Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Die Formel 1 im Visier: Der Schweizer Zoel Amberg

Von Vanessa Georgoulas
Die Formel 1 ist das Ziel des Schweizer Nachwuchspiloten Zoel Amberg. Der 21-jährige Luzerner blickt auf eine erfolgreiche erste Saisonhälfte im 3.5-Liter-Renault zurück und spricht über die Kunst, schnell zu sein.
Zoel Amberg, in 11 von 17 Rennen der Formel Renault 3.5 World Series hast du acht Mal Punkte erobert. Einmal bist du als Zweiter aufs Podest gefahren und einmal hast du die schnellste Rennrunde gedreht. Das ist eine beachtliche Bilanz. Ist das deine bisher beste Formelsport-Saison?

Diese Saison ist mir tatsächlich ein grosser Schritt nach vorne gelungen. Ich kann jetzt von meinen Erfahrungen aus den Vorjahren profitieren. Die Formel Renault 3.5 ist eine komplexe Serie und beinhaltet viele Elemente, die auch in der Formel 1 entscheidend sind. Extrem wichtig sind bei uns die Boxenstrategie beim Sonntagsrennen und das Reifenmanagement.

Welches war dein bisher bestes Rennen?

Rang 2 in Moskau war schon genial. Da konnte ich beweisen, dass ich das Tempo auch an der Spitze halten kann.

Nach Rang 2 in Moskau fehlt dir noch ein Sieg. Ist das ein realistisches Ziel?

Absolut. Ich fühle mich bereit. Meine Starts waren immer sehr gut. In den Rennen konnte ich vom Tempo her mit der Spitze stets mitgehen. Auf dem Nürburgring bin ich die schnellste Rennrunde gefahren. Das möchte ich unbedingt noch mit einem Sieg krönen.

Dein Dallara-Renault ist inklusive Fahrer 692 kg schwer. Der 3,4-Liter-Saugmotor leistet 530 PS. Da ist ganz schön was los…

Das stimmt. Unsere Autos sind extrem schnell. Wir sind mit der GP2 Series auf Augenhöhe und nur wenige Sekunden langsamer als die Formel 1. Die Motoren sind für diese Saison mit einem tieferen Drehzahllimit extra noch eingebremst worden, damit wir niemandem die Show stehlen. Enorm ist auch der aerodynamische Abtrieb und die daraus resultierenden Kurvengeschwindigkeiten.

Was muss man tun, um im 3.5-Liter-Renault schnell zu sein?

Man muss bei der Fahrzeugabstimmung eine perfekte Balance finden, was wir mit den Ingenieuren des Teams in den beiden sogenannten Collective Tests erarbeiten. Dann ist es wichtig, den optimalen Luftdruck zu finden und den Rennwagen nicht zu überfahren, das heisst, nicht zu stark zu rutschen, damit die Reifen zum richtigen Zeitpunkt die richtige Haftung aufbauen und nicht vorzeitig verschlissen werden.

Ihr habt wie die Formel 1 ein DRS-System, könnt also den Heckflügel auf den Geraden flachstellen, um den Abtrieb zu reduzieren und dadurch schneller zu sein. Trotzdem ist Überholen äusserst schwierig. Warum ist das so?

Das stimmt. Unser Klappflügel-System dürfen wir einsetzen, wie es uns beliebt. Es bringt auf der Geraden rund 17 km/h mehr Tempo. Allerdings haben wir ein bestimmtes Kontingent an Sekunden pro Rennen zur Verfügung. Die wollen taktisch klug investiert sein.

Wie anstrengend ist das Fahren im 3.5-Liter-Renault?

Die Hitze ist kein Problem. Mit den Kurvengeschwindigkeiten erreichen wir teilweise über 4g. Das braucht gut trainierte Nackenmuskeln. Auch das Fahren erfordert viel Kraft. Der Bremsdruck beträgt bis zu 80 kg und auch die Lenkkräfte zerren speziell in ultraschnellen Kurven wie auf dem Circuit de Spa-Francorchamps an den Armen. Das Wichtigste ist aber das Aufrechterhalten der Konzentration. Man muss auch nach 45 Minuten noch jeden Bremspunkt und Einlenkpunkt perfekt erwischen. Das erfordert eine optimale Kondition.

Welches war deine grösste Enttäuschung in diesem Jahr?

Das Rennwochenende in Spa-Francorchamps. Auf einer meiner absoluten Lieblingsstrecken konnte ich nach viel Pech in zwei Rennen nur einige hundert Meter zurücklegen. Zuerst wurde ich in eine Kollision verwickelt, im zweiten Rennen hatte ich vor dem Start ein Bremsversagen.

Verrätst du uns deine Stärken und Schwächen?

Ich kann konstant schnelle Runden drehen und leiste mir praktisch keine Fehler. Die Starts gelingen mir fast immer optimal. Man sagt mir auch eine gute Übersicht im Startgetümmel nach. Bei Überholmanövern verhalte ich mich eher taktisch und abwartend, weil ich ungern einen Ausfall riskiere. Das könnte man auch als Schwäche auslegen, doch am Ende zählt jeder einzelne Meisterschaftspunkt.

Du hast vom spanischen Pons Team ins spanische AVF Team gewechselt, nachdem du im Winter bei einigen Top-Teams getestet hattest. Warum?

Ich hatte zwei sehr schwierige Jahre mit dem Pons Team. Leider war das Team nicht in der Lage, mir ein gut ausbalanciertes, konkurrenzfähiges Rennauto bereit zu stellen. Dies hat mich im Herbst veranlasst, Testfahrten bei zwei Top-Teams zu machen, bei denen ich immer bei den Schnellsten war. Da diese Top-Teams aber für die Rennsaison 2014 bereits besetzt waren, musste ich mich nach einem anderen guten Team umschauen. Die junge Mannschaft von Adrian Valles will gewinnen und hat auf Anhieb einen sehr positiven Eindruck auf mich gemacht. Wir verstehen uns ausgezeichnet und ziehen am selben Strang. Ich bin hoch motiviert und sehr glücklich mit meinem Team.

Zwei Monate Sommerpause – das ist fast wie in der Schule. Was macht der Rennfahrer Zoel Amberg in dieser Zeit?

Nach dem Rennen ist vor dem Rennen, egal wie lange es dauert. Natürlich gönne ich mir einige Tage Ferien, aber es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an die nächsten Rennen denke. Ich bereite mich gewissenhaft vor und arbeite intensiv weiter an meiner Fitness. Auch die mentale Vorbereitung ist wichtig. Kurz vor den Rennen werde ich auch im Simulator fahren und mit den Ingenieuren eine erste Abstimmung erarbeiten.

Ungarn, Le Castellet und Jerez stehen noch auf dem Programm. Was sind deine Ziele?

Die Konkurrenz ist extrem stark. Manchmal liegen 15 und mehr Fahrzeuge innerhalb einer einzigen Sekunde. Da ist es extrem wichtig, das Qualifying gut hinzukriegen, zumal das Überholen im Rennen  durch die Aerodynamik sehr schwierig ist. Wir sind in diesem Jahr einige Male unter Wert geschlagen worden. Daran müssen wir arbeiten. Wenn ich weiter vorne starten kann, sind weitere Podestplätze realistisch.

Auf welches Rennen freust du dich am meisten?

Auf alle. Nach Ungarn begleitet mich ein Schweizer Fernsehteam von Tele 1, das über mich und das Rennwochenende eine Reportage machen will. Le Castellet ist eine legendäre Formel 1-Strecke und in Jerez hatte ich Anfang Saison sehr ermutigende Testfahrten.

Hast du auch schon Pläne oder Kontakte für 2015?

Man macht sich immer Gedanken und versucht möglichst viele Kontakte zu pflegen. Das betrifft auch Kontakte zu Rennteams und zur Formel 1. Konkret ist aber noch nichts. Wichtiger sind jetzt primär auch weitere Highlights bei den Rennen und darauf konzentriere ich mich voll und ganz.

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