Der dreifache Motorrad-Weltmeister Hans-Georg Anscheidt ist 90!
Dreimal in Folge wurde der Deutsche Hans-Georg Anscheidt auf Suzuki Weltmeister der 50-ccm-(Schnapsglas-)Klasse. Am heutigen 23. Dezember feiert der vorherige Kreidler-Star seinen 90. Geburtstag.
Hans-Georg Anscheidt kam am 23. Dezember 1935 im damals ostpreußischen Königsberg (heute Kaliningrad) zur Welt. Am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 musste seine Familie ihre Heimat verlassen und begann, sich im niedersächsischen Groß Eilstorf eine neue Existenz aufzubauen. Dort begann Hans-Georg Anscheidt 1951 eine Lehre zum Kfz-Schlosser und interessierte sich mehr und mehr auch für den Motorsport.
1953 folgten die ersten Aktivitäten auf einer Enduro, vier Jahre später wechselte er zum in der Region beliebten und weit verbreiteten Bahnsport. Bei 40 Rennteilnahmen holte Anscheidt beeindruckende 31 Siege. Seine wahre Bestimmung fand er spät – 1959 beim Straßenrennsport. Mit einer Körpergröße von nur 166 cm war er für die aufkommende Klasse der 50-ccm-Maschinchen wie geschaffen.
Mit seinem beim Bahnsport erworbenen guten Namen wurde er 1959 Kreidler-Werksfahrer für den neuen 50-ccm-Motorcup für die neuen, 6 PS leistenden Rennmotorräder. In dem Zusammenhang zog er von seinem «Zwischenstopp-Wohnsitz» in Düsseldorf nach Gerlingen bei Stuttgart und somit in die direkte Nähe des Kreidler-Werkes in Kornwestheim
1961 wurde der «Schnapsglasklasse» eine Europameisterschaft mit acht Läufen gewidmet. Das erste Rennen zur 50er-EM ging am 30. April im belgischen Mouscron über die Bühne und wurde vom Belgier Pierrot Vervroegen gewonnen. Der zweite Lauf war der Internationale Preis des Saarlandes in St. Wendel, bei welchem es durch Hans-Georg Anscheidt ebenfalls einen Heimsieg gab.
Das dritte Aufeinandertreffen gab es im Rahmen des Motorrad-WM-Laufes in Hockenheim. Hier stand Hans-Georg Anscheidt als Zweiter ebenfalls auf dem Podest und nachdem er drei weitere Saisonsiege eingefahren hatte, war er der erste Europameister dieser Klasse vor Landsmann Wolfgang Gedlich.
Nach dem erfolgreichen Testlauf der neuen kleinsten Hubraumklasse wurde sie 1962 auch als reguläre WM-Kategorie ausgeschrieben. Der erste Lauf des Jahres war jener vom 4. bis 6. Mai in Spanien in Barcelona. Da damals zwischen den einzelnen Klassen häufig durchgewechselt wurde, waren nicht immer alle Klassen bei allen Grand Prix gemeinsam am Start. So fehlten im Montjuich-Park die beiden großen Hubraumklassen. Dafür stand die WM-Premiere der 50er auf dem Plan.
Dabei war Hans-Georg Anscheidt erneut zur Stelle und sicherte sich mit seinem Sieg auf einer Kreidler seinen geschichtsträchtigen Eintrag in den Motorsportannalen. Nach dem Rennen über zwölf Runden, gleich 45,487 Kilometern, hatte er nur eineinhalb Sekunden Vorsprung vor dem spanischen Derbi-Piloten Jose Busquets. Zum Vergleich: Die 125er fuhren 27 Runden und die Viertelliterklasse deren 33. Dritter wurde der Schweizer Luigi Taveri auf Honda, der rund 15 Sekunden nach dem Sieger im Ziel eintraf. Die weiteren Platzierungen in den Punkterängen (damals nur bis Rang sechs) erreichten Wolfgang Gedlich auf einer weiteren Kreidler sowie die beiden weiteren Honda-Fahrer Tommy Robb aus Irland sowie der Japaner Kunimitsu Takahashi.
Insgesamt waren die zierlichen 50er in jenem Jahr bei zehn der elf Grand Prix am Start und stellten sich dabei in West- sowie auch in Ostdeutschland vor. Auf der Solitude bei Stuttgart gewann der nach seiner Republikflucht 1961 Neu-Westdeutsche Ernst Degner auf Suzuki vor seinem nun 1:1-Landsmann Hans-Georg Anscheidt. Auf dem Sachsenring bei Hohenstein-Ernstthal holte sich der Niederländer Jan Huberts, ebenfalls auf Kreidler, den Sieg. Hans-Georg Anscheidt war hier nicht am Start.
Am Saisonende hatte Ernst Degner das bessere Ende für sich und wurde mit 41 zu 36 Punkten vor Hans-Georg Anscheidt der erste 50er-Weltmeister der Geschichte. Während Degner vier Saisonsiege verbuchen konnte, gelang Anscheidt nach seinem Sieg bei der WM-Premiere nur noch ein Triumph. Bemerkenswert: Ebenfalls ging er bei den Six Days Enduro in Wales an den Start, wo er eine Goldmedaille gewann.
In der WM 1963 gelangen ihm drei weitere Grand-Prix-Siege, mit denen er wieder «nur» Vizeweltmeister wurde, diesmal hinter dem Neuseeländer Hugh Anderson auf Suzuki. Das Jahr 1964 beendete er mit einem GP-Sieg als WM-Dritter und die Saison 1965 gar nur als Siebter.
Da sich Kreidler wegen der übermächtigen Zweizylinder-Konkurrenz von Suzuki und Honda vorläufig vom Grand-Prix-Rennsport zurückzog, musste sich auch Hans-Georg Anscheidt nach einem neuen Arbeitgeber umschauen. So kam er schließlich ins Suzuki-Werksteam, welches die ersten drei 50er-Weltmeister der Geschichte gestellt hatte. Das erste Rennen für die Japaner bestritt er beim WM-Finale 1965 in Suzuka und konnte dort mit Platz 4 gleich überzeugen.
1966 begann dann mit der bis zu 176 km/h schnellen Suzuki RK66 mit 17,5 PS leistendem Zweizylinder-Zweitakt-Motor und 14 Gängen sein Siegeszug. Mit zwei Siegen und drei weiteren Podestplätzen in sechs Rennen konnte er den zweifachen Weltmeister auf Suzuki, Hugh Anderson, hinter sich lassen – WM-Titel Nummer 2 war ihm sicher.
So auch 1967 und 1968 mit je drei GP-Siegen und zwei bzw. einem zusätzlichen Podestrang. Während er seine ersten beiden Titel als Suzuki-Werksfahrer errang, gewann er nach dem werkseitigen Rückzug der Japaner seine letzte Weltmeisterschaft als Privatfahrer.
Ende 1968 trat er als amtierender Champion zurück. Insgesamt wurde nach 14 Grands Prix ihm zu Ehren die deutsche Nationalhymne gespielt. In seiner Suzuki-Ära trat er auch fallweise in der Achtelliterklasse an, allerdings hier ohne durchschlagenden Erfolg.
Anders in der Meisterschaft der Bundesrepublik Deutschland. Hier wurde ebenfalls 1962 die 50-ccm-Klasse erstmals zur offiziellen Meisterschaftsklasse und der erste Meister hieß Hans-Georg Anscheidt. So auch in den folgenden sechs Jahren bis einschließlich 1968. Von 1962 bis 1965 fuhr er, parallel zu seinem WM-Engagement, logischerweise auf Kreidler. 1966 bis 1968 verhalf ihm ebenso eine Suzuki zum jeweiligen DM-Titel. Zudem wurde er 1966 und 1967 in der Klasse bis 125 ccm, auch auf Suzuki, Deutscher Meister, sodass er es insgesamt auf neun nationale Titel brachte.
2022 wurde er im Rahmen des Motorrad-Grand-Prix von Deutschland auf dem Sachsenring offiziell in den Kreis der MotoGP-Legenden aufgenommen.
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