Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Kevin Schwantz: «Suzuki-Team hat zu spät reagiert»

Von Günther Wiesinger
Das Suzuki Ecstar-Werksteam macht in der MotoGP-WM schwere Zeiten durch. Die Analyse von Ex-500-ccm-Weltmeister Kevin Schwantz: «Es hätte nie so weit kommen dürfen.»

Suzuki hat nach den enttäuschenden Ergebnissen im vergangenen Frühjahr wurden im Ecstar-MotoGP-Team personelle Änderungen im Top-Management angeordnet. Beim Barcelona-GP übernahm Shinichi Sahara die Rolle des Projektleiters von Satoru Terada, der immer blass geblieben und kaum im Erscheinung getreten war.
Shinichi Sahara ist in der MotoGP-Szene kein Unbekannter: Er leitete das Projekt schon in den ersten zehn MotoGP-Jahren.

Sahara soll jetzt das Suzuki-MotoGP-Projekt wieder auf Erfolg trimmen. Es soll auch die Position von Technical Manager Ken Kawauchi auf dem Prüfstand stehen, der überfordert wirkt.

Aber mit raschen Erfolgen ist nicht zu rechnen.

Denn Andrea Iannone ist offenbar mit der Nr.-1-Rolle überfordert. Und Rookie Alex-Rins, 2016 Moto2-WM-Dritter, verpasste nach den ersten zwei Rennen fünf Grand Prix wegen seiner Texas-Verletzung aus dem FP3.

Wer glaubte, das Suzuki-Team sei bereits beim Barcelona-GP auf dem Tiefpunkt angekommen, sollte sich irren.

Beim Catalunya-GP landeten Andrea Iannone und Sylvain Guintoli auf den Rängen 16 und 17. Sie trafen mit 43,2 und 44,6 Sekunden Rückstand im Ziel ein.

Zuletzt beim deutschen WM-Lauf in Sachsen kam es noch dicker: Andrea Iannone stürzte, Alex Rins kam als 21. und Letzter ins Ziel – mit 61,695 sec Rückstand auf Sieger Márquez.

Sogar Neuling Red Bull KTM schnitt deutlich besser ab: 13. Pol Espargaró. 14. Bradley Smith.

Kevin Schwantz, 500-ccm-Weltmeister 1993 auf Suzuki und jetzt Botschafter für die neue GSX-R 1000 und Berater der Japaner in Motorsportfragen, fällt nach dem Sachsenring-GP ein vernichtendes Urteil über das Team, die Personalpolitik, die Mentalität – und vor allem über Andrea Iannone.

Die WM-Situation wirkt tatsächlich trostlos: Andrea Iannone (28 Punkte) und der lange verletzt gewesene Alex Rins (7 Punkte) liegen in der WM bei Halbzeit an 16. und 22. Stelle.

Dabei wollte Iannone, im Vorjahr GP-Sieger in Spielberg auf Ducati, die Performance von Maverick Viñales aus dem Vorjahr übertreffen. Der Spanier war Gesamtvierter in der WM.

Auch im zweiten Teil des Exklusiv-Interviews mit SPEEDWEEK.com nimmt Kevin Schwantz kein Blatt vor den Mund.

Kevin, an der Spitze des MotoGP-Teams hat s personelle Veränderungen stattgefunden. Wird das zu Verbesserungen der Resultate führen?

Ich glaube, das war kein Köpferollen, da ist niemand gefeuert worden. Suzuki wollte Terada mit einem neuen Projekt betrauen.

Das Projekt von Sahara mit der Entwicklung der neuen GSX-R 1000 war beendet. Deshalb wollte ihn Suzuki wieder zurück in den Rennsport bringen. Denn als er für das MotoGP-Team zuständig war, ist es ihm immerhin gelungen, das MotoGP-Team konkurrenzfähig zu halten.

Ich denke, Harada hat jetzt etwas anderes zu erledigen. Er arbeitet wieder im Büro.

Aber man sollte da nichts Hineininterpretieren nach dem Motto: Jemand hat einen großen Fehler gemacht, deshalb wird er ausgetauscht, deshalb musste ein Kopf rollen. Das ist nicht der Fall.

Für die operative Führung steht bei Suzuki Teammanager Davide Brivio im Rampenlicht. Trägt er eine Mitschuld am Versagen? Oder ist er nur eine Marionette der Japaner?

Die Probleme bei Suzuki hätten gelöst werden müssen, bevor es zu diesen Situation gekommen ist, mit der wir jetzt konfrontiert sind.
Wir halten jetzt bei WM-Halbzeit und haben wie viele Punkte? (Er lacht). Praktisch keine.

KTM und Aprilia schneiden oft sogar besser ab. 2016 lief es bei Suzuki deutlich besser.

Ja, das sind zwei neue Firmen in der Weltmeisterschaft...
Ich bin der Meinung, die Leute an der Spitze des Teams hätten vor langer Zeit spüren müssen, was sich da anbahnt.

Seit Beginn der Viertakt-MotoGP-Ära 2002 hat Suzuki nie überzeugende Leistungen gebracht. Von 2002 bis zum Ausstieg Ende 2011 wurde nur ein GP-Sieg gefeiert – durch Chris Vermeulen 2007 im Regen von Le Mans. Dann wurde für 2015 statt des V4-Motors ein neuer Reihenvierzylinder entwickelt. Aber Suzuki ist nach einem Jahr wieder in der Versenkung verschwunden. Da müssen doch die Strukturen arg zu wünschen übrig lassen. Oder nicht?

Ich hatte immer den Eindruck, im Werk in Japan werde genau so hart und unbarmherzig geschuftet wie bei allen anderen Herstellern. Klar, Suzuki hat nicht die Größe von Honda und Yamaha. Aber das hatte auch Vorteile. Suzuki konnte immer schnell reagieren, wenn das GP-Team ein neues Chassis oder eine steigere Schwinge oder sonst etwas brauchte.

Das Head Office in Japan nahm zwar immer ein bisschen Einfluss darauf, was man am GP-Motorrad nützen konnte. Man musste darauf achten, was dann auch verkauft wurde.

Wir wissen alle: Suzuki hat die Fähigkeiten und die Kapazitäten, um ein Motorrad zu bauen, das die Weltmeisterschaft gewinnen kann.
Und man stellt sich vor, mit all der GSX-R-Expertise, die verfügbar ist, sollte das früher oder später klappen.

Aber manchmal scheint die Leidenschaft und die Entschlossenheit zu fehlen, oder das Commitment. 2011 wurde das MotoGP-Team auf einen Fahrer reduziert, dann stieg man aus, das Comeback wurde im letzten Moment von 2014 auf 2015 verschoben. Dann kam der Ausstieg aus der Superbike-WM, die Rückkehr bleibt ungewiss. Deshalb fehlen langfristig erfolgreiche Strukturen – wie man sie bei Honda, Yamaha und Ducati sieht. Sogar Aprilia und KTM wirken besser aufgestellt. Fehlt da eine Persönlichkeit an der Spitze? Ein Kerl mit Durchsetzungskraft – notfalls aus Texas?

Ich fliege zum Suzuki Eight Hours Race. Ich werde die Promotion für die GSX-R fortsetzen. Ich werde mich aber bei dieser Gelegenheit auch im Head Office blicken lassen und dort alle Topmanager treffen.

Und was wirst du ihnen sagen?

Ich weiß es nicht genau. Ich bin nach dem Sachsenring heimgeflogen und habe einen Situationsbericht geschrieben. (Er lacht).

Du hast auch die Mentalität im Suzuki-Werksteam kritisiert. Die Truppe ist sich des Ernsts der Lage offenbar nicht bewusst. Der erfolgreiche Tom O’Kane, zuletzt zwei Jahre lang Crew-Chief bei Aleix Espargaró, hat jetzt keine Aufgabe mehr.

Ich glaube, wenn man Tom O’Kane zurück ins Suzuki-Team bringen könnte, wäre das eine riesiger Gewinn.

Es ist zu hören, dass er bereits mit KTM verhandelt.

KTM hat ein gutes Gespür für die guten Leute.

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