MotoGP-Erfolge: Was hat Glück damit zu tun?

Kolumne von Michael Scott
Ist eine lange Zeit der Dominanz, wie wir sie bei Valentino Rossi erlebten, nur durch viel Glück möglich oder ist jeder Fahrer zumindest seines eigenen Unglückes Schmied?

Eine andere Woche, ein anderer Sieg. Es wird schwerer für den Wunderknaben aus Katalonien, denn er muss neuerdings für seine Siege arbeiten. Trotzdem konnte bisher keiner Márquez den Gnadenlosen stoppen. Mittlerweile sind es sieben in Folge und es ist kein Ende in Sicht.

Es ist noch etwas zu früh dafür, den Titel als bereits gewonnen anzusehen, aber wer würde dagegen wetten? Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass Márquez den Sack bereits vor dem Australien-GP, dem 16. von 18 Rennen Mitte Oktober, zumachen wird. Dann wäre er der jüngste und zweitjüngste Weltmeister in der Geschichte der Königsklasse, denn er wäre dann noch immer jünger als der ehemalige Rekordhalter Freddie Spencer bei seinem Titelgewinn.

Doch die Saison ist erst sieben Rennen, also ein Drittel, alt. Es kann sich noch viel ändern. Ein kleiner Sturz könnte eine unverhältnismäßige Verletzung verursachen. So ist es eben. Alles eine Frage des Glücks. Oder ist es das nicht? Es beliebtes Sprichwort, das im Rennsport wenig Sinn macht, lautet: Jeder ist seines Glückes Schmied. Trotzdem steckt ein bisschen Wahrheit darin.

Es gibt Jungs für die alles falsch zu laufen scheint, egal wie gut ihr Bike oder wie groß ihr Talent ist. Sie haben eine hohe Ausfallrate, werden in Unfälle anderer Fahrer verwickelt, lesen Boxenschilder falsch oder ihnen geht in der letzten Runde der Treibstoff aus. Andere kommen, um ein neues Sprichwort zu erfinden, mit Mord davon.

Mein Lieblingsbeispiel ist Rossi. In den Jahren seiner ständigen Erfolge schien das Schicksal stets auf seiner Seite zu stehen. Das beste Beispiel hierfür bot sich in Brünn, als eine Wespen-Plage während des Rennwochenendes für Aufregung sorgte. Unzählige Fahrer wurden gestochen. Mindestens einer stürzte durch einen Wespenstich in seinem Stiefel. Loris Capirossi wurde laut Dr. Costa nur knapp vor einem lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock gerettet.

Rossi absolvierte die Trainingssitzungen ohne einen Stich. Während er das Rennen anführte, gelangte eine Wespe in seinen Helm. Fies. Man muss sich nur einen Stich in das Augenlid vorstellen oder einen wütenden Arthropoden, der sich zwischen Helmfutter und Haaransatz verfängt. Rossi öffnete also sein Visier... und die Wespe flog weg. Ich schrieb damals: Sogar die Insekten sind auf seiner Seite.

Valentinos Glück wendete sich, als er 2010 in Mugello stürzte und sich sein Bein brach. Seit dieser ersten großen Verletzung, konnte er nur zwei Siege zu seinen insgesamt 80 MotoGP-Triumphen hinzufügen. Es folgten zwei entmutigende Jahre bei Ducati, nachdem er lieber Yamaha verließ, als weiterhin eine Box mit Erzfeind Jorge Lorenzo zu teilen.

Dieser Schritt war ganz und gar seine eigene Entscheidung. Daher ist man sicherlich seines eigenen Unglückes Schmied. Es brauchte mehr als ein Jahr harter Arbeit plus die Trennung von Crewchief-Legende Jerry Burgess, um wieder annähernd an seine alte Form heranzukommen. Zur Freude der Fans beendete Rossi den Barcelona-GP direkt hinter Márquez, aber er war nicht in der Position, ihm gefährlich zu werden. Fakt ist, dass er nur durch den Fehler des dauerhaft vom Pech verfolgten Dani Pedrosa auf Rang 2 rückte.

Es ist zu beobachten, das Márquez sein Glück auf ähnliche Weise erreichte wie Rossi und seine Vorgänger: durch viel harte Arbeite, die in den ganzheitlichen Anspruch an jeden einzelnen Aspekt des Rennsports eingebettet ist. Ein Beispiel hierfür ist seine Herangehensweise an das Qualifying. Die Fahrer haben nur 15 Minuten und normalerweise fahren sie zwei Turns. Der Pilot steigt auf sein Nummer-1-Bike, um Verwirrung durch verschiedene Abstimmung oder ein anderes Gefühl mit dem Chassis zu vermeiden.

Márquez hat für sich einen anderen Weg gefunden. Bei zwei Rennen in diesem Jahr fuhr er drei Turns und wechselte zwischen den Maschinen, um sich mehr Chancen zu eröffnen. In Barcelona lief es schlecht, denn er stürzte bei seinem dritten Run und verpasste die achte Pole in Folge. Doch seine Herangehensweise bleibt originell.

Dasselbe gilt für den Maschinenwechsel während eines Rennens, was eine seltene, aber wichtige Möglichkeit darstellt. Da Márquez mit seiner zeitsparenden Pirouette auf einem Bein, die er 2013 in Australien einführte, noch nicht völlig zufrieden ist, versucht er sie weiter zu verfeinern. Nun berühren seine Füße nicht einmal mehr den Boden, denn er stellt die Bikes direkt nebeneinander ab und spring direkt von einem auf das andere. Damit spart er wieder einige Hundertstelsekunden. Ein weiteres kleines Detail, mit dem er experimentierte und es übte.

Das betrifft auch seinen Fahrstil. Er kann Start-Ziel-Siege, Verfolgungs- und Überfall-Triumphe einfahren und ernste Siegeskämpfe für sich entscheiden. In Barcelona hat er bewiesen, dass er auch taktisch fahren kann, wenn der direkte Kampf nicht den Sieg garantiert. Einige bewerteten die Art, wie Márquez Pedrosas Waffen stumpf werden ließ, als sportliches Foul. Er änderte seine Linie in den Kurven und parkte seine Honda immer auf der Linie seines Gegners. Andere applaudierten seiner riskanten, aber erfolgreichen Renntaktik.

Doch Márquez ist nicht der einzige sorgfältige Fahrer. Niemand ist gewissenhafter als Jorge Lorenzo. Márquez fügt seiner Umsicht jedoch wahre Originalität hinzu. Es ist also kein Wunder, dass Jorge verblüfft ist. Und es ist kein Wunder, dass das Glück auf Márquez‘ Seite steht.

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