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Katar: Hier gehen die Uhren anders

Kolumne von Günther Wiesinger
Jorge Lorenzo: Ein Ritter der Finsternis

Jorge Lorenzo: Ein Ritter der Finsternis

Vor zehn Jahren wurden die MotoGP-Fahrer erstmals in die Wüste geschickt. Und dieser WM-Lauf hat nichts von seinem Reiz verkoren.

Die Rückkehr in Katars Hauptstadt Doha birgt jedes Jahr ihre Reize. Es gibt kein Land auf der Welt mit einer annähernd ähnlichen Dicht von Baukränen pro Quadratkilometer. Eine Satellitenstadt wie Lusail City (2 km vom Circuit) mit bis zu 200.000 Einwohnern wird in gut einem Jahr in den Sand gesetzt. Die insgesamt sechsspurige Avenue am Meer entlang heiss «Al Corniche», sie wird gesäumt von ein paar monumentalen Gebäuden. Gegen das katarische Regierungsgebäude sieht das White House wie eine beliebige Bruchbude aus.

Vor zwei Jahren habe ich hier mal in einer Tageszeitung «Gulf Times» einen zweiseitigen Bericht über alle geplanten Bauarbeiten in Doha gelesen. So viele Eisenbahntrassen, Flughafen-Terminals, neue Stadtviertel, Gaspipelines, Autobahnen, 5-Sterne-Hotels, Banken, Fussballstadien (WM 2022!) und sonstige Projekt werden selbst in Deutschland nicht in so kurzer Zeit geplant und verwirklicht.

Im Mittleren Osten sprudeln Gas und Erdöl, deshalb gehen hier die Uhren anders. Man sieht kein Scherbenviertel, kein einziges altes Gebäude, selbst fünf, sechs Jahre alte Hotels werden abgerissen und mit zwei zusätzlichen Sternen neu gebaut. Ein Ibis oder Novotel findet sich in ganz Katar nicht. Die Teams wohnen in Hotels wie Ritz Carlton, Grand Hyatt und Intercontinental; wegen des riesigen Hotelangebots gibt’s überall Dumpingpreise. So kann sich sogar das Ducati-Team ein paar Tage im Ritz leisten...  Diese drei Hotels lagen vor sieben Jahren 15 km ausserhalb von Doha. Jetzt befinden sie sich an der Stadtgrenze.

Doha ist einzigartig.

Das erste Verkehrsschild, das mir am Donnerstag bei der Fahrt vom Airport im Leihwagen Richtung Hotel ins Auge sprang, hiess «Al Diwan».

Die Kreisverkehre sind alle dreispurig, es herrscht Anarchie. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendjemand in Doha eine Führerscheinprüfung ablegen muss. Wer im Kreisverkehr die erste Ausfahrt nehmen will, reiht sich hier vornehmlich in der mittleren oder ganz linken Spur ein – und bricht dann einfach ohne Rücksicht auf Verluste im 90-Gad-Winkel ohne Blinker nach rechts aus. Die mittlere Spur hat ihre Vorteile: Man kann nur von einem Auto pro Kreisverkehr gerammt werden.

Ans Energiersparen denkt keiner
Begriffe wie Hybridmotor, Zylinderabschaltung oder Start-und-Stopp-Mechanismen sind hier so überflüssig wie ein Sandkasten in der Wüste. Der Liter Sprit kostet rund 30 Euro-Cent. An der Corniche herrscht ein Tempolimit von 80 km/h. Jeder fährt 120. Ein paar Kilometer weiter dürfen im Stadtgebiet 100 km/h gefahren werden, jede Fahrbahn hat vier Spuren. Wolkenkratzer so weit das Auge reicht.

Gestern nacht kutschierte ich um 01.30 Uhr mit dem Wagen vom Circuit Richtung Hotel, ordnungsgemäss mit 120. Plötzlich überholten mich ein paar Scheichs mit ihren fünf oder sechs Achtzylinder-SUV mit 200.

Energiesparen? Ein Fremdwort im Mittleren Osten. Das Training war gestern um 22.35 Uhr Ortszeit vorbei. Ich bezweifele, dass seither eine der 3600 Lichtquellen abgeschaltet wurde. Die Lichtstärke würde ausreichen, um einen Boulevard von Doha bis Moskau taghell auszuleuchten.

Auf der Corniche erblickt man auf jeder zweiten Palme ein Poster für Weltmeister Jorge Lorenzo, das auf den Motorrad-GP hinweist. Trotzdem werden am Sonntag keine 2000 Zuschauer erscheinen. Deshalb wurden ausser vis-a-vis von Sart/Ziel auch gar keine Tribünen errichtet.

Der Losail International Circuit ist beispiellos. Er ist so flach wie ein Brett. «Ich schätze den gesamten Höhenunterschied auf 2,5 Zentimeter», überlegt Bradl. Von Mugello, Brünn, Laguna Seca und Sachsenring sind die Piloten anderes gewöhnt. Auch Texas wird in zwei Wochen viel Auf und Ab bieten.

Der Deal mit Osama Bin Laden
Zum zehnten Mal wird jetzt der Katar-GP ausgetragen, zum sechsten Mal als Nachtrennen. Nasser Khalifa al-Attiyah, Präsident des katarischen Verbands QMMF und Circuit-Manger, spricht von einem grossen Erfolg. «Jedes Jahr die besten Fahrer der Welt hier in Doha zu sehen, ist ein sehr emotioneller Augenblick für uns», erklärte er bei einem Empfang am Mittwochabend im Hotel St. Regis. Die neun in der MotoGP-WM vertretenen GP-Weltmeister (Rossi, Lorenzo, Bautista, Pedrosa, Bradl, Márquez, Aoyama, Dovizioso und Hayden) überreichten al-Attiyah einen signierten Sturzhelm.

Selbst in der schlimmsten Zeit des Al-Qaida-Terrors unter Osama Bin Laden galt Katar als Ort des himmlischen Friedens. Hier ging noch nie eine Bombe hoch. Das Scheichtum hat mit Bin Laden einen Tauschhandel gemacht: Er durfte seinen Belangsender Al Jazeera  in Doha stationieren, dafür verpflichtete er sich, Katar mit seinen grausamen Aktionen zu verschonen. Auch sonst herrscht in Katar keine Unruhe. Der Arabische Frühling ist an diesem Land spurlos vorübergegangen; die Bevölkerung wirkt zufrieden.

Da könnten sich die Befehlshaber von Bahrain ein Beispiel nehmen. Dort musste der Formel-1-GP wegen Unruhen schon einmal abgesagt werden.

Das MotoGP-Rennen in Katar stand allerdings auch schon einmal vor der Absage. 2009 setzte ein sintflutartiger Regen die Piste unter Wasser. Und Bridgestone hatte verständlicherweise gar keine Regenreifen mitgebracht. Da Ostersonntag war, wurde das Rennen schliesslich am Ostermontag nachgeholt.

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