Vor Miami-GP: Rennstrecken, die keiner brauchte
Formel-1-CEO Chase Carey schliesst nicht aus, dass die Formel-1-WM mittelfristig aus 25 Rennen bestehen wird. Alleine in den USA wird es schon 2023 drei Saisonläufe geben – in Austin (Texas), in Miami (Florida) und in Las Vegas (Nevada). Aber ein Blick auf die GP-Historie zeigt: Gerade in Amerika hatte die Formel 1 nicht immer ein glückliches Händchen.
Las Vegas: Von wegen Glamour!
Die Glitzerwelt von Las Vegas und der Glamour der Formel 1 sind füreinander geschaffen. Aber auf dem Parkplatz des Caesar’s Palace-Hotels zu fahren, das war nun wirklich Formel-1-unwürdig. Eine andere Pistenführung war nicht möglich, weil die Casino-Besitzer sich weigerten, den legendären Strip für ein Autorennen sperren zu lassen.
Die Kurven dieser aufgeblasenen Kartstrecke waren fad, dafür wurde im Gegenuhrzeigersinn gefahren, was den Piloten so zusetzte wie die Hitze. Besonders peinlich für die Formel 1: 1981 und 1982 fiel hier sogar die WM-Entscheidung. Der besagte Parkplatz wurde 2003 überbaut. Die neuen Formel-1-Grossaktionäre von Liberty Media machen das mit dem kommenden Las-Vegas-GP besser – gefahren wird in der Nacht und unter Einbezug des weltberühmten Vegas Strip.
Phoenix: Wo laufen sie denn?
Strassenrennen oder Straussenrennen? Es gehört zur Legendenbildung um den drei Jahre lang veranstalteten Formel-1-Lauf in Phoenix, dass ein Rennen mit den lauffreudigen Grossvögeln mehr Zuschauer anlockte als im gleichen Jahr der Formel-1-WM-Lauf. Wir waren zwar nicht beim Straussenrennen, aber wir waren beim Strassen-GP, und daher wissen wir: Der Zuschaueraufmarsch zum Grand Prix war ab dem Jahre 1989 wirklich peinlich. Dazu ein völlig einfallsarmer Kurs, eine Ansammlung von 90-Grad-Kurven. Wie populär die Formel 1 damals war, zeigt meine Taxifahrt. Ich kam am Flughafen an und bat den Fahrer naiv, mich zur Rennstrecke zu bringen. Wir endeten an einer Hunderennbahn.
Nivelles: Die ungeliebte Schwester
Neben dem mächtigen Spa-Francorchamps hat jede Rennstrecke in Belgien einen schweren Stand. Nivelles, 1971 dreissig Kilometer südlich von Brüssel gebaut, war eine sichere Rennbahn, keine Frage, aber auch öde. Die Fahrer monierten, wie flach die Strecke verlaufe, dass die Runde zu kurz sei und die Kurven keine Herausforderung darstellten. 1972 und 1974 fand hier der Belgien-GP statt. Zum Glück durfte die Formel 1 später in die fabelhaften Ardennen zurückkehren.
Greater Noida: Schon beim Debüt abbruchreif
Als die Formel 1 2011 erstmals auf den «Buddh International Circuit» bei Greater Noida (ausserhalb von Neu-Delhi) ausrückte, hatte der Kurs bereits stattliche Patina, und das ist nicht als Kompliment gemeint. Die Piste war schlampig gebaut, einige Bereiche kurz nach Fertigstellung abbruchreif. Treppen führten ins Nichts, Mauern standen schräg, Türen schlossen nicht.
Drei langweilige Rennen folgten in einem Land, das andere Probleme hat als die Formel 1. Die Piste war zu weit von Neu Delhi entfernt, um Fans anzulocken. Oder wie es ein Kollege auszudrücken pflegte: «Die meisten Zuschauer sind heute als Sitze verkleidet gekommen.»
Die Inder hatten kein Geld für einen Luxus wie den GP-Sport. Die Rennpiste sollte Zentrum einer ganzen Sportstadt sein, was sich als grossspuriges Gewäsch erwies. Und dann dieser Schmutz überall! Niemand weint diesem Grand Prix auch nur eine Träne nach.
Avus: Was soll das?
Nordschleife, dann geradeaus, Südschleife, dann zurück – wir dürfen präsentieren: die Berliner Avus. Die Automobil-, Verkehrs- und Übungsstrasse war 1959 tatsächlich Schauplatz des Grossen Preises von Deutschland, aus innenpolitischen Gründen. Dann durften die Rennfahrer auf die fabelhafteste aller Rennstrecken zurückkehren, den Nürburgring.
Die Schande in Le Mans
Le Mans – zwei Worte, die für den grössten Sportwagenklassiker stehen, für viele Menschen sogar das grösste Autorennen der Welt (Fans des Indy 500 würden an dieser Stelle widersprechen). 1967 wurde auf Teilen der Le-Mans-Bahn ein Grosser Preis von Frankreich ausgetragen, leider in Form eines lächerlichen Micky-Maus-Kurses, den niemand mochte, weder Fans noch Fahrer. Es blieb bei der einen Ausgabe.
Korea International Circuit: Jetzt wird’s schmutzig
Der Grand Prix von Südkorea im Landkreis Yeongam hatte seit der Premiere im Jahre 2010 mit finanziellen Problemen zu kämpfen, das Interesse der Zuschauer liess zu wünschen übrig, an der Piste wurde noch gewerkelt, als schon das erste Training lief. Wochenlange Regenfälle hatten die Arbeit verzögert.
Ein kapitaler Misserfolg war programmiert, das war allen klar ausser den Südkoreanern. Wer nimmt vier Autostunden von der Hauptstadt Seoul in die Provinz Süd-Jeolla auf sich, um auf einer windigen Tribüne zu hocken und kein nennenswertes Rahmenprogramm geboten zu bekommen? Dass die Besucher in Stundenhotels nächtigen mussten, deren übliche Bewohnerinnen von der Stadtregierung in ganzen Busladungen ausser Reichweite gebracht worden waren, erhöhte die Attraktivität nicht. Das triste Fahrerlager wurde auch von den kichernden Grid-Girls nicht entscheidend aufgehübscht.
Nach vier Jahren wurde das Rennen in der Nähe der trostlosen Stadt Mokpo aus dem Kalender gestrichen, zur Erleichterung auch der GP-Teams. Von der einst geplanten Stadt rund um den Kurs, auf Grafiken wie eine Mischung aus Singapur und Monaco wirkend, sind nur Computer-Animationen übriggeblieben.
Wie wichtig die Formel 1 den Pistenbetreibern wirklich war, zeigte sich, als der GP-Tross 2011 zur zweiten Ausgabe zurückkam: Auf dem Siegerpodest lagen noch die Champagnerkorken der Siegerehrung 2010, und in den Kühlschränken der Rennställe Essensreste aus dem Vorjahr. Also wirklich!
TI-Circuit Aida: Grössenwahn auf japanisch
TI-was? Auf dem «Tanaka International Circuit Aida» fand 1994 und 1995 jeweils ein Pazifik-GP statt – denn das Prädikat Grosser Preis von Japan war schon vergeben (an Suzuka). Die Piste? Ein Grössenwahn des Unternehmers Hajime Tanaka in der Präfektur Okayama, so abgelegen, als solle die Rennstrecke vor der Öffentlichkeit versteckt werden. Das Pistenlayout: Zu langsam, keine Herausforderung. Nach zwei Mal war glücklicherweise Feierabend. Die Strecke wurde später in Okayama International Circuit umbenannt, auf ihr finden regelmässig Rennen zu zahlreichen japanischen Serien statt.
Valencia: Ein Fall für die Gerichte
Von 2008 bis 2012 herrschte das grosse Gähnen am Mittelmeer, mit Ausnahme ausgerechnet des letzten Rennens, das wirklich spannend war. Auf dem Hafengelände des America’s Cup erwies sich das Strassen-GP-Layout als wenig förderlich für guten Sport. Da änderte auch das Postkartenwetter nichts. Die Vorbereitung liess zu wünschen übrig: Ein Teil der Tribünen wurde so aufgebaut, dass von gewissen Sitzen die Rennstrecke gar nicht zu sehen war. Klasse! Die Stadt Valencia schlitterte mit dem Rennen in ein Finanzdebakel, das jahrelang die Gerichte beschäftigt. Die Strecke ist heute eine Bauruine, in welcher Obdachlose hausen.