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Fabio Quartararo: Vom Zauberlehrling zum Weltmeister?

Von Günther Wiesinger
Jerez-Doppelsieger Fabio Quartararo: Erstmals mit Idol Rossi auf dem Podest

Jerez-Doppelsieger Fabio Quartararo: Erstmals mit Idol Rossi auf dem Podest

Weltmeister Marc Márquez liegt nach zwei Rennen 50 Punkte zurück, Maverick Viñales war in Jerez zweimal chancenlos: Rast Wunderknabe Fabio Quartararo schon Richtung Weltmeistertitel?

Das außergewöhnliche Talent von Fabio «El Diablo» Quartararo wurde bereits in sehr jungen Jahren offenkundig. Doch der Beginn in der Moto3-WM verlief mitunter harzig, auch in der Moto2-WM konnte er nur ein Rennen regulär gewinnen. Deshalb startete das neue Petronas-Yamaha-Team mit ihm mit geringen Erwartungen in die Saison 2019. Und manche Berichterstatter meinten, er habe sich den Aufstieg nicht redlich verdient. 

Doch dann stand Fabio schon beim vierten Rennen in Jerez auf der Pole-Position, er blamierte auf seinem Gebraucht-Fahrzeug des Jahrgangs die Werksfahrer Maverick Viñales und Valentino Rossi während der ganzen Saison regelmäßig, eroberte sechs Podestplätze – und lieferte Weltmeister Marc Márquez heftige Gefechte. Dabei durfte er seinen M1-Motor 500/min weniger hoch drehen als die beiden Stars von Yamaha, denn er sollte mit weniger Motoren auskommen als erlaubt, um Geld zu sparen.

Petronas-Yamaha-Teamprinzipal Razlan Razali sah bei den Rennen auf den Power-Strecken Brünn und Spielberg, wie Fabio auf den Abschnitten, auf denen Motorleistung gefragt war, kostbare Zeit verlor. Und da Yamaha inzwischen erkannt hatte, dass der 20-jährige Franzose mit der Nummer 20 ein kommender MotoGP-Weltmeister war, durfte er ab dem Misano-GP den Motor höher drehen. Und die Versorgung mit frischen Motoren war plötzlich kein «logistisches Problem» mehr.

Ganz klar: Inzwischen waren auch Honda, Ducati, Suzuki und KTM hinter Quartararo her, Yamaha musste ihn und seinen Manager Eric Mahé bei Laune halten. Zum Glück hatte er bei Petronas-Yamaha bereits einen Vertrag für 2021.

Quartararo wird bereits mt den größten Talenten der letzten 40 oder 50 Jahre verglichen, denn er ist wie ein Wirbelwind über die MotoGP-WM hereingebrochen. Er wirkt entspannt und reif, er ist in jeder Session vorne dabei, er stürzt fast nie, er weiß mit dem Druck umzugehen. «Mir fehlen die Worte», sagte Ex-500-ccm-GP-Pilot Simon Crafar in Jerez als motogp.com-TV-Reporter. «Fabio hat erst eine MotoGP-Saison hinter sich. Aber er hat sich in Jerez an sieben Tagen nicht den geringsten Fehler geleistet, trotz der extremen Verhältnisse.»

Dabei haben selbst Yamaha und Petronas zumindest für 2019 keine Wunderdinge vom Rookie aus Frankreich erwartet. Das Team verpflichtete vom zugesperrten  Marc VDS-Honda-MotoGP-Team den italienischen Crew-Chief Diego Gubellini. Man ging davon aus, dass er bei Petronas weiter für seinen Landsmann Morbidelli arbeiten sollte – wie bei MarcVDS.

Aber Gubellini wurde der vermeintliche Trostpreis Quartararo zugeteilt. Denn Ende 2018 trennte sich Maverick Viñales im Yamaha-Movistar-Werksteam vom verdienten Crew-Chief Ramon Forcada, der mit Jorge Lorenzo drei Titel gewonnen hatte. Forcada wurde dann vom Werk der Wechsel zu Petronas schmackhaft gemacht, indem er dort den Moto2-Ex-Weltmeister und Rossi-Schützling Morbidelli betreuen sollte.

Gubellini fügte sich ergeben in sein Schicksal – und zog am Ende mit Quartararo das große Los!

Für den entspannten Diego, der 2015 und 2016 bei Aprilia eineinhalb Jahre mit Stefan Bradl zusammenarbeitete, kommt die Performance von «El Diablo» nicht überraschend.

Am Abend nach dem Sepang-Test im Februar 2020 wirkte Gubellini zuversichtlich und zufrieden. «Fabio ist am Samstag am ersten Testtag mit der 2020er-Werks-Yamaha bald gut zurechtgekommen. Und er hat sich jetzt auch in der Rennpace gesteigert. Gegenüber dem Malaysia-GP 2019 um bis zu fünf Zehntelsekunden. Uns war deshalb schon beim Sepang-Test klar, dass Fabio in der Rennpace im zweiten Jahr klare Fortschritte gegenüber 2019 erzielt hat.»

Der holprige Start in der GP-Szene

Wenn man erforschen will, warum Fabio Quartararo nach dem zweifachen Gewinn der CEV Repsol-Moto3 Championship mit 14 und 15 Jahren in der Weltmeisterschaft 2015 und danach die hohen Ansprüche nicht erfüllte, stößt man auf mehrere Ursachen. Nach den ersten Rückschlägen in der Moto3-WM suchte Fabio nach Erklärungen und Ausreden, er fiel bei Teamchef Emilio Alzamora in Ungnade, in der Moto2 bei Sito Pons war es nicht anders.

Heute weiß man: Zauberlehrling Quartararo wurde nicht umsonst schon 2015 als «der neue Márquez» bezeichnet. Sein Vater Etienne hat beim Aufbau des Sohnes vieles richtig gemacht. So hat er zum Beispiel nicht auf die Unterstützung des französischen Verbands FFM vertraut, sondern den Junior schon mit sieben Jahren nach Spanien befördert, wo dieser alle Nachwuchsserien bestritt und dominierte. Etienne war selbst 1981 französischer 125-ccm-Meister auf Morbidelli, er verfügte über ein nützliches Basiswissen.

Doch die Erwartungshaltung war gewaltig, bei Honda und beim Estrella Galicia 0,0-Honda-Team, wo vorher Alex Rins und Alex Márquez um den Titel gekämpft hatten. Mit kaum 16 Jahren konnte Fabio diese Ansprüche nicht auf Anhieb und überall erfüllen. Als er beim Le-Mans-GP 2015 nach der Pole-Position klagte, sein Motor sei nicht so kraftvoll wie jener des Teamkollegen Jorge Navarro, fiel er bei Alzamora in Ungnade. Das Verhältnis zum Teamchef bröckelte, das machte dem Jüngling arg zu schaffen. Dazu kam ein Knöchelbruch in Misano, Fabio musste auf einige Rennen verzichten, die Saison verlief alles andere als wunschgemäß.

Trotzdem gab es immer wieder fahrerische Highlights, zum Beispiel in Assen und Indianapolis.

Vater Etienne erlag für 2016 wohl dem Lockruf des Leopard-Geldes. Fabio wurde bei Leopard-Honda-Teamkollege des überragenden Weltmeister Joan Mir.

Wer damals nach den Gründen für die nicht gerade überragende Performance des Ausnahmekönners forschte, bekam zu hören: Vater Etienne sorgt häufig für Unruhe, Fabio könne sich nicht konzentrieren, der frühe Erfolg sei ihm zu Kopf gestiegen, er ändere seine Meinung beinahe stündlich. Es war aber auch der Druck von HRC, der dem jungen Franzosen zu schaffen machte, Honda hatte große Pläne mit ihm, die jedoch im Sande verliefen.

Nach dem Reinfall mit Leopard, wo Technikchef Christian Lundberg von einem Desaster sprach, wurde Quartararo vom zweifachen 250-ccm-Weltmeister Sito Pons für die Moto2-WM 2017 unter die Fittiche genommen. Es war von einem Drei-Jahres-Vertrag für die Moto2-WM die Rede.

Doch auch bei Pons fand der Franzose nicht die gewünschte Nestwärme. Er klagte eine Weile lang, er müsse mit einem verbogenen Chassis fahren. Der sparsame Pons hatte damals nicht genug Sponsoren, seine spanischen Geldgeber bevorzugten spanische Fahrer. Auch der berühmte Crew-Chief Santi Mulero konnte nicht das maximale Können aus Fabio Quartararo herauskitzeln.

Am Saisonende trennten sich die Wege, der Drei-Jahres-Vertrag wurde aufgelöst. Speed-up-Teambesitzer und Ex-GP-Rennfahrer Luca Boscoscuro, ein bewährter Talent Scout, schenkte Fabio für 2018 das nötige Vertrauen. Hier fand er die gewünschte familiäre Atmosphäre, die ihn jetzt auch bei Petronas-Yamaha umweht und beflügelt. Der Moto2-Fahrer siegte 2018 in Catalunya, schaffte Platz 2 in Assen, bekam dann überraschend den Petronas-Yamaha-Vertrag und siegte in Motegi 2018 noch einmal. Doch dieser Sieg wurde gestrichen, weil sein Hinterreifen nach dem Rennen nicht 1,5 bar Luftdruck hatte, sondern 0,05 bar zu wenig.

Fabio hat an Reife gewonnen

2019 im ersten MotoGP-Jahr bei Petronas-Yamaha wurde deutlich: Mit 20 Jahren hatte Quartararo stark an Reife gewonnen, sein überragendes fahrerisches Talent ist sowieso nie in Frage gestellt worden. Dazu wirkt er heute freundlich, unkompliziert, für sein Alter sehr erwachsen, sehr abgeklärt.

Seit eineinhalb Jahren sorgt der Wunderknabe aus Frankreich, den sie auch «Fast Fabio» nennen und der auf der Rückseite seines Leders «Il Diablo» stehen hat, mit seiner MotoGP-Yamaha Woche für Woche für Aufsehen.

Die Behauptung mancher Besserwisser, Quartararo sei Rossi und den anderen Yamaha-Kollegen 2019 sogar mit einer 2018-Gebraucht-Yamaha um die Ohren gefahren, war jedoch falsch. «Alle vier Yamaha-Fahrer verfügen über Motorräder des Jahrgangs 2019, die Unterschiede sind sehr gering», versicherte Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis in Assen 2019 im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

Aber später stellte sich heraus: Der Franzose durfte seinen Motor um 500/min weniger drehen als das Werksteam, damit aus Kostengründen nur fünf statt sieben Motoren in der Saison verheizt werden. Erst im Oktober 2019 wurde diese Vorgabe gestrichen.

Razlan Razali, Teamprinzipal bei Petronas Yamaha und gleichzeitig CEO des Sepang Circuit, war von seinem Schützling hingerissen. «Dieser Junge ist einfach etwas Besonderes… Mit 20 Jahren und als Rookie in der MotoGP hat er uns 2019 gleich sechs Pole-Positions und sieben Podestplätze beschert», frohlockte Razali.

Der erhoffte GP-Sieg 2019 blieb zwar aus, Márquez war zu überragend. «Auf den Power-Strecken wie Brünn oder Spielberg hatte Fabio keine Chance gegen Marc. «Wir haben dann auf einen Sieg in Misano gehofft, aber knapp verloren», blickt Razali zurück.

Der Malaysier Razali ging vor zwei Jahren Ende Juni ein enormes Risiko ein, als er Fabio neben Franky Morbidelli für die M1-Yamaha verpflichtete. Viele Journalisten verstanden nicht, warum er nicht einen Routinier wie Pedrosa, Lorenzo oder Bradley Smith nahm. Aber Dani wollte keine Rennen mehr fahren, Lorenzo hatte bei HRC ein besseres Angebot, Smith hat seine Chance bei Yamaha schon vier Jahre lang gehabt – von 2013 bis 2016 beim Tech3-Team.

Übrigens: Nach dem Mugello-GP 2019, bei dem Fabio «nur» auf Platz 10 landete, entschloss sich der aktuelle WM-Leader zu einer «arm pump»-Operation. Seither hat er das Podest quasi gepachtet. Nach Platz 2 in Assen kühlte er das Handgelenk noch mit einem Eisbeutel.

Auch Fabios Crew-Chief Diego Gubellini, er war 20 Jahre bei Gresini, ist hellauf begeistert. «Mein Junge hat ein heldenhaftes Rennen abgeliefert», frohlockte der Italiener nach so manchem Podestplatz.

Beim Argentinien-GP 2019 erzählte Teammanager Wilco Zeelenberg noch: «Wir haben Fabio den ganzen Winter darauf vorbereitet, dass er sich als Rookie in der ersten Saisonhälfte mit den letzten Plätzen in diesem starken Feld abfinden muss.»

Zeelenberg, 1990 Viertelliter-GP-Sieger auf dem Nürburgring, brach als einziges Teammitglied nach dem ersten Quartararo-Sieg in Jerez nicht in Jubel aus.

Denn der langjährige Jorge-Lorenzo-Teammanager und ehemalige Riding Coach von Viñales kennt das Goethe-Zitat: Aller Anfang ist leicht, und die letzten Stufen werden am schwersten und seltensten erstiegen.

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