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Portimão: Warum HRC-Manager Alberto Puig fehlte

Von Günther Wiesinger
Alberto Puig, Teamprinzipal bei Repsol-Honda, fehlte beim aufsehenerregenden Comeback von Marc Márquez. Er ist gesundheitlich nicht auf der Höhe.

Alberto Puig, Teamprinzipal bei Repsol-Honda, fehlte am Wochenende beim Portimão-GP, ausgerechnet beim seit 265 Tagen sehnsüchtig erwarteten Comeback von Superstar Marc Márquez und beim Saisonstart des Red Bull-Rookies-Cups, den er seit Beginn der Nachwuchsserie 2007 betreut. «Alberto Puig hat das Wochenende wegen gesundheitlichen Problemen verpasst», lautete die lapidare Mitteilung der Honda Racing Corporation. Nähere Erklärungen gab es dazu nicht.

Aber Alberto Puig ist seit seinem 272-km/h-Crash beim Le-Mans-GP im Juli 1995 gesundheitlich angeschlagen. Damals wurde beim Einschlag in die Airfences am Ende der Start-Zielgeraden sein linkes Bein übel zugerichtet, es war komplett zerstört. Es wurde sogar die Möglichkeit einer Amputation in Erwägung gezogen. Puig war damals im Ducados-Honda-Team von Sito Pons mit der NSR500 WM-Dritter; er hatte ein paar Wochen vorher den Jerez-GP gewonnen.

Puig war immer hart zu sich selbst. Er setzte seine Karriere trotz der starken Beeinträchtigung fort und fuhr nachher beim Le-Castellet-GP noch einmal aufs Podest. «Dort gab es nur zwei Linkskurven, deshalb konnte ich meine Chance nutzen», berichtete er. Doch nach dem Australien-GP 1997 musste sich Puig schweren Herzens zum Rücktritt entschließen, mit 30 Jahren.

Der Spanier sprach nie gern über seine Beeinträchtigung, er hüllte das linke Bein nach dem Unfall immer in lange Hosen. Das Bein besteht sozusagen nur aus Haut und Knochen. Das bekam ich einmal bei einem gemeinsamen Mountainbike-Training beim Phillip-Island-GP aus nächster Nähe mit. Wir radelten in kurzen Hosen.

Puig: «Verrückt, mein Bein ist von einer Kuh»

Alberto Puig hat elf Jahre als Rennfahrer verbracht. Über die schwere Zeit nach dem Le-Mans-Drama sprach er selten.

Aber wenn er sich darüber unterhielt, fand er markige Worte. «Beim Sturz wurden die Nerven im Bein ruiniert, Knie und Zehen wurden zermalmt, ich verlor alle Muskeln, und der Knochen wurde infiziert», schilderte Alberto.

Einige Zeit später musste sich Puig zu einer Knochentransplantation entschliessen. Er verriet auch, dass ein Tierknochen eingesetzt worden sei. Er wusste sogar, um welchen Tier es sich handelte.

«Der Knochen stammt von einer Kuh», schilderte der Katalane. «Es ist verrückt! Ich bin zweimal operiert worden. Ich habe dann eingesehen, dass ich als Rennfahrer nicht mehr konkurrenzfähig sein konnte. Denn das linke Bein funktionierte wie ein Stock.»

Puig beschreibt das Wesen eines Rennfahrers gerne schonungslos. «Als Fahrer müssen wir uns manchmal wie Idioten benehmen. Du musst einfach fahren. Aber wenn du körperlich gehandicapt bist, bringst du keine Rundenzeit zustande. Deshalb war ich frustriert. Mein Charakter hat mir jedoch nicht erlaubt, meine Gefühle zu offenbaren. Irgendwann musste ich meine Karriere beenden. Doch für mich war immer klar: Ich werde mit dieser Welt des Wettbewerbs immer in Verbindung bleiben.»

Puig begann seine eigene Rennfahrerkarriere mit sieben Jahren. Nach deren Ende organisierte für die Dorna den Movistar-Honda-125-Cup in Spanien, in dem viele GP-Talente zum Vorschein kamen, zum Beispiel Dani Pedrosa. «In seinen Augen habe ich sofort gesehen, dass Dani sehr wissbegierig und neugierig war. Er war etwas Besonderes.»

Puig betrieb später für Pedrosa in der 125er- und 250er-WM ein Movistar-Honda-Team und wurde dessen persönlicher Manager.

Der Ex-Rennfahrer wurde auch kompetenter Berater von Dorna-CEO Carmelo Ezepleta, der ihn mit wichtigen Aufgaben im Asian Talent Cup, im European Talent Cup und im British Talent Cup betraute.

Trotz seiner körperlichen Beeinträchtigung schonte sich Alberto nie. Er halste sich immer neue Aufgaben auf. Er beerbte nach der Saison 2017 das umstrittene und selbstherrliche Duo Nakamoto & Suppo und übernahm das Kommando bei Repsol-Honda, gemeinsam mit den Japanern Naoki Hattori, Tetsushiro Kuwata, Shinichi Kokubu und Takeo Yokoyama, dem Technical Director. Seit 2019 leitet er auch noch das Honda-Superbike-Werksteam mit Bautista und Haslam.

Puig hat schon mit Dani Pedosa und vor dessen MotoGP-Laufbahn mit Casey Stoner gearbeitet, bei HRC lernte er auch noch Mac Márquez und Jorge Lorenzo (2019) kennen. «Alle Champions sind etwas Besonderes. Aber Marc ist unvergleichlich. Bei ihm spielt sich alles auf einem anderen Planeten ab», stellt Puig gern fest. «Als Rennfahrer ist dieser Kerl ein Tier. Wenn du mit ihm sprichst, merkst du sofort: Marc treibt keine Spielchen. Die Zusammenarbeit mit ihm gestaltet sich sehr einfach. Denn er hat sich nie wie ein Superstar gebärdet.»

Stoner beschrieb Alberto Puig einmal als «schroffe, kratzbürstige Person». Doch das ist eine höchst unzutreffende Beschreibung.

Stefan Bradl, von Puig nach der Saison 2017 ins neue HRC European MotoGP Test Team geholt, hat viel Respekt vor der Lebensleistung des HRC-Managers. «Alberto agiert bei den Grand Prix oft als mein Grid Boy. Das mag ich, das gibt mir viel Vertrauen. Er weiß genau, wie man einen Rennfahrer vor dem Start behandeln muss», sagt der Bayer. «Er setzt sich bei Honda immer stark für mich ein.»

Puig-Philosophie: «Kämpfe und schinde dich»

Doch Alberto Puig mutet sich selber viel zu. Und er macht seinen Schützlingen seit fast 25 Jahren klar, dass ihnen der Erfolg in diesem Sport nicht in den Schoss fallen wird. Er schärfte schon jungen Fahrern wie Pedrosa und Stoner immer wieder ein: «Der Motorradrennsport ist eine brutale Sportart.»

Die raue Behandlung durch Alberto Puig behagte nicht allen jungen Piloten.

Stefan Bradl war mit 15 Jahren Mitglied in der «Red Bull MotoGP Academy» in Barcelona, geleitet von Puig. Es herrschte militärischer Drill. Keine Besuche der Eltern, keine Mobilphone, kein Internet.

Stefan Bradl nahm nach drei Wochen wieder Reißaus. Andere Talente wie Redding, Smith, Nakagami und Folger hielten länger durch.

Die Philosophie von Alberto Puig lässt sich so beschreiben: Kämpfe und schinde dich, wenn du ein Spitzenfahrer werden willst.

Als Talentscout musste sich Alberto nach seiner Rennfahrerlaufbahn umstellen. «Ich musste meinen Charakter komplett ändern. Diese Jungs wussten gar nichts. Und während ich als Rennfahrer alle Geheimnisse für mich behalten habe, musste ich jetzt die Jungs an meinem Wissen teilhaben lassen. So bin ich in den Hintergrund treten und habe trotzdem eine großartige persönliche Befriedigung erhalten, wenn die Jungs gewonnen haben.»

Puig: «Ich habe mich immer bemüht, den jungen Talenten Seriosität, Leidenschaft und Beständigkeit zu vermitteln. Und ich habe nie nur bla-bla-bla erzählt, sondern bin mit gutem Beispiel vorangegangen.»

Puig gehört bei den Grand Prix am Morgen um 6 Uhr zu den ersten Paddock-Besuchern. Er fährt immer noch schnell Motocross, auch wenn sein linkes Bein arg in Mitleidenschaft gezogen ist. Und er scheut auch vor 170 km langen Rennradtouren nicht zurück, auch mit 54 Jahren nicht. Und es kommt nicht selten vor, dass er sich bei einem Grand Prix am Abend um 20.30 Uhr nach getaner Arbeit noch für ein paar Runden auf sein extraleichtes Cannondale schwingt.

Aber jetzt wird sich Alberto Puig eine Weile schonen müssen. Der Zustand seines linkes Beins macht den Ärzten Sorge. Es kommt bei Überbeanspruchung manchmal zu Entzündungen. In Portimão war zu hören, eventuell seien Alberto auch die beiden Corona-Impfungen nicht gut bekommen, sie sollen zu gesundheitlichen Komplikationen geführt haben.

Lieber Alberto, nimm dir die Ratschläge der Ärzte zu Herzen. Wir wünschen dir, dass du bis ans Ende aller Tage auf zwei Beinen durchs Leben gehen kannst. Spiel‘ jetzt nicht den Helden, kuriere dich aus, kümmere dich um dein Wohlergehen!

Auch Marc Márquez, den du zu recht bewunderst, hat diese Lektion gelernt.

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