LCR: Birchall-Brüder als Nachfolger!

Von Waldemar Da Rin
Wie kommt ein erfolgreicher Autorennfahrer und Konstrukteur auf die Idee, ein Gespann zu bauen? Ganz einfach: durch puren Zufall.

Der Rheintaler Louis Christen (67) hatte 1975 bei einem Super-V-Rennen in Silverstone einen üblen Rennunfall, den er zwar mehr oder weniger unverletzt überstand, aber sein Eigenbau wurde nach mehrmaligem Überschlag arg demoliert. Die Reparatur hätte Christen eine Menge Geld, zuviel Geld gekostet.

Doch der Zufall wollte es so, dass im gleichen Jahr ein gewisser Bruno Holzer im Betrieb in Rheineck im St.Galler Rheintal auftauchte. Bruno Holzer wurde vier Jahre später mit Charly Meierhans in der Klasse B2B Weltmeister.

Aber lassen wir doch Louis Christen erzählen. «Ich bin bis 1975 Autorennen gefahren. Die Serie Super V wurde von VW stark unterstützt. Es war eine relativ kostengünstige Rennserie und für mich sogar sehr erfolgreich, aber die dadurch erhofften Sponsoren blieben trotzdem aus. Nach dem schweren Crash in Silverstone, war mir klar, dass es sehr teuer geworden wäre, meinen Eigenbau wieder aufzubauen. Dann kam Bruno Holzer auf mich zu und fragte, ob ich für ihn ein Gespann bauen würde. Ich hörte, dass ein gewisser Rolf Biland mit einem Seymaz einen Grand Prix gewann. Erich Vuagnat baute diese Monocoque-Seitenwagen. Ich kannte ihn persönlich, er fuhr mit seinem Eigenbau in der gleichen Serie, kam aber meistens hinter mir ins Ziel.» [lacht]

«Da dachte ich mir, was der kann, kann ich auch, und habe zugesagt, diesen Seitenwagen zu bauen, obwohl ich nicht wusste, wie so ein Ding überhaupt aussah. Wir gingen dann zusammen in eine Ausstellung, haben uns diese Seymaz angeschaut und versuchten dabei, nicht zu offensichtlich als Spione aufzufallen.»

Mit dem ersten LCR Eigenbau machten sie sich dann im Mai 1976 auf den Weg nach Rouen im Norden Frankreichs zu einem Interrennen. Auf dem Weg dorthin hielten sie kurz in Dijon, um das Fahrzeug zu testen. In Rouen gewannen Holzer/Meierhans dann auf Anhieb beide Rennen!

«Ich war noch nie bei einem Motorradrennen, habe niemanden gekannt und plötzlich standen da alle Leute um mich herum und fragten, was das kostet und ob man das überhaupt kaufen kann», erinnert sich Louis gerne an diese Zeit zurück.

Nach fast 40 Jahren als Hersteller von Seitenwagen, inklusive des Krauser-Domino-Strassengespann, ist Louis Christen auf der Suche nach einem Nachfolger fündig geworden.

LCR hat in all den Jahren gut 500 Gespanne gebaut. Davon werden etwa 300 weltweit weiterhin in verschiedenen nationalen Rennen eingesetzt. Zudem ist Stefan Dörflinger mit einem LCR-Chassis zweimal Weltmeister in der 80-ccm-Klasse geworden.

«Wenn man auf die 60 zugeht, fragt man sich schon langsam, wie es weiter gehen soll. Ich habe mir das schon seit längerer Zeit überlegt. Dazu kommt, dass der starke Schweizer Franken auch in meinem Metier zum Problem wurde. So stand die Frage im Raum: Soll man die Produktion ins Ausland verlegen? Wenn man davon leben muss, wird es letztendlich zu einer Existenzfrage. Ich habe mich mit den Gebrüdern Birchall ganz konkret darüber unterhalten. Es hat sich eine gute Lösung ergeben. Auch meine bisherigen Mitarbeiter waren zu dem Zeitpunkt in einem Alter, wo sie sich entscheiden mussten, wie es mit ihnen weitergehen soll. Sie haben in der Zwischenzeit andere Jobs gefunden. Die Birchalls kennen mein Produkt schon seit Jahren, sie sind damit Weltmeister geworden, hatten viel Erfolg aber auch Unfälle. Deshalb waren sie auch oft bei mir und dabei habe ich gesehen, dass sie die Fähigkeiten besitzen, so ein Produkt herzustellen oder auch ein Problem zu lösen.»

Du hast schon mehrmals betont, dass wenn man selber Rennen fährt und so ein Fahrzeug lenkt, man eher beurteilen kann, wie sich das Fahrzeug verhält und auf Veränderungen reagiert, wie früher, als du selber Autorennen gefahren bist.

«Das stimmt schon, aber es ist nicht absolute Voraussetzung selber Rennfahrer zu sein, denn ein Astronaut fliegt ja auch in einer Raumkapsel, die er nicht selber konstruiert hat.

Ein Konstrukteur der weiss, wie man ein Fahrzeug einsetzt, ist sicher im Vorteil. Vor allem bei einem Gespann, das schon ein spezielles Fahrzeug ist. Es gibt keine Universität, wo man das studieren oder sich ausbilden lassen kann. Technisches Know-How oder handwerkliches Know-How lernen kann. Ich meinerseits habe das Maschinenbaustudium abgebrochen, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass es das ist, was ich wirklich machen will. So begann ich bei Saurer in Arbon auf dem Konstruktionsbüro, was eine sehr wertvolle Zeit gewesen ist. Auch ein Lastwagen ist ein Fahrzeug. Einfach etwas konstruieren das fährt, war damals mein Ziel.»

Zurück zur Gegenwart. Werden die Gespanne weiterhin LCR heissen und die Birchalls die Firma ganz übernehmen? «Das Produkt wird weiterhin als LCR verkauft. Ob das auch noch so ist, wenn sie später mal alle Teile in England anfertigen lassen, werden wir dann sehen. Vorläufig werden die Birchalls die Teile von mir beziehen. [Anm. d. Red.: LCR hat ein beeindruckendes Ersatzteillager: Kleinteile, Bleche, Bremsanlagen, Rohre, Spezialstähle und vieles mehr!]. Die Formel 2-Chassis bauen sie auf jeden Fall bei ihnen, da diese Kurzgespanne vor allem in England eingesetzt werden.

Ich werde mich aber sicher noch nicht zur Ruhe setzen, denn Arbeit habe ich noch genug. Es hat zum Beispiel jemand ein Gespann vorbeigebracht, mit dem Alain Michel 1990 Weltmeister geworden ist. Ich habe noch Originalteile, um das Ding wieder aufzubauen. Ausserdem habe ich meinen allerersten selbst gebauten Rennwagen zurück gekauft und das zweite von mir gebaute LCR-Gespann erworben. Zu tun gäbe als noch mehr als genug.»

Einzig das selbst gebaute Flugzeug, das an der Hallendecke hängt, wird wohl kaum mehr den Luftraum in der Ostschweiz befliegen, obwohl Christen im Besitz des Pilotenscheins ist.

Braucht schon Mut in dieser nicht einfachen Zeit, so ein Projekt weiterleben zu lassen. «Wenn man in Schwierigkeiten steckt, ist es immer gut, wenn man optimistisch bleibt. Zugegeben, es werden auf den Strassen praktisch keine Seitenwagen mehr gefahren, aber es fährt auch niemand auf der Strasse Bob. Trotzdem ist dieser Sport sehr beliebt, sogar eine olympische Disziplin und die finden Sponsoren erst noch Sponsoren. Es ist eben eine gute Show. Das sind Seitenwagenrennen eben auch, deshalb haben wir keine Hemmungen unsere Seitenwagen zu vertreten. Ein gutes Seitenwagenrennen ist doch etwas vom Spektakulärsten was es gibt. Warum soll der Gespannsport also keine Zukunft haben?»

Auch Ben Birchall, dessen Bruder Tom sich als ausgezeichneter Schweisser bewiesen hat, gibt sich optimistisch. «In England erleben wir einen Aufwärtstrend, die Rennen werden live übertragen, wir haben 30 Gespanne im Feld und können dabei sogar Geld verdienen», meinte der in Mainsfield, nicht weit von Donington, lebende Brite.

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