Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Schlaflos in Italien: Al Mugello non si dorme

Kolumne von Sharleena Wirsing
Al Mugello non si dorme, also Mugello schläft nicht, lauetet die Devise des Gran Premio della Italia. Das nehmen die Italiener ernst. Am Autodromo del Mugello herrscht Ausnahmezustand.

Unter großem Getöse und in bester Stimmung ziehen die MotoGP-Fans an den drei Tagen des Grand Prix in Mugello an die Rennstrecke. In der einen Hand halten die meisten die gelbe Flagge mit der Nummer 46 darauf oder haben sich in die Ducati-Farben gehüllt, in der anderen Hand baumelt die Kühltasche mit Sandwiches und einigen Dosen Bier. Schon am Morgen bevölkern tausende Fans eine der wohl schönsten Rennstrecken Europas.

Nachts wird es noch bunter. Riesige Feuerwerke erleuchten den italienischen Himmel, Motoren heulen auf, Geschrei und Sirenen sind aus allen Himmelsrichtungen zu hören. Es besteht keine Gefahr, in Morpheus Armen zu versinken.

Wie die MotoGP-Stars Valentino Rossi, Jorge Lorenzo oder Stefan Bradl in ihren Motorhomes auch nur ein Auge zumachen können, bleibt ein Rätsel, denn die Partymeile der Fans ist nur 200 Meter Luftlinie vom Paddock entfernt.

Schon Stunden vor dem Rennen der MotoGP-Klasse ist jeder Zentimeter um das Autodromo Internazionale del Mugello von Fans und ihren großen Bannern umgeben. Bereits um 7 Uhr morgens schieben sich die Autokolonnen zu riesigen Staus auf den schmalen Zufahrtsstraßen in den toskanischen Hügeln zusammen.

Valentino Rossis Chance auf den zehnten Titelgewinn und die jüngsten Erfolge von Ducati lockten allein am Rennsonntag 90.744 Zuschauer an die Rennstrecke von Mugello. Dieses Spektakel ließen sich auch Hollywood-Star Keanu Reeves (Matrix) und Ferrari-Formel 1-Teamchef Maurizio Arrivabene nicht entgehen.

Nach jedem MotoGP-Training belagerten die Fans zu hunterten den Truck hinter der Box von Altmeister Valentino Rossi. Die «Vale-Sprechgesänge» dröhnten bis in das Pressezentrum oberhalb der Boxengasse. Wenn sich der neunfache Weltmeister dann zeigte und Autogramme schrieb, brach tosender Jubel bei den Fans los.

Am Rennsonntag sah es für den italiensichen MotoGP-Helden zunächst nicht nach einem weiteren Top-3-Resultat aus, doch Rossi startete eine starke Aufholjagd, kämpfte sich nach vorne und schnappte sich noch Platz 3 bei seinem Heim-GP. Obwohl er in der WM-Tabelle nur mehr sechs Punkte Vorsprung auf Jorge Lorenzo hat, wurde Rossi in Mugello gefeiert, als wäre er bereits Weltmeister.

Tausende Fans stürmten die Strecke, als Sieger Lorenzo, Ducati-Pilot Iannone und Altmeister Rossi auf das Podest stiegen. Die Start-Ziel-Gerade wurde in ein Meer aus gelben Flaggen und gelbem Rauch verwandelt.

Bereits seit 1976 feiern die Italiener ihre WM-Stars in Mugello wie Könige. Damals gewann Barry Sheene das Rennen der 500-ccm-Klaasse mit 0,1 Sekunden Vorsprung auf Phil Read – das Rennen selbst dauerte über 62 Minuten. In jener Zeit dominierte Suzuki die Königsklasse. Bester Nicht-Suzuki-Fahrer war damals Waerum Borge Nielsen, der auf Yamaha Zehnter wurde. Die Streckenführung des Autodromo del Mugello ist seit 1976 bis auf kleine Anpassungen gleich geblieben, die offizielle Streckenlänge von 5,245 Kilometern hat sich nicht verändert. Seit 1991 fuhr die Motorrad-WM 25 mal in Folge dort.

Valentino Rossi ist in Mugello der erfolgreichste Fahrer aller Klassen. Insgesamt hat er neun Mal dort gewonnen: Jeweils ein Mal in den Klassen bis 125 ccm und 250 ccm sowie sieben Mal in Folge in der Königsklasse. Der letzte Triumph in dieser Klasse liegt jedoch im Jahr 2008 zurück.

Auch 2015 waren die Rossi-Fans in Mugello nicht zu halten, obwohl der Italiener nicht siegte. Bis spät in die Nacht wurde in den umliegenden Städten und Dörfern gefeiert. Bis 23.30 Uhr stauten sich bereits fünf Kilometer von der Strecke entfernt noch immer die Fahrzeuge der Fans sowie die Trucks und Motorhomes der Teams.

Es hat sich auch 2015 bewahrheitet: Mugello hat nicht geschlafen!

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