Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Gary Paffett: «Viele Fahrer sind nicht offen genug»

Von Andreas Reiners
Immer offen: Mercedes-Pilot Gary Paffett

Immer offen: Mercedes-Pilot Gary Paffett

Gary Paffett sagt, was er denkt. Manchmal zu ungestüm, oft auch schonungslos, dafür immer ehrlich. Der Brite gehört ganz klar zu den Typen der DTM. Im Rahmen unserer Serie «Typen der DTM» haben wir mit ihm gesprochen.

Im ersten Teil des großen SPEEDWEEK.com-Interviews äußert sich der Mercedes-Pilot darüber, wie seine drei Kinder sein Leben verändert haben, spricht über die Typen-Diskussion und wie sich die Tourenwagen-Serie verändert hat.

Gary, wollen wir das Interview auf Deutsch führen?

Gary Paffett (lacht). Nein. Mein Deutsch ist nicht gut. Nix gut. Nein.

Ich kann deutlich mehr verstehen, als ich selbst sprechen kann. Das haben die Leute mittlerweile gemerkt. (lacht) Ich bin einfach nicht in der Umgebung, in der ich viel Deutsch sprechen könnte. Ich wohne nicht in Deutschland, daher besteht dafür einfach keine Notwendigkeit. Das mag faul klingen, aber ich habe drei Kinder und zwei Jobs und so habe ich auch ohne Deutsch zu lernen genug zu tun.

Du bist Arsenal-Fan. Hast Du denn deine Kinder auch richtig erzogen? Sind sie Arsenal-Fans?

Paffett: Ja, auf jeden Fall. Ich bin Arsenal-Fan und ich habe sie mit ins Stadion genommen, um sich die Spiele anzusehen und das ganze Drumherum. Noch wichtiger: Ich habe ihnen beigebracht, welche Teams man nicht mag: Tottenham, Chelsea, Manchester City… Mannschaften wie diese.

Wie haben die Jungs dein Leben verändert?

Paffett: Sie haben dafür gesorgt, dass ich noch viel mehr zu tun habe, ehrlich gesagt. Viele Leute behaupten, dass Kinder dich langsamer machen. Manche Leute fahren die ganze Zeit immer absolut an der Grenze des Machbaren und dann crashen sie auch immer wieder. Aber so ein Fahrer war ich nie. Wenn ich fahre, denke ich in dem Moment nicht an meine Familie und an meine Kinder. Du musst auf das konzentriert sein, was du da tust. Ich weiß, das wirkt manchmal ein bisschen egozentrisch.

Wenn die Kinder zum Beispiel kommen, um sich die Rennen anzusehen, ignoriere ich sie oft ein bisschen. Das ist ein wenig gemein, aber ich bin wegen der Rennen hier. Aber sie haben mein Leben definitiv besser gemacht. Es ist großartig, drei Kinder zu haben und jetzt werden sie größer und ich kann ihnen dabei zusehen, wie sie Sport machen und zur Schule gehen und all das. Was sie von mir geerbt haben, ist der sportliche Ehrgeiz. Das bringt sie manchmal in Schwierigkeiten, aber sie wollen in allem, was sie machen, gewinnen. Das ist großartig. Es macht dein Leben manchmal anstrengender, aber ich möchte sie nicht missen.

Werden sie auch Rennfahrer?

Paffett: Wahrscheinlich nicht. Nein. Eher nicht.

Warum nicht?

Paffet: Dafür gibt es mehrere Gründe. Ich bin heute einer der führenden Fahrer bei einem der wichtigsten Hersteller der Welt. Auf der anderen Seite habe ich auf dem Weg hierher so viele Leute gesehen, die auf einem ähnlichen Niveau waren wie ich, aber nicht die gleichen Chancen bekommen haben. Nur ein kleiner Prozentsatz der talentierten Fahrer kommt am Ende dahin, wo er hingehört. Und das ist das Frustrierende am Rennsport. Du richtest dein ganzes Leben darauf aus. Du richtest alles auf Motorsport aus. Als Schüler hatte ich nicht viel vom Schülerleben, denn ich war jedes Wochenende unterwegs.

Ich werde keiner von denen sein, die – weil sie selbst vielleicht nicht erfolgreich waren – ihre Kinder pushen, um erfolgreich zu sein. Und nicht so viele Kinder von erfolgreichen Fahrern sind dann auch selbst erfolgreiche Fahrer geworden. Sie haben so viele andere Dinge, die sie machen können. Ihr Leben ist eigentlich schon ziemlich voll im Moment und ich sehe gar nicht, wo da zurzeit noch der Motorsport reinpassen sollte. Ich habe auch nicht die Zeit, mich darum zu kümmern. Ich möchte ihnen nicht sagen ‚Ja macht das‘ und ihnen dann jemand anderen an die Seite stellen müssen. Vielleicht ändert sich meine Meinung dazu noch. Aber im Moment geht es ihnen gut und sie sind wirklich gut damit ausgelastet, andere Dinge zu tun.

Wie würdest Du dich selbst charakterisieren: Als Fahrer und im Alltag. Gibt es da einen Unterschied?

Paffett: Nein, gar nicht. Ich bin immer sehr engagiert in allem, was ich mache. Ich arbeite sehr detailliert mit der Mannschaft. Ich verbringe sehr viel Zeit mit dem Team, mit den Ingenieuren, mit den Teammanagern und ich versuche alles mit ihnen durchzugehen, alles zu verstehen. weil ich es einfach nicht mag, Dinge nicht zu durchblicken. Und Zuhause ist es das Gleiche. Mit dem Sport der Kinder zum Beispiel. Du findest mich da an der Außenlinie, wie ich sie anfeuere und all das. Und ich versuche immer den Lehrer wegzuschieben und das Mannschaftsgespräch zu übernehmen und die Kinder ins Spiel zu bekommen (lacht). Ich habe gerade ein Haus gekauft, das noch ein bisschen renovierungsbedürftig ist und da versuche ich auch möglichst viel selbst zu machen.

Im Allgemeinen bin ich ein Optimist. Ich sehe das Gute in den Dingen. Das bedeutet auch, dass ich deswegen im Allgemeinen auch ein ganz glückliches Leben führen kann. Manchmal führt das auch dazu, dass ich die schlechten Sachen von Dingen oder Menschen auch nicht sehe, die andere mitbekommen. Aber mir tut das gut, eher die guten Seiten zu sehen.

Es wird immer gesagt, die DTM hätte zu wenig Typen. Was denkst Du über diese Diskussion?

Paffett: Ich gebe zumindest mein Bestes (lacht). Die Hersteller kontrollieren natürlich schon sehr, was die Fahrer sagen dürfen. Bei Mercedes haben wir schon etwas mehr Freiheit zu sagen, was wir sagen möchten. Aber ich glaube, bei den anderen beiden Herstellern wird schon sehr vorgegeben, was sie sagen können. Sie machen, was man ihnen sagt. Ich glaube, die Fahrer brauchen mehr Freiheit in dem, was sie sagen können, was sie sagen möchten und wie sie sich fühlen. Aber ich denke, dass viele von ihnen das nicht machen, weil sie Angst haben, dass sie danach ins Gebet genommen oder sogar bestraft werden.

Ich persönlich nehme mich da nicht zurück. Vor allem direkt nach dem Rennen. Da bin ich sehr frustriert, wenn etwas schief geht. Ich muss mir aber auch selbst an die Nase fassen, wenn ich mal jemanden beschuldige, der gar nichts verursacht hatte. Ich habe das ja mal wieder bestens dieses Jahr gemacht, als ich aus dem Auto gestürmt bin und über Joey Hand gemotzt habe. Ich bin sofort nach dem Rennen zu ihm und habe nur gesagt: ‚Ich habe böse Dinge über dich gesagt und ich habe gerade auf den Bildern gesehen, du warst es gar nicht‘. Dann ist es aber auch wieder gut. Manchmal werde ich einfach wirklich sauer, wenn dumme Dinge passieren. Vor allem schlechtes Fahren ärgert mich.

Was kann getan werden, dass sich das ändert? Dass die DTM sich besser verkauft in der Zukunft? Die Typen besser gezeigt werden?

Paffett: Das ist nicht einfach zu beantworten. Es gibt konstant Nachrichten über die Formel 1: Wer ist dabei? Jemand hat das gesagt, jemand hat dies gesagt. Solche Dinge. Sowas gibt es in der DTM nicht. Ich glaube, da ist zu viel Eigenschutz rund um das, was die Fahrer sagen und nicht sagen und was ihnen erlaubt ist zu sagen und nicht erlaubt ist. Viele Leute sind einfach nicht so offen, wie sie sein könnten oder vielleicht gerne wären. Wie man das ändern kann? Ich weiß es nicht. Es gibt da viele Ideen. Als erstes müssen wir aber das Racing verbessern und das Entertainment für die Fans. Timo Glock ist sicher ein gutes Beispiel. Er kümmert sich wirklich sehr, er versucht viel. Ich weiß nicht, was man machen muss. Ich weiß ehrlich nicht, was die richtige Antwort auf diese Frage ist.

Wie hast Du die Entwicklung der Serie erlebt, seitdem Du deine Karriere gestartet hast?

Paffett: Es hat sich einiges getan. Wir haben ein unfassbar hohes Niveau bei den Fahrern in der ganzen Serie. Ich glaube, dass darüber zu wenig berichtet wird. Die Leute realisieren gar nicht, wie gut diese Fahrer sind und wie schwer die ganze Serie geworden ist. Daneben haben sich die Autos natürlich verändert. Vielleicht waren die alten Autos sogar ein bisschen spaßiger zu fahren. Sie sind ein bisschen mehr gerutscht mit den kleineren Reifen. Wir müssen immer noch eine bessere Show daraus machen. Es ist immer noch so, dass es zwei Wege gibt, wie man auf Motorsport gucken kann. Du hast entweder puren Motorsport, der im Prinzip von den Ingenieuren gesteuert wird und es geht nur darum, das beste Auto zu haben und sich gegenseitig zu schlagen. Aber normalerweise ist das ziemlich langweilig. Denn du fährst nur hintereinander her. Und dann hast Du die andere Seite des Motorsports: Wo es darum geht zu unterhalten. Wo die Leute in jeder Runde überholen und die Autos eher gleich sind.

Du brauchst eine Mischung aus beidem. Du musst es für die Ingenieure interessant halten, damit sie immer noch ein großes Interesse daran haben, weiter zu versuchen, gute Autos zu bauen und noch hier und da einen kleinen Vorteil zu finden. Aber du brauchst eben auch spannende Rennen und gutes Entertainment für die Fans. Und da müssen wir hinkommen: einen guten Mix aus beidem zu finden. Es interessant für die Fans zu machen und interessant für die Ingenieure zu halten. Wir brauchen noch mehr Racing. Und etwas weniger Verwirrung. Ich würde es lieben, mehr Rennen zu fahren. Wenn es nach mir geht, fahren wir auch den ganzen Winter durch. Aber ich denke, da kommen wir an die Kostengrenzen. Es ist ein sehr langer Winter. Ich glaube, dass zehn Rennen im Jahr einfach nicht genug sind. Wir müssen mehr Rennen fahren.

Was war früher besser?

Paffett: Das Format der Wochenenden war früher definitiv besser. Wir sind mit dem, was wir an den Wochenenden machen, jetzt sehr begrenzt. Du kannst nur samstags testen und dann kommt direkt das Qualifying. Das ist zu viel auf einmal. Du hast einfach keine Zeit, über das Auto nachzudenken oder deine Prozesse noch mal durchzugehen. Ein Test am Freitag ist ein Muss. Das müssen wir machen. Natürlich haben sich die Autos ein bisschen geändert, aber gleichzeitig habe ich nicht das Gefühl, dass sich so viel geändert hat oder dass es zu viel Veränderung war.

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