KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Ex-Ferrari-Fahrer: Vorwürfe an Vettel und Räikkönen

Von Mathias Brunner
​Von 2010 bis 2016 war der in Zürich geborene Italiener Raffaele Marciello Teil der Ferrari-Fahrerakademie. Der 2018er Blancpain-GT-Meister findet harte Worte für Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen.

Es ist der Traum jedes Rennfahrers aus Italien: In den Farben des grossen Ferrari anzutreten. Auch die Tifosi sehnen sich nach einem der Ihren im roten Renner aus Maranello, denn die goldenen Stunden für italienische Formel-1-Fans liegen schmerzlich weit zurück: Die einzigen beiden Weltmeister aus Italien – Nino Farina und Alberto Ascari in den 50er Jahren, gewissermassen in der Steinzeit der Formel 1. Der letzte italienische Sieger in Monza – Ludovico Scarfiotti 1966. Der vorderhand letzte italienische GP-Sieger – Giancarlo Fisichella in Malaysia 2006. Die letzten italienischen GP-Stammpiloten am Start: Tonio Liuzzi und Jarno Trulli beim WM-Finale von Brasilien 2011. Dann folgte eine jahrelange Flaute, bis Antonio Giovinazzi Anfang 2017 zwei GP für Sauber bestritt, als Ersatz für den verletzten Pascal Wehrlein.

Dreieinhalb Jahre nach Liuzzi und Trulli machte sich ein anderer Fahrer Hoffnung auf eine GP-Karriere: Der in Zürich geborene Raffaele Marciello sass im ersten freien Training zum Malaysia-GP 2015 im Sauber von Felipe Nasr. Marciello war eine Leihgabe von Ferrari: Er sollte in Ruhe auf die mögliche Rolle des Ferrari-Werksfahrers vorbereitet werden – mehr als 20 Jahre, nachdem Nicola Larini beim Unglücks-GP von Imola 1994 der vorderhand letzte Italiener am Lenkrad eines GP-Boliden aus Maranello gewesen ist.

Raffaele hatte als Leistungsausweis den Formel-3-EM-Titel 2013 mitgebracht, 2014 wurde er in der GP2-Serie Achter, 2015 Gesamtsiebter. Aber letztlich war das zu wenig: Marciello ist Anfang 2016 aus dem Nachwuchsprogramm der «Ferrari Driver Academy» (FDA) aussortiert worden. Damit gab es auch keinen Grund für Sauber mehr, den Piloten von Partner Ferrari ins Auto zu setzen.

Raffaele Marciello resümierte: «Mit Teamchef Maurizio Arrivabene hatte ich nie ein grossartiges Verhältnis. Er befand offenbar, dass ich nicht gut genug für die Formel 1 bin, also war’s das. Sie haben sich nicht besonders für mich eingesetzt. Wenn sie es gewollt hätten, dann wäre ein Cockpit in einem Auto mit Ferrari-Motor gefunden worden. Aber so geht es nun mal. Man kann nicht allen gefallen.»

Marciello hat inzwischen im GT-Sport ein neues Zuhause gefunden. Er ist 2018 in der Blancpain-Serie vorzeitig Meister geworden. Die Formel 1 beobachtet er aufmerksam, vor allem hat ihm Freude gemacht, dass der junge Charles Leclerc bei Ferrari untergekommen ist, wie der im italienischen Portal formulapassion sagt. Marciello traut Leclerc viel zu. «Wenn Charles zu Ferrari kommt, wird er auf Anhieb in der Lage sein, Sebastian Vettel zu schlagen. Ich habe Vettel ohnehin nie auf der gleichen Stufe wie Hamilton, Alonso oder Kubica eingestuft. Bei seinen vier Titeln mit Red Bull Racing hatte er Mark Webber neben sich, keinen Champion, dazu hatte er ein überlegendes Auto. Als dann Daniel Ricciardo zu Red Bull Racing kam, hat er Vettel gleich bezwungen. Klar könnten wir sagen – der damalige RBR-Renner vom Typ RB10 passte besser zum Fahrstil von Ricciardo. Aber ich finde, ein grosser Fahrer muss seinen Stil jedem Wagen anpassen.»

«Wenn Ferrari es 2018 wieder nicht schafft, Weltmeister zu werden, dann hat Sebastian Vettel Schuld. Ein grosser Champion sollte unter Druck keine Fehler machen. Aber wie man sehen kann, hat Vettel schon ein paar Mal gelitten, als er unter Druck stand.»

Dass Vettel fast vier Jahre lang Kimi Räikkönen niederhält, lässt Marciello nicht als Argument gelten: «Als ich damals in Abu Dhabi den Ferrari F14T getestet habe, war ich gleich sieben Zehntel schneller als Kimi. Das bedeutet nicht, dass ich stärker bin als Räikkönen. Aber ich war hungrig. Vielleicht hat Kimi im Laufe der Jahre seine Motivation verloren. Alonso ist der bessere Vergleich für Räikkönen. Die Abstände waren viel grösser als heute zwischen Vettel und Kimi.»

«Wenn wir die paar Fehler von Vettel abziehen, dann finden wir schnell die 40 Punkte, die ihm heute auf Hamilton fehlen. Klar hat auch der Ferrari-Kommandostand gepatzt, aber das ist bei Mercedes ebenfalls passiert. Das letzte Wort muss immer der Fahrer haben.»

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