Rallye Frankreich: Was wir daraus gelernt haben
Erste finnische Sieger auf Korsika seit 31 Jahren – Jari-Matti Latvala (links) und Beifahrer Miikka Anttila
1. Volkswagen ist nicht unfehlbar – oder eher X-Trac?
So etwas passierte Volkswagen zuletzt bei der Rallye Argentinien – zwei von drei Polo R WRC hatten technische Probleme. Beide Male war das Getriebe betroffen. Sébastien Ogier erwischte es auf dem Weg zum offiziellen Etappenziel am Freitagabend in Bastia. Erst steckte die von X-Trac zugelieferte Schaltbox im vierten Gang fest, dann waren scheinbar zwei Gänge gelichzeitig eingelegt. Ogier musste aufgeben, wurde nach Restart nur Fünfzehnter.
Bei Jari-Matti Latvala schien der Teufel eher im elektro-hydraulischen Schaltsystem zu stecken. In WP 6 am Samstag musste der Finne auf den mechanischen Not- Schalthebel zurückgreifen. «Das hat meinen Rhythmus gestört», erzählte der Finne. «Aber zum Glück war das Problem auf diese Art lösbar.»
2. Jari-Matti Latvalas besonderer Sieg
Nach dem nötigen Getriebewechsel war Latvala der Sieg nicht mehr zu nehmen. Sein zweiter Sieg auf Asphalt, der zweite in Folge bei der Rallye Frankreich. Aber der jetzt auf Korsika bedeutete ihm mehr als der letztes Jahr im Elsass. «Auf Korsika ist mein Idol Henri Toivonen 1986 tödlich verunglückt. Es war nicht einfach, den Gedanken daran vor dem Start zu verdrängen», gab Latvala zu.
Toivonen hätte 1986, damals im Lancia Delta S4, wahrscheinlich überlegen gewonnen. So war Latvala erst der zweite Finne, dem dieses Kunststück gelang. Markku Alén siegte 1983 und 1984.
3. Elfyn Evans und Ott Tänak tauschen die Rollen
Nach der Rallye Australien war Elfyn Evans fix und fertig. Der Ford-Werkspilot war meilenweit weg vom Tempo der Spitze, Rang neun war eine Enttäuschung. Ganz anders die Rallye Frankreich. Evans führte nach einer sensationellen Bestzeit in WP 3 – volle 33,1 Sekunden schneller als der spätere Sieger Jari-Matti Latvala – zum ersten Mal in seinem Leben einen WM-Lauf an.
Gut, Latvala konnte Evans am Ende nicht halten. Aber den ebenfalls voll attackierenden Andreas Mikkelsen im dritten Werks-VW hielt der 26 Jahre alte Walliser knapp hinter sich. Rang zwei, damit das bisher beste WM-Ergebnis, war der verdiente Lohn für Evans.
Dafür war dieses Mal dessen Teamkollege Ott Tänak völlig von der Rolle. Rang zehn hinter zwei Privatfahrern ist nicht das, was Teamchef Malcolm Wilson erwartete. «Ich muss unter solch schwierigen Bedingungen noch viel lernen», war alles, was Tänak an Erklärungen ablieferte.
4. Citroën hat die Talsohle durchschritten
Rang vier für Kris Meeke und Platz sechs für Mads Østberg sind für eine früher auf Asphalt unschlagbare Mannschaft wie Citroën zwar nicht gerade ein Grund für Freudentänze. Immerhin überholte der achtmalige Marken-Weltmeister Konkurrent Hyundai damit in der aktuellen Hersteller-Tabelle und machte einen Riesenschritt Richtung Minimalziel – die Vize-Weltmeisterschaft. «Diese Position müssen wir bei den verbleibenden zwei Rallyes unter allen Umständen verteidigen», forderte Teamchef Yves Matton.
Meeke schminkte sich früh alle Angriffsgelüste gegenüber dem VW-Trio und Ford-Überraschung Elfyn Evans. Østberg, ohnehin kein Asphalt-Liebhaber, litt noch etwas unter Schmerzen, Spätfolgen des Unfalls während des Trainings zur Rallye Australien und verrannte sich zeitweise in der Fahrwerksabstimmung. Aber beide boten unter extremen Streckenbedingungen eine fehlerfreie Fahrt.
5. Was ist nur mit Thierry Neuville los?
Thierry Neuville sagte vor dem Start, er habe die Motivation verloren. «Ich dachte am Jahresanfang, wir haben ein schnelles Auto. Das ist leider nicht der Fall», sind für einen Werksfahrer ungewöhnliche Worte, die Hyundai-Teamchef Michel Nandan in dieser Deutlichkeit sicher nicht öffentlich hören wollte.
In der Rallye kam Neuville rund einen Kilometer weit, bevor er seinem i20 WRC an einer Brücke eine Radaufhängung beschädigte. Nach dem Restart am Samstag fuhr er mehr oder weniger lustlos ins Ziel, dümpelte bei den WP-Zeiten zwischen den Rängen acht und zwölf herum.
Die zweite Mannschaft von Hyundai glänzte dagegen. Kevin Abbring war starker Fünfter, bis er am Sonntag im Aus landete. So wurde der Neuseeländer Hayden Paddon Fünfter, zwei Plätze vor dem als Asphalt-Spezialist geltenden Spanier Dani Sordo. In dieser Mannschaft ist Neuville, nominell die Nummer 1 bei Hyundai, derzeit klar das Schlusslicht.
6. Die FIA pokert hoch
Letzte Woche hat das World Motorsport Council der FIA einen 14 Rallyes umfassenden Kalender für 2016 verabschiedet – allerdings ohne Datum für alle Rallyes außer Monte Carlo und Schweden. «Das ist richtig super, wenn man Reisen lange im Voraus planen muss», maulte ein Teammanager völlig zu Recht.
Die Aufstockung um eine Rallye bringt alle Teams, deren Budgets für 2016 größtenteils bereits verabschiedet sind, ohnehin in Schwierigkeiten. Citroën-Teamchef Yves Matton fragte: «Haben wir auch nach 2016 jedes Jahr 14 WM-Läufe? Das würde unsere Entscheidung zwischen Tourenwagen- und Rallye-WM sicherlich beeinflussen.» Kollege Jost Capito von Volkswagen weiß in der momentan im Konzern angespannten Situation auch nicht, wo er das zusätzliche Geld hernehmen soll.
Niemand spricht es offen aus. Aber einige hoffen, dass die noch nicht endgültig bestätigte Rallye Frankreich noch aus dem Kalender fliegt und es so doch bei 13 Rallyes bleibt.
Die Organisation des nach Korsika zurückgekehrten WM-Laufs ließ an vielen Stellen zu wünschen übrig. Der Serviceplatz auf dem Flugfeld von Corte war einer WM-Rallye nicht würdig. Die Insel ist – auch ohne den Streik der Fluglotsen am Montag – schwer zu erreichen und bietet zumindest in der Nähe von Corte keine Top-Hotels – ein Albtraum, wenn man hochrangige Gäste einladen will. Die Absage von nur zwei Wertungsprüfungen führte zum zweifelhaften Titel «kürzeste WM-Rallye aller Zeiten».