Le Mans bleibt Le Mans

Kolumne von Guido Quirmbach
Einzigartiger Kurs: Le Mans

Einzigartiger Kurs: Le Mans

Auch wenn sich nicht alles zum Vorteil geändert hat, Le Mans hat immer noch das besondere Flair.

Nun ist es bereits wieder mehr als zwei Wochen her, das Saisonhighlight bei den Sportwagen. In Le Mans sind die provisorischen Gitter, welche in der Rennwoche die Rennstrecke von Landstrasse trennen, wieder zu festen Sperrwänden mutiert, die Werbetafeln und Brücken sind demontiert. Und der Rasenstreifen neben der Fahrbahn nach Indianapolis sieht nun auch wieder nach einem normalen Unkrautbefallenen Strassenrand und nicht nach englischem Rasen aus.

Le Mans ist und bleibt etwas Besonderes. Irgendwie beginnt es zu kribbeln kurz vor der Autobahnausfahrt, wenn auf der rechten Seite eine mittlerweile etwas in die Jahre gekommene Tafel mit zwei gezeichneten Porsche 956 darauf hinweist, dass man nun im Dèpartement Sarthe ist. Angekommen geht es in der Regel nicht zum Welcome-Center oder Hotel, nein, erstmal wird selbst eine Runde über die Strecke gedreht, zumindest die etwa 8km, die nach wie vor täglich den Alltagsverkehr zu bewältigen haben. Gemütlich mit 80km/h durchfährt man einige Kapitel Rennsportgeschichte. Kaum eine Stelle, an der dem langjährigen Le Mans-Besucher nicht irgendeine Geschichte einfällt, leider oft auch tragische. Und immer wieder Kopfschütteln, hinter der Leitplanke stehen nach wie vor einfach nur Bäume. Eigentlich im Sicherheitsbewusstsein unserer Zeit ein Wahnsinn, dass über diese Landstrasse die Prototypen einen ganzen Tag lang mit bis zu 350km/h daher rasen.

Der ACO zelebriert sein Rennen. Ob die technische Abnahme und der Fahrerkorso in der Innenstadt, die endlose Startprozedur oder seine meist viel zu lange Pressekonferenz mit sehr viel Eigenlob. Und die Stadt tut ihr übriges, im Supermarkt stehen Rennautos, jeder Friseur hat irgendein Utensil im Fenster, was mit den 24 Stunden zu tun hat. Man spürt auf Schritt und Tritt, dass Le Mans mehr ist als nur ein Autorennen.

Obwohl nicht alles Gold ist was glänzt. An der Strecke hat sich vieles in den letzten Jahren verändert, das Meiste davon nicht unbedingt zum Positiven. Der Bereich vom Dunlop-Bogen bis zur Tertre Rouge könnte zumindest optisch heute auch auf jeder modernen Formel1-Strecke stehen, es überwiegt die typische Farbe der Kiesbetten. Oder man denke nur an die alten Holzbuden im Village, die durch moderne, dort völlig unpassende Glas-Pavillions ersetzt wurden. Auch gibt’s dort inzwischen eine Edel-Boutique für Schmuck gegenüber vom Audi-Turm, jenem Bauwerk, das auch eher in ein Museum für abstrakte Kunst als an eine Traditionsstrecke gehört.

Aber auch sollte man bei aller Tradition nicht vergessen, dass trotz oft strapazierter Schutzengel seit 1997 kein Rennfahrer mehr auf der Strecke ums Leben gekommen ist. Neben viel Glück auch ein Verdienst der Modernisierung des 13.6km langen Kurses. Und der Betrachter sollte auch nicht vergessen, dass sich das Rad der Zeit weiterdreht. Und man sollte froh sein, dass Le Mans in dieser Form bis heute überlebt hat und der ACO eine Menge dafür tut, dass es so bleibt.

Die Fans kommen nach wie vor in Scharen. Es ist Fachpublikum, dass nur selten den Überblick im Renngeschehen verliert. Es ist Fachpublikum, das allerdings auch zu Feiern versteht. Am «Mad Friday», dem trainingsfreien Freitag, benötigt der gemeine Autofahrer von der Strecke bis zum 2 km entfernten Hotel schon einmal locker eine Stunde. Denn die Fans blockieren die Strasse und schauen auf allerlei sportliche oder kuriose Automobile, die auch einmal Piratenschiffe auf Rädern oder Sofas mit Motorantrieb sein können. Und wer sein Fenster auf hat, kann nur hoffen, dass in den zahlreichen Spritzpistolen am Strassenrand nur Wasser drin ist und nicht etwa, was auch häufig vorkommt, Rotwein.


Obwohl sich mit Aston Martin ein britischer Hersteller dem Kampf um den Gesamtsieg stellte, waren, so zumindest der subjektive Eindruck, weniger Engländer als in den Vorjahren vor Ort. Auch ingesamt konnte der Rekordbesuch vom Vorjahr nicht erreicht werden, laut dem Veranstalter fanden sich am Samstag um 15.00 Uhr 234.000 Menschen an der Strecke. Wohlgemerkt, das ist keine geschönte Wochenendzuschauerzahl zum Quadrat, sondern die Anzahl der Besucher beim Start des Rennens. Es waren heuer damit 24.000 weniger als 2008.

Wie war es nun rückblickend? Bei weitem nicht so spannend wie im vergangenen Jahr. Peugeot war total überlegen und hat absolut verdient gewonnen. Die GT-Klassen sorgten leider auch nicht für Herzrasen über die Distanz. Vom Kampf der beiden Werks-Corvetten einmal abgesehen, aber das ist nicht das gleiche, ob die Corvette gegen Aston Martin kämpfen würde.

Für den Sport ist es sicher schön, wieder einmal eine andere Marke in den Siegerlisten zu haben. Manch einem waren die vielen Audi-Siege wohl schon aufs Gemüt geschlagen. Die einheimische Tageszeitung «Le Maine» beispielsweise bringt jedes Jahr ein Poster aller Siegerwagen seit 1923 heraus. Auf dem diesjährigen Plakat aber war nicht der richtige Siegerwagen von 2008 abgebildet, sondern ein Schwesterauto. Klingt nach einer gewissen Audi-Müdigkeit. Man sollte dem Mitarbeiter, der für die Bildauswahl verantwortlich ist, noch eine Chance geben, denn für das nächstjährige Poster muss er für einmal keinen Audi aussuchen, quasi eine völlig neue Herausforderung.

Die Sieger schweben noch im siebten Himmel. Die, die verloren haben, überlegen spätestens seit dem Montag nach dem Rennen, was man im nächsten Jahr besser machen kann. Vielleicht nimmt der ein oder andere dabei noch ein Rennen mit. Aber das ist nicht mehr als ein nettes Beiwerk, denn das wirkliche Ziel spielt sich erst wieder 2010 im Juni ab. Eben wieder an der Sarthe.

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