Dorna: Größte Herausforderung ist die Sichtbarkeit
Dorna Sports kündigte Anfang August die «FAST-Expansion» in den USA mit dem «MotoGP Channel» an. Die Plattform wird rund um die Uhr kostenlose Programme und eine umfassende Live-Berichterstattung über die Meisterschaft (nicht die gesamte Renndauer) über einen Stream anbieten, der von den Spezialisten von C15 Studio, die auch die F1 betreuen, generiert wird. Der MotoGP Channel ist über Portale wie Prime Video, LG Channels, FireTV, FuboTV, Plex und Sling Freestream zu finden und wird durch «altmodische» Fernsehwerbung finanziert. Zusammen mit dem FOX-TV-Vertrag und Dornas eigenem VideoPass-Abonnementpaket auf MotoGP.com ist er ein wichtiger Impuls für die Verbreitung des Sports in Nordamerika.
«Sich mit der Fernbedienung zurückzulehnen und zu überlegen, was man heute schauen möchte, kommt heutzutage kaum noch vor», meinte Dan Rossomondo, Chief Commercial Officer bei Dorna Sports, im exklusiven Gespräch mit SPEEDWEEK.com-Autor Adam Wheeler. «Man muss also seine Inhalte den Menschen an all diesen verschiedenen Orten präsentieren, und genau das versuchen wir zu tun.»
«Ich denke, die größte Herausforderung, vor der wir stehen – aber das könnte für alle Sportveranstaltungen weltweit gelten –, ist die Sichtbarkeit. Wie finden die Menschen zu Ihrem Sport?», fügte der Amerikaner hinzu. «Die Konsumgewohnheiten, insbesondere von jungen Menschen, haben sich so schnell verändert, dass man in Bezug auf die Verbreitung seines Produkts ständig innovativ sein muss, und genau das tun wir damit. FAST-Kanäle (Free ad-supported streaming television) sind das Neueste. Und das führt uns zurück zur Welt des werbefinanzierten Fernsehens, das ja schon so alt ist wie die Welt selbst.»
Fans, Zuschauer oder Neugierige, die sich für MotoGP interessieren, müssen nur den Kanal herunterladen, um sofortigen Zugriff zu erhalten. Eine der Haupteinnahmequellen von Dorna sind die lukrativen Verträge mit Fernsehsendern wie TNT Sport, Sky Sports Italia und Deutschland, Canal +, DAZN, Ziggo und anderen. Diese (und andere) Vereinbarungen machen fast 50 Prozent der Einnahmen der MotoGP aus (das entspricht mehr als 200 Millionen Euro im Jahr 2024) und bilden die Grundlage für die Vergütung, die den Teams für die Teilnahme an der Serie gezahlt wird. Wie passt FAST in diese Struktur? Insbesondere in den USA, wo die MotoGP bereits auf FOX Sports zu sehen ist, dem Sender der NFL, MLB und NASCAR.
«Es ergänzt alles andere, was wir tun», erklärte Rossomondo. «Wenn man sich die Produktpalette ansieht, ist FOX offensichtlich der Massenvertrieb, der sowohl das Sprint- als auch das Hauptrennen der MotoGP exklusiv überträgt. VideoPass ist für die wirklich eingefleischten Fans, die jede Session, historische Rennen, Trainingsläufe, dies und das sehen wollen, sich wirklich damit beschäftigen wollen, die Zeiten wissen wollen. Mit dem FAST-Kanal wollen wir dann versuchen, ein neues Publikum zu finden, das wirklich viele Inhalte auf diese Weise konsumiert. Es ist ein Experiment, ein fundiertes Experiment, denn wir sehen, dass die Menschen die Art und Weise, wie sie Inhalte konsumieren, verändern.»
Dorna hat sich mit dieser Art der Zusammenarbeit Zeit gelassen, und die Verbindung mit C15 war dabei entscheidend. «Es hat lange gedauert, weil die Frage, wie sich das in unsere Medienlandschaft einfügen würde, für uns von zentraler Bedeutung war», gab Rossomondo zu. «C15 wurde uns wärmstens empfohlen. Wir hatten einige wirklich gute Gespräche. Sie haben hervorragende Beziehungen auf der Vertriebsseite und sind sehr kompetent in diesem Bereich. In dieser Hinsicht war es also eine gute Entscheidung.»
FAST-Kanäle erfreuen sich wachsender Beliebtheit (laut Gracenote-Videodaten gibt es mittlerweile fast 2000, davon über 1300 allein in den USA). Die MotoGP hat sich diesem Trend angeschlossen, aber es ist schwer vorherzusagen, wie die Meisterschaft neue Zuschauer erreichen kann. «Ich würde sagen, dass wir in einer großartigen Ära der Auswahl leben, in der die Verbraucher Inhalte zur Verfügung haben und diese nach ihren Wünschen anpassen können», sagte Rossomondo. «Wenn sie über einen Breitbandanschluss verfügen, probieren die Menschen verschiedene Angebote aus, aber das kann auch sehr verwirrend sein. Das alte, bestehende Bündel amerikanischer Medien zerfällt zwar nicht, aber es verändert sich sehr schnell. Prime Video, Paramount Plus, Netflix, Hulu, ESPN und Fox bringen gerade ihre eigenen Produkte auf den Markt. Alles verändert sich. Auch wenn die Verbraucher unbegrenzte Auswahl und Flexibilität haben, müssen wir es ihnen leicht machen.»
Könnte der MotoGP-Kanal auch in anderen Regionen funktionieren? Angesichts der Exklusivität der Verträge und der Rechte an den Aufnahmen ist das eine knifflige Frage. «Ich denke, die Vereinigten Staaten sind komplizierter als andere Märkte. Das europäische Fernsehen hat dieses Bezahlmodell viel schneller eingeführt als die USA. Daher weiß ich nicht, ob FAST-Kanäle weltweit Anwendung finden werden.»
«Das meistgenutzte Medienunternehmen im Fernsehen in den Vereinigten Staaten ist YouTube», fuhr er fort. «Das gibt dir einen Eindruck davon, wie sich die Konsumgewohnheiten der Menschen verändert haben. Wenn meine Söhne den Fernseher einschalten, ist ihre Startseite YouTube. Dort schauen sie also zuerst hin.»
Der YouTube-Kanal der MotoGP hat fast sieben Millionen Abonnenten. Die Inhalte sind vielfältig, wobei Videos mit den Höhepunkten der Rennen mit Abstand die meisten Aufrufe erzielen. Besucher können auch Clips mit Einblicken hinter die Kulissen, historische Beiträge und vieles mehr sehen. Die MotoGP hat mehr als die Hälfte der F1-Fangemeinde, stellt aber andere Serien wie NASCAR, Indycar, MXGP und Supercross leicht in den Schatten. Vielleicht muss die Dorna noch mehr tun, um YouTube-Süchtigen zu helfen, die MotoGP zu entdecken. «Wir haben dort ein gutes Abonnentennetzwerk. Wir stellen dort auch Inhalte ein», entgegnete Rossomondo. «Es mag der ursprüngliche FAST-Kanal sein ... aber er ist global und hat auch seine Vor- und Nachteile. Ich weiß also nicht, ob dies auch für andere Märkte gilt, aber wie du weisst, sind die USA für uns ein wirklich wichtiger Markt, in dem wir versuchen müssen zu wachsen.»
Die internationale Ausrichtung der Serie kann zu Unstimmigkeiten hinsichtlich der kommerziellen Interessen führen. Das erschwert den Abschluss von Pauschalverträgen und die Preisgestaltung: Die MotoGP ist in einigen Regionen sehr beliebt, in anderen hingegen kaum bekannt. Die aktuellen Medienrechte-Einnahmen konzentrieren sich auf Europa und machen 83 Prozent der Einnahmen aus. Dorna hat ein großes Patchwork-Geschäft zu verwalten. Rossomondo: «Wir sind in der glücklichen Lage, diesen Sport in die ganze Welt tragen zu können, aber wir müssen in diesen Märkten relevant sein. Wir müssen Vertriebsvereinbarungen mit den richtigen Partnern in diesen Märkten abschließen. Es ist nicht wie bei der EPL [English Premier League]. Die können sich über ihren Vertrag mit Sky wirklich freuen und verdienen natürlich auch mit ihren weltweiten Rechten anderswo viel Geld. Aber sie sind eine nationale Liga und ihr nationaler Vertrag ist der größte, den sie haben. Wir sind keine nationale Liga.»
«Wir müssen überall relevant sein», sagte Rossomondo. «Ich würde sagen, globale Partnerschaften sind großartig, aber wir müssen auch weiterhin experimentieren und den besten Weg finden, damit die Menschen unseren Sport und die Geschichten, die wir erzählen wollen, sehen können. Das ist meiner Meinung nach das Wichtigste. Wir haben 22 Rennen pro Jahr, 44, wenn man die Sprints mitzählt. Wenn man dann noch Moto3 und Moto2 hinzuzählt, sind es weitere 44. Das sind also 88: Das klingt nach viel, aber es gibt noch weitere 280 Tage im Jahr, an denen wir relevant sein müssen. Wir müssen also bessere Geschichten erzählen, und ich denke, die Verbraucher wollen, dass wir auf Plattformen wie YouTube präsent sind, damit sie mehr über die Fahrer erfahren können und wir die Helmvisiere hochklappen und die Geschichten dieser Jungs erzählen können.»
Liberty Media ist seit zwei Monaten offizieller Eigentümer von Dorna Sports. Die bisherigen Änderungen in der Werbestrategie der F1 trugen teilweise zum Boom dieses Sports in den USA bei. Die Fernsehrechte stiegen in weniger als fünf Jahren von 5 Millionen Dollar auf über 80 Millionen Dollar, und Apple TV soll angeblich einen Vertrag über 150 Millionen Dollar in Betracht ziehen. Die weltweiten TV-Einnahmen der Formel 1 sind explodiert: Von 2017 bis 2024 haben sie sich von 600 Millionen Dollar auf 1,1 Milliarden Dollar fast verdoppelt, und die Gesamteinnahmen der F1-Gruppe werden 2024 fast 3,5 Milliarden Dollar erreichen.
«Wir haben einen Anstieg aller möglichen Interessen festgestellt, überall», verriet Rossomondo über die neue Ära. «Manches davon ist weit hergeholt, manches ist unrealistisch, aber anderes ist real. Das müssen wir umsetzen. Ob es sich nun um Sponsoring oder Investitionen handelt, was auch immer es sein mag.»
«Ich denke, wir sind auf einem wirklich guten Weg. Wir haben in Marketing investiert. Wir haben in die Einstellung einiger wirklich wichtiger Mitarbeiter investiert. Wir haben in die Marke, die Identität und die Forschung investiert. Jetzt müssen wir weiterhin in das Storytelling investieren. Und ich denke, Liberty wird uns dabei helfen.»