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Mercedes-Motor: Turbo-Leistungsgrenze bei 1630 PS!

Von Mathias Brunner
Mercedes-Motorenchef Andy Cowell (ganz links) mit Paddy Lowe, Lewis Hamilton und Toto Wolff

Mercedes-Motorenchef Andy Cowell (ganz links) mit Paddy Lowe, Lewis Hamilton und Toto Wolff

Mercedes-Motorenchef Andy Cowell spricht über die Geheimnisse des neuen Silberpfeils und enthüllt, wie stark die neuen Motoren ohne Einschränkungen sein könnten.

Weltmeister Mercedes geht als Favorit in die neue Saison, und tüchtig Testrunden an den ersten beiden Wintertesttagen von Nico Rosberg und Lewis Hamilton haben gezeigt – der neue Silberpfeil läuft. In Jerez spricht Mercedes-Motorenchef Andy Cowell (45) über den gewaltigen Aufwand, um 2015 den WM-Titel erfolgreich zu verteidigen.

Andy, wie seid ihr in Sachen Motorenentwicklung an eure Aufgaben heran gegangen?

Die Ausgangslage war komplett anders. Vor einem Jahr waren alle Motorenhersteller damit beschäftigt, die neuen Antriebseinheiten zum Laufen zu bringen, und die Rundenzahlen am ersten Testtag waren durchs Band geringer. Auch für die Motorenabteilung ist dies eine Evolution. Nicht zu unterschätzen ist dabei, dass wir im Laufe der Saison nur noch insgesamt vier Antriebseinheiten pro Fahrer einsetzen dürfen. Zudem haben wir ein Rennen mehr, 20 und nicht mehr 19 wie 2014. Die Motoren müssen daher um 25 Prozent langlebiger sein, und dem haben wir bei der Weiterentwicklung Rechnung getragen.

Der zweite Hauptpunkt: wir hatten keine ideale Saison in Sachen Standfestigkeit. Wir wollen 2015 nicht nochmals Punkte herschenken wie vor einem Jahr. Dazu stand jedes einzelne Teil des Motors auf dem Prüfstand.

In Sachen Leistung haben wir uns im Winter nicht zurückgelehnt und gesagt: «Wir müssen nichts machen, schliesslich sind wir ja die Besten.» Wir haben jeden Bereich des Motors unter die Lupe genommen, um mehr Leistung zu finden – wir haben die Verbrennungseffizienz optimiert, wir verwenden andere Öle, um die innere Reibung zu verringern, wir haben die Kühlung verbessert, nicht nur dank anderer Hardware, sondern auch dank anderer Kühlmittel und Schmierstoffe, der V6-Motor wurde noch besser ins Auto eingepasst, dazu gehört auch, dass wir mit dem Gewicht weiter herunter gekommen sind. Alles in allem gibt es nur sehr wenige Teile, die wir von 2014 übernommen haben.

Es gibt noch immer einige Verwirrung darüber, was die Motorenhersteller nun im Laufe der Saison alles verbessern dürfen. Kannst du uns da ein wenig aufklären?

Die Vereinbarung sieht vor, dass ein Hersteller für die weitere Entwicklung des 2014er Basis-Motors 32 so genannte Wertmarken verwenden darf. Die FIA hat bestätigt, dass dieser Prozess nicht am 28. Februar abgeschlossen sein muss, wir ursprünglich vorgesehen, sondern sich übers ganze Jahr hinziehen kann.

Wie hat diese eher späte Entscheidung der FIA eure Arbeit beeinflusst?

Eigentlich gar nicht. Unser Ziel bestand immer darin, beim Saisonbeginn in Australien das bestmögliche Aggregat zu haben. Wir haben also tüchtig Gas gegeben, um alle angestrebten Verbesserungen hier in Jerez und dann in Barcelona im Test und später in Melbourne auch im Rennen zu haben. Es ist nicht so, dass wir gewisse Entwicklungen auf die lange Bank schieben. Den Motor für Australien so fertig zu haben, wie das von Beginn an gedacht war, macht es auch einfacher, die erhöhte Langlebigkeit der Triebwerke sicherzustellen und ihre Einsätze zu koordinieren.

Viele Leser verstehen nicht: Wie kann man mit nur 32 Wertmarken den halben Motor umbauen?

Die Antwort dazu gibt die komplexe Tabelle des Autoverbands FIA. Das Thema Verbrennung steht dort beispielsweise mit drei Wertmarken, aber im Rahmen der Verbrennung sind erlaubt – Modifikationen am Zylinderkopf, an den Kolben und Ventilen, an der Benzineinspritzung und an allen damit verbundenen Teilen. Das macht klar: alleine diese drei Wertmarken sind ungemein generös, was die Arbeitsmöglichkeiten betrifft. Über die Wertmarken hinaus sind auch Änderungen erlaubt, welche die Standfestigkeit angehen, weil wir ja sicherstellen müssen, dass die Motoren um 25 Prozent länger halten. Der Spielraum ist also recht gross. Die 32 Marken bedeuten, dass man so gut wie alles neu machen kann, wenn jemand das will.

Wir haben den Eindruck, die Motoren sind lauter als vor 2014 ...

Das wurde an unserem Kommandostand ausgiebig diskutiert. Wir haben keine Messungen gemacht, ob die Triebwerke wirklich lauter sind als vor 365 Tagen. Wir konzentrieren uns bei der Arbeit darauf, den Wagen schneller zu machen, nicht lauter! Vielleicht waren wir alle ein wenig zu lange weg von Formel-1-Motoren in freier Wildbahn, und der Eindruck täuscht. Aber um ehrlich zu sein, kommen mir die Aggregate selber auch lauter vor. Vielleicht wird der Ton vom Amphitheater Jerez verstärkt, der Ton kann beispielsweise in Abu Dhabi schneller verfliegen.

Läuft der neue Motor hochtouriger?

Die Drehzahl wird limitiert durch die beschränkte Benzindurchflussmenge. Und da liegen wir noch immer bei 10.500/min. Wenn du höher drehst, dann ist interne Reibung dein grösster Gegner. Dank der harten Arbeit unseres Sprit- und Schmierstoffpartners Petronas konnten wir die interne Reibung verringern. Wir haben in Sachen Hardware und Thermodynamik frische Ansätze gewählt. Wir haben als Ergebnis eine veränderte Leistungskurve, aber als gewaltig mehr Leistung würde ich das nicht bezeichnen.

Die Menschen sind fasziniert von üppigen PS-Zahlen. Wie sehr seid ihr von der angesprochenen maximalen Benzindurchflussmenge eingeschränkt?

Die maximale Leistungsausbeute dieser V6-Turbos, wenn wir 100 Prozent thermische Effizienz erreichen würden, liegt bei 1630 PS, das wäre Perfektion! Und niemand hält uns davon ab, nach Perfektion zu streben. Wie man einem solchen Ziel näher kommt – mit viel harter Arbeit, innovativen Einfällen und Zeit.

(Wem das jetzt als ein wenig gar viel erscheintt: Anfangs der 80er Jahre leisteten die Turbos schon mehr als 1300 PS. M.B.)

Renault arbeitet nur mit zwei Teams, ihr mit dem Werksteam und drei Kunden. Was ist der Vorteil, was ist der Nachteil?

Der Vorteil liegt darin, dass unsere Autos mehr Kilometer zurücklegen und wir mehr lernen können. Zumal alle Kunden die gleiche Spezifikation fahren wie das Werksteam. Wenn du mit vier Rennställen testen kannst, so bist du einfach in der Lage, erheblich mehr Daten zu sammeln. Und das ist sehr nützlich, um herauszufinden, mit welcher Motorausführung wir in Australien fahren und wie stark wir die Aggregate in den ersten Rennen belasten können. Es gibt aber auch Nachteile: wenn du in Probleme gerätst, dann musst du mehr neue Teile herstellen. Aber auch Probleme könnten von Nutzen sein: die Kunden haben schon Problembereiche aufgespürt, welche dem Werksteam verborgen gewesen waren, wir aber früher oder später vielleicht auch angetroffen hätten.

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