Ferrari droht mit Ausstieg: Ein Pferd als Papiertiger

Von Mathias Brunner
Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene und Firmenleiter Sergio Marchionne

Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene und Firmenleiter Sergio Marchionne

​Ferrari-Präsident Sergio Marchionne rührt wieder mal mit der grossen Kelle an. Der italienisch-kanadische Spitzenmanager poltert, Ferrari könnte die Formel 1 verlassen. Ist diese Drohung glaubwürdig?

Wenn Sergio Marchionne etwas sagt, dann stellt der 65jährige CEO des Fiat-Chrysler-Konzern und Präsident von Ferrari auch sicher, dass er nicht überhört wird. Seine jüngsten Äusserungen erzeugen ziemlich viel Wirbel, denn Marchionne unterstreicht noch einmal, was er bereits Tage zuvor deponiert hatte: Ferrari will in der Formel 1 bleiben – aber nicht um jeden Preis.

In der Gazzetta dello Sport hielt Marchionne vor einer Woche fest: «Wenn sich der Sport in die richtige Richtung entwickelt, dann sind wir offen, über alles zu reden. Aber wenn aus dem Sport eine Art Supermarkt werden soll, dann interessiert mich das nicht die Bohne.»

«Die Formel 1 gehört fest zur Geschichte von Ferrari. Und ich werde alles tun, um die Position von Ferrari im Sport zu schützen und zu wahren. Aber wir bleiben nicht um jeden Preis und auch nicht aus rein geschäftlichen Gründen. Die Formel 1 hat etwas Edles, etwas Nobles, das ist kein Sport wie jeder andere, wir wollen das bewahren helfen, und es sollte hier nicht nur rein ums Geschäft gehen.»

Nun hat er bei einer Telefonkonferenz mit Wirtschaftsjournalisten in die gleiche Kerbe gehauen. Formel-1-Grossaktionär Liberty Media wolle die Kosten runterbringen, das sei eine gute Absicht. Aber es gebe auch einige Punkte, mit welchen Ferrari nicht einverstanden sein könne.

So kritisiert Marchionne das Ziel, dass die Motoren der verschiedenen Hersteller ungefähr gleich viel leisten. Marchionne vollmundig: «Wir sind da in Sachen strategischer Ausrichtung nicht ganz auf einer Linie, und wenn sich der Sport ab 2021 in eine andere Richtung bewegt, dann wird das seitens Ferrari zu gewissen Entscheidungen zwingen.»

«Wenn wir den Eindruck erhalten, die Rahmenbedingungen seien der Marke Ferrari nicht förderlich, wenn die einzigartige Stellung von Ferrari nicht gestärkt wird, dann wird Ferrari da nicht mitmachen.»

Übersetzung: Dann steigt Ferrari aus der Formel 1 aus.

Marchionne spielt die Bedeutung eines solchen Schrittes herunter: «Das wäre für unsere Gewinn- und Verlustrechnung hervorragend. Wir würden hier feiern bis in die Puppen.»

«Die Formel 1 gehört zur DNA von Ferrari. Aber wenn der Rahmen des GP-Sport so verändert wird, dass wir ihn letztlich nicht wiedererkennen, dann spielen wir nicht mehr mit.»

Und dann? Marchionne: «Dann würde ich nach einer Alternativ-Strategie suchen und die Formel 1 ersetzen. Durch eine vernünftigere Lösung.»

Seither diskutieren Fans und Fachleute, wie ernst diese Drohung zu nehmen sei. Fazit beim Überfliegen der meisten Reaktionen: Das springende Pferd aus Maranello ist zu einem Papiertiger geworden.

Ein wenig schlagzeilenträchtiges Säbelgerassel von Ferrari ist nichts Neues. Designer Gustav Brunner hat in den 80er Jahren für Ferrari ein IndyCar gebaut, weil die Italiener dem GP-Sport den Rücken wenden und sich neu orientieren wollten. Was nicht passiert ist. Der elegante Wagen steht im Museum, bei einem Rennen ist er nie eingesetzt worden. Der grosse Enzo Ferrari hat immer wieder mit Ausstieg gedroht, ab und an hat er die Rennwagen zuhause gelassen oder in einer anderen Farbe als Rot lackiert. Aber Ferrari ist der Formel 1 immer treu geblieben.

Tenor im Internet, von Fans und Fachleuten zugleich: Ferrari wäre komplett verrückt, die Formel 1 zu verlassen.

Der Sport ist nach Jahren der Stagnation (besonders in Sachen Marketing) wieder am Wachsen, die neuen Machthaber haben viele Ideen (manch gute, auch einige weniger gute), Ferrari entwickelt sich wieder zum potenziellen Champion.

Das Mitleid für Marchionne hält sich in Grenzen. Die Gegner sind wegen jahrlanger Bonuszahlungen an Ferrari (dank Bernie Ecclestone) wenig erfreut. Die Medien werden von oben herab behandelt. Ferrari lebt von seinem Mythos, und dieser Mythos lebt nur dank der Formel 1 weiter.

Wo will Marchionne denn hin? Will er in Le Mans Privat-Teams schlagen, wenn sich dort nach Audi und Porsche mit Toyota auch der letzte Hersteller verabschiedet hat? Will er Sportwagenrennen vor leeren Tribünen schönreden? Hat sich Marchionne mal überlegt, was mit der Ferrari-Aktie passiert, wenn der seine schönen roten Autos aus dem weltweiten Formel-1-Schaufenster klaubt?

Und überhaupt: Noch vor Monaten fabulierte Marchionne von der Rückkehr der Marke Alfa Romeo, um also mit zwei Namen im GP-Sport anzutreten, und nun hat er auf einmal gar keine Lust mehr. Das klingt schon ein wenig nach Fähnlein im Wind.

Wenn FOM (Formula One Management) und die der Autoverband FIA die Kosten senken wollen, dann sollte das doch im Interesse des Fiat-Sanierers Marchionne sein. Obschon: Das heutige Renn-Jahresbudget von mehr als 400 Millionen Euro scheint ihm keine schlaflosen Nächte zu bereiten.

Nein, hier geht es nicht um die Sache, es geht um Macht und Geld.

Ferrari will schlicht auch künftig eine Extrawurst gebraten bekommen, und möglicherweise spürt Marchionne, dass die neuen Machthaber den Grill kalt lassen werden. Dann wird in Italien halt eben ein wenig mit dem Fuss gestampft, wie ein trotziges Kind.

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