Nur in Spanien? Warum die MotoGP am Ende profitiert

Kolumne von Michael Scott
Marc Márquez lässt sich nach dem Jerez-Sieg von den Fans feiern

Marc Márquez lässt sich nach dem Jerez-Sieg von den Fans feiern

WM-Promoter Dorna, vier von 19 Grand Prix in Spanien und Seriensieger am Fließband – angefangen bei MotoGP-Champion Marc Márquez. Ist die Motorrad-WM zu spanisch?

Die Spanische Meisterschaft erreichte im November in Valencia ihren Höhepunkt. Der dominierende Nationalheld Marc Márquez zog wieder alle Aufmerksamkeit auf sich.

Ups. Sorry – das war die Weltmeisterschaft. Die spanische Nationalserie heißt nur «Junioren-Weltmeisterschaft» – und das auch nur in der Moto3.

Vergeben Sie mir die Verwirrung. Der Grand-Prix-Sport ist heutzutage einfach extrem spanisch, da vier von 19 Rennen auf spanischem Boden ausgetragen werden und ein Spanier nach dem anderen siegt. Obwohl sogar einer der 2019er-Weltmeister kein Spanier ist: Moto3-Champion Lorenzo Dalla Porta ist der erste italienische Weltmeister in der kleinsten Klasse der Motorrad-WM seit Dovizioso 2004. Und das in einer Klasse, die einst von den Italienern dominiert wurde.

Und es sind nicht nur die Fahrer: Das Management des Grand-Prix-Sports – Dorna Sports – ist eine komplett spanische Firma. Exklusiv und nepotistisch auf dem höchsten Level, wobei Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta sich nicht davor scheut, seinen eigenen Kindern Management-Positionen in der MotoGP- und in der Superbike-WM zu verschaffen.

Wenn sich das wie ein fremdenfeindliches Anti-Spanier-Gehetze anhört – bitte lesen Sie weiter. Tatsächlich ist es das Gegenteil.

Ich erinnere mich, dass ich 1987 einen Artikel mit dem Titel «Nur in Spanien» geschrieben habe, in dem ich über Ereignisse auf der neugebauten Rennstrecke in Jerez berichtet habe.

Der erste Spanien-GP in Jerez, den der spätere Weltmeister Wayne Gardner mit einem massiven Vorsprung von 20 Sekunden gewann, war köstlich... Ein Gehupe und ein heilloses Durcheinander, das in Erinnerung bleibt.

Der Stau am Sonntag war so schlimm, dass die Rennfahrer in ihren Lederanzügen über die offenen Felder rannten, um rechtzeitig zum Warm-up am Vormittag zur Strecke zu gelangen. Die Strecke am Sonntagabend zu verlassen war auch nicht einfacher.

Auch das Telefonnetzwerk war völlig überlastet – damals gab es noch keine Handys und kein Internet, also war es ein Problem für die Journalisten, die versuchen mussten, ihre Daten per Telefon oder Fax zu übermitteln.

Jerez selbst und die meisten der nahegelegenen Städtchen waren heillos überfüllt mit manischen, helmlosen Bikern, die scheinbar alle darauf aus waren, mit dem Kopf voran bei massiver Geschwindigkeit ineinander hineinzukrachen.

Und als glorreicher Abschluss versagte auch noch die Handbremse eines Polizeiautos, das deshalb in die Menge rollte und gar einige Verletzte zur Folge hatte. Ein gestiefelter und gespornter Polizist der «Guardia Civil», der die Szene beobachtete, bestieg daraufhin ein riesiges und glänzendes Pferd, wobei seine strenge Uniform von einem komischen, mittelalterlich-aussehenden, dreispitzigen Lederhut gekrönt wurde – und schenkte der ganzen Situation keinerlei Aufmerksamkeit. Wieso sollte er auch, wenn er doch so spektakulär aussah im Kontrast zum Hintergrund?

Dieser Artikel sorgte bei der wachsenden iberischen Gruppe im Fahrerlager nicht gerade für gute Stimmung mir gegenüber, aber mir gefällt der Gedanke, dass er einen kleinen, aber wichtigen Anteil an der Entwicklung hatte, die wir seither gesehen haben.

Es dauerte, beispielsweise, nicht lange, bis Jerez zum Paradebeispiel für zeitgenössische Rennstrecken wurde. Die Menschenmassen wurden größer, aber neue Straßen (dank EU-Finanzierung) und eine gut geplante Infrastruktur machten all das auf beispielhafte Art und Weise möglich. Kleine Änderungen am Streckenlayout sorgten für schnellere Rundenzeiten und besseren Rennsport.

Neue Rennstrecken folgten – Montmeló außerhalb von Barcelona und kurz darauf das Motorland Aragón. Diese GP-Austragungsorte setzten hohe Standards in allen möglichen Bereichen, inklusive Sicherheit. (Je weniger wir über Valencia sprechen, desto besser. Obwohl, um fair zu sein, die Mini-Location bietet den Zuschauern einen ähnlich spektakulären Blick wie in Supercross-Stadien.)

Die Dorna übernahm die Weltmeisterschaft rund vier Jahre nach der Geburt von Jerez und zusammen mit reichen und fokussierten spanischen Sponsoren wie Repsol und Movistar starteten sie zielorientierte Programme, um nationale Nachwuchstalente zu fördern. Diese trugen schon damals Früchte und tun es weiterhin: Spanische Talente werden wie am Fließband produziert.

Der erste 500-ccm-Sieger und spätere Weltmeister aus Spanien war 1999 Alex Crivillé, der den Weg für Pedrosa, Lorenzo, Márquez und Co. ebnete. Nicht zu vergessen sind die vielen Sieger in den kleineren Klassen.

WM-Promoter Dorna selbst war zu Beginn ziemlich fremdenfeindlich, in finanziellen Angelegenheiten knausrig, grundsätzlich engstirnig und auf zerstörerische Weise selbstschützend. Seit damals hat das Unternehmen allerdings in vielerlei Hinsicht an Selbstbewusstsein dazugewonnen.

Das zeigt sich in der Promotion und besonders in der TV-Produktion. Die Dorna überlebte sogar den Verlust der Tabak-Sponsoren und die Finanzkrise 2008. Der Promoter übernahm kraftvoll die Kontrolle der Regeln, die zuvor von ein oder zwei großen Werksteams bestimmt wurden. Dadurch erzeugten sie konkurrenzfähigeren Rennsport und zogen mehr Teilnehmer an. Das zeigen die heutigen Statistiken, mit sechs Werken in der Königsklasse und acht Rennen, in denen der Vorsprung des Siegers weniger als eine Sekunde betrug. Drei davon wurden sogar innerhalb eines Zehntels einer Sekunde entschieden.

Auf diesem Weg etablierte sich die Dorna als ein vorausschauendes Unternehmen, das sich dem Internationalismus geöffnet hat.

Das wird auch nicht von der Tatsache untergraben, dass vier Rennen in Spanien stattfinden, sondern zeigt sich stattdessen in einem erweiterten Rennkalender: 1987 gab es 15 Rennen, 2020 sehen wir erstmals 20 Grand Prix. Dazu kommt der Schritt in den boomenden Motorradmarkt Südöstasiens. Und es sollen bald noch mehr werden: 22 Rennen pro Jahr werden erwartet.

Noch wichtiger ist, dass die Programme, die junge Talente rekrutieren und fördern, auf globaler Ebene ausgeweitet worden sind, wobei der Red Bull Rookies Cup von einer asiatischen und einer britischen Serie Beistand bekommen hat. 2020 kommt der Northern Talent Cup dazu, aus den ersten beiden «Road to MotoGP»-Programmen machen unterdessen schon Rennfahrer als GP-Sieger von sich reden.

Ja, die GP-Szene ist hauptsächlich spanisch. Und am Ende einer großartigen Saison ist es schwierig zu sagen, dass all das nicht überaus positiv ist.

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