Gasly (F), Toro Rosso STR13-Honda, 1:18,363 (7) Hyperweich
8. Lewis Hamilton (GB), Mercedes W09 EQ Power+, 1:18,400 (6) Ultraweich
9. Romain Grosjean (F), Haas VF-18-Ferrari, 1:18,412 (8) Ultraweich
10. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes W09 EQ Power+, 1:18,560 (6) Ultraweich
11. Nico Hülkenberg (D), Renault R.S.18, 1:18,675 (7) Hyperweich
12. Stoffel Vandoorne (B), McLaren MCL33-Renault, 1:18,855 (7) Hyperweich
13. Brendon Hartley (NZ), Toro Rosso STR13-Honda, 1:18,949 (8) Hyperweich
14. Esteban Ocon (F), Force India VJM11-Mercedes, 1:18,967 (8) Hyperweich
15. Charles Leclerc (MC), Sauber C37-Ferrari, 1:19,118 (8) Hyperweich
16. Sergey Sirotkin (RUS), Williams FW41-Mercedes, 1:19,189 (8) Weich
17. Marcus Ericsson (S), Sauber C37-Ferrari, 1:19,244 (7) Hyperweich
18. Robert Kubica (PL), Williams FW41-Mercedes, 1:19,629 (7)
19. Sergio Pérez (MEX), Force India VJM11-Mercedes, 1:19,634 (7) Hyperweich
20. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing RB14-TAG Heuer, 1:19,842 (7) Weich
21. Lance Stroll (CDN), Williams FW41-Mercedes, 1:19,954 (8) Weich
22. Nikita Mazepin (RU), Force India VJM11-Mercedes, 1:25,628 (1) Mittelhart
* In Klammern der Tag, an welchem die Zeit aufgestellt worden ist.
Tag 1: Montag, 26. Februar
2: Dienstag, 27. Februar
3: Mittwoch, 28 Februar
4: Donnerstag, 1. März
5: Dienstag, 6. März
6: Mittwoch, 7. März
7: Donnerstag, 8. März
8: Freitag, 9. März

Barcelona-Test, Tag 8 (Freitag)

1. Kimi Räikkönen (FIN), Ferrari SF71H, 1:17,221 (157 Runden) Hyperweich
2. Fernando Alonso (E), McLaren MCL33-Renault, 1:17,784 (93) Hyperweich
3. Carlos Sainz (E), Renault R.S.18, 1:18,092 (45) Hyperweich
4. Daniel Ricciardo (AUS), Red Bull Racing RB14-TAG Heuer, 1:18,327 (92) Superweich
5. Romain Grosjean (F), Haas VF-18-Ferrari, 1:18,412 (181) Ultraweich
6. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes W09 EQ Power, 1:18,825 (104) Mittelhart
7. Brendon Hartley (NZ), Toro Rosso STR13-Honda, 1:18,949 (156) Hyperweich
8. Esteban Ocon (F), Force India VJM11-Mercedes, 1:18,967 (163) Hyperweich
9. Charles Leclerc (MC), Sauber C37-Ferrari, 1:19,118 (75) Hyperweich
10. Sergey Sirotkin (RUS), Williams FW41-Mercedes, 1:19,189 (105) Weich
11. Lewis Hamilton (GB), Mercedes W09 EQ Power, 1:19,464 (97) Superweich
12. Lance Stroll (CDN), Williams FW41-Mercedes, 1:19,954 (27) Weich

Barcelona-Test, Tag 7 (Donnerstag)

1. Sebastian Vettel (D), Ferrari SF71H, 1:17,182 (187) Hyperweich
2. Kevin Magnussen (DK) Haas VF-18-Ferrari, 1:18,360 (152) Superweich
3. Pierre Gasly (F), Toro Rosso STR13-Honda, 1:18,363 (169) Hyperweich
4. Nico Hülkenberg (D), Renault R.S.18, 1:18,675 (79) Hyperweich
5. Carlos Sainz (E), Renault R.S.18, 1:18,725 (69) Hyperweich
6. Stoffel Vandoorne (B), McLaren MCL33-Renault, 1:18,855 (150) Hyperweich
7. Marcus Ericsson (S), Sauber C37-Ferrari, 1:19,244 (148) Hyperweich
8. Lewis Hamilton (GB), Mercedes W09 EQ Power+, 1:19,296 (84) Mittelhart
9. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes W09 EQ Power+, 1:19,532 (97) Mittelhart
8. Robert Kubica (PL), Williams FW41-Mercedes, 1:19,629 (73) Superweich
9. Sergio Pérez (MEX), Force India VJM11-Mercedes, 1:19,634 (158) Hyperweich
10. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing RB14-TAG Heuer, 1:19,842 (187) Weich
13. Lance Stroll (CDN), Williams FW41-Mercedes, 1:20,262 (66), Ultraweich

Barcelona-Test, Tag 6 (Mittwoch)

1. Daniel Ricciardo (AUS), Red Bull Racing RB14-TAG Heuer, 1:18,047 (165) Hyperweich
2. Lewis Hamilton (GB), Mercedes W09 EQ Power+, 1:18,400 (90) ultraweich
4. Sebastian Vettel (D), Ferrari SF71H, 1:19,541 (66) Weich
5. Brendon Hartley (NZ), Toro Rosso STR13-Honda, 1:19,823 (119) Hyperweich
6. Fernando Alonso (E), McLaren MCL33-Renault, 1:19,856 (57) Hyperweich
7. Carlos Sainz (E), Renault R.S.18, 1:20,042 (88) Mittelhart
8. Romain Grosjean (F), Haas VF-18-Ferrari, 1:20,237 (78) Weich
9. Kimi Räikkönen (FIN), Ferrari SF71H, 1:20,242 (49) Superweich
10. Lance Stroll (CDN), Williams FW41-Mercedes, 1:20,349 (63) Weich
11. Nico Hülkenberg (D), Renault R.S.18, 1:20,758 (102) Superweich
12. Esteban Ocon (F), Force India VJM11-Mercedes, 1:20,805 (130) Weich
13. Charles Leclerc (MC), Sauber C37-Ferrari, 1:20,918 (160) Superweich
14. Sergey Sirotkin (RUS), Williams FW41-Mercedes, 1:22,350 (80) Weich

Barcelona-Test, Tag 5 (Dienstag)

1. Sebastian Vettel (D), Ferrari SF71H, 1:20,396 (170) Mittelhart
2. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes W09 EQ Power+, 1:20,596 (86) Weich
3. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing RB14-TAG Heuer, 1:20,649 (129) Mittelhart
4. Lewis Hamilton (GB), Mercedes W09 EQ Power+, 1:20,808 (90) Weich
5. Pierre Gasly (F), Toro Rosso STR13-Honda, 1:20,973 (54) Weich
6. Kevin Magnussen (DK), Haas VF-18-Ferrari, 1:21,298 (95) Weich
7. Nico Hülkenberg (D), Renault R.S.18, 1:21,432 (48) Mittelhart
8. Carlos Sainz (E), Renault R.S.18, 1:21,455 (91) Weich
9. Sergey Sirotkin (RUS), Williams FW41-Mercedes, 1:21,588 (42) Weich
10. Sergio Pérez (MEX), Force India VJM11-Mercedes, 1:21,643 (93) Weich
11. Marcus Ericsson (S), Sauber C37-Ferrari, 1:21,706 (120) Superweich
12. Stoffel Vandoorne (B), McLaren MCL33-Renault, 1:21,946 (38) Superweich
13. Lance Stroll (CDN), Williams FW41-Mercedes, 1:22,937 (85) Hyperweich

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