Fernando Alonso: Wieso wir ihn vermissen werden

Kolumne von Mathias Brunner
Fernando Alonso

Fernando Alonso

​​Abu Dhabi 2018 ist mit grosser Wahrscheinlichkeit das letzte GP-Wochenende von Fernando Alonso. Die Formel 1 verliert eine schillernde Persönlichkeit, einen Piloten, dessen Talent zu wenig belohnt wurde.

Jahrelang habe ich im Grand-Prix-Sport an der Seite des unvergleichlichen Helmut Zwickl berichtet. Ich finde Neid grundsätzlich lächerlich, aber ich gebe zu – ich habe meinen Wiener Seilgefährten darum beneidet, dass er 60er Jahre-Grössen wie Jim Clark, Jack Brabham oder Jackie Stewart hat fahren sehen. Viele Jahre später musste ich ein wenig schmunzeln, als ein jüngerer Journalistenkollege ein wenig verlegen zu mir sagte: «Was, du hast Ayrton Senna bei McLaren und Michael Schumacher im Ferrari erlebt?» Ich dachte mir: „Weiss der Junge eigentlich, welch fabelhafte Racer er heute sehen kann?“ Piloten wie Lewis Hamilton, Sebastian Vettel und Fernando Alonso sind genau so eine Augenweide. Wir sollten das viel mehr zu schätzen wissen.

Den Namen Fernando Alonso hörte ich zum ersten Mal aus dem Munde von Marc Surer. «Da ist dieser Junge, der fährt im Kart alles in Grund zu Boden», meinte der Basler, der dem Kartsport immer eng verbunden geblieben ist und in Spanien lebt. «Das wird ein Weltmeister, du wirst sehen.»

Und dann war dieser Alonso in der Formel 1, als Fahrer von Minardi. Er kam, mit grossen Augen und einem noch grösseren Rucksack, ins Fahrerlager des Albert Park Circuit von Melbourne, mutterseelen-alleine und ein wenig verloren wirkend. Aus seinen Stallgefährten bei Minardi machte er auf Anhieb Streichhölzer. Im Grunde gab es nur einen, der ihm im gleichen Team in allen Belangen die Stirn bieten konnte – Lewis Hamilton.

Fernando Alonso sass im zarten Alter von drei Jahren erstmals in einem Kart. Mit acht gewann er zahlreiche regionale Meisterschaften, sehr zum Verdruss seiner erheblich älteren Pistenrivalen, und 1993/1994 die spanische Junioren-Kartmeisterschaft. Aufgrund des Meistertitels durfte er an der Kart-WM teilnehmen und wurde Dritter. 1996 wurde Alonso Junioren-Kart-Weltmeister.

1999 verliess Alonso den Kartsport und wechselte unter Anleitung des ehemaligen Formel-1-Piloten Adrian Campos in die «Euro Open Movistar by Nissan»-Meisterschaft (Vorgänger der späteren Renault World Series und Formel Renault 3.5). Bereits in seiner ersten Saison konnte der damals 18-Jährige die Meisterschaft gewinnen, was zu einer Einladung zu Formel-1-Testfahrten für das Minardi-Team führte.

Im Jahr 2000 wechselte er in die Formel 3000. Die Saison begann er nicht herausragend, mit einer starken Steigerung zum Saisonende konnte er aber die Talentsucher der Formel 1 überzeugen, allen voran den ausgebufften Flavio Briatore. Ein souveräner Sieg auf der äusserst anspruchsvollen Strecke von Spa-Francorchamps liess die Formel-1-Welt aufhorchen. Am Ende war noch ein vierter Platz in der Gesamtwertung drin.

Briatore hatte sich den Rohdiamanten längst unter den Nagel gerissen und verschaffte ihm einen Vertrag mit dem italienischen Minardi-Team. Die Minardi-Renner waren die Hinterherfahrer der Formel 1, Alonso tat das einzig Richtige – glänzen. Seine Stallgefährten Tarso Marques aus Brasilien und Alex Yoong aus Malaysia hatten nicht den Hauch einer Chance. Für 2002 brachte Briatore den talentierten Spanier als Testfahrer bei Renault unter, wo der italienische Unternehmer als Teamchef arbeitete. Alonso sollte ein Jahr lang in Ruhe in einem Top-Team lernen.

Im Mai 2018 nahm Fernando ein ungewöhnliches Video auf: Eine Botschaft an sich selber, an jenen jungen Alonso, der mit staunenden Augen in die Grand-Prix-Welt stolperte.

«Lieber Fernando. Da gibt es ein paar Dinge, die du wissen solltest, wenn du in die Formel-1-Welt kommst. Also habe ich hier einige Tipps. Du wirst einige unglaubliche Menschen kennenlernen, die Besten der Welt in ihrem Job. Du wirst von ihnen sehr viel lernen, nicht nur auf der technischen Seite oder als Profi, sondern auch aus menschlicher Perspektive. Du machst dich auf eine unfassbare Reise, und du wirst jede Sekunde geniessen.»

«Du wirst auch einige der machtvollsten Menschen der Formel 1 kennenlernen. Du wirst Bernie Ecclestone treffen, Flavio Briatore und Ron Dennis, Stefano Domenicali, Luca di Montezemolo. Alle haben sie ganz unterschiedliche Charakteren und ihre eigenen Visionen und Philosophien. Aber sie sind alle dazu da, dir zu helfen, um dich zu einem besseren Fahrer zu machen und zu einem besseren Menschen.»

«Du solltest jede Minute geniessen, denn die Formel 1 ist eine ganz besondere Welt. Du wirst Unfassbares erleben. Du wirst gegen die besten Fahrer deiner Zeit antreten, in grandiosen Städten, für die besten Rennställe mit grossartigen Sponsoren. Du wirst in deinem restlichen Leben nichts Vergleichbares erleben. Du wirst es gerne hören, dass du zwei Mal Weltmeister wirst. Du wirst einige Rennen gewinnen für die besten Rennställe der Welt – Renault, McLaren, Ferrari. Du stehst annähernd hundert Mal auf dem Siegerpodest und wirst sehr viel Trophäen mit nach Hause bringen. Du wirst ein Museum bauen für all die Pokale und deine Rennautos und für all die weiteren Dinge, die du im Laufe der Jahre gesammelt hast.»

Aufstieg mit Renault

2003 sass Alonso als Stammfahrer im Renault. Er überzeugte sofort. Beim Grossen Preis von Ungarn gewann er überlegen und konnte sogar Michael Schumacher überrunden. Fernando Alonso war damals der jüngste GP-Sieger der Formel 1, er hatte den Rekord von Bruce McLaren aus dem Jahre 1959 unterboten. Der Neuseeländer war in Sebring 22 Jahre und 104 Tage jung, Alonso gewann seinen ersten Grand Prix mit 22 Jahren und 26 Tagen. Die Saison brachte noch einige weitere hervorragende Platzierungen, so dass am Ende ein sechster Platz in der Fahrerwertung heraussprang.

2004 verlief ebenfalls vielversprechend. Ein Rennsieg war zwar nicht möglich, aber zwölf Punktefahrten (davon drei bis aufs Siegerpodest) bedeuteten WM-Rang 4. Alonso legte sich in aller Ruhe das Rüstzeug zu, um Weltmeister zu werden.

Der langjährige Formel-1-Techniker Pat Symonds: «Ich hatte zuvor mit Ayrton Senna und Michael Schumacher gearbeitet. Fernando hatte ein anderes Gemüt mit vergleichbaren Charakteristiken. Er war schon bei Renault tief davon überzeugt, dass er der Beste ist. Und er war es auch wirklich.»

«Als Racer waren sich Michael Schumacher und Fernando Alonso ziemlich ähnlich. Beide waren in der Lage, immer etwas Besonderes, immer dieses kleine Extra-Mehr aus sich herauszuholen, wenn es um die Wurst ging. Wir waren in der Ära der Sprintrennen zwischen den Tankstopps, und wenn Ross Brawn auf den Funk ging und Michael sagte, was er von ihm brauchte, dann wussten wir, dass Michael Runde um Runde um Runde genau dies tun würde. Fernando kann das ebenfalls.»

«Beide sind auch überragend darin, ein Rennen sozusagen zu lesen. Sie können sich vom reinen Fahrern mental abkoppeln und haben Reserven, um über den Rennverlauf nachzudenken. Ich kann mich an ein Rennen in Kanada erinnern, als Fernando fast eine ganze Runde lang über Funk am Reden war – und das war seine schnellste Rennrunde! Also, wenn ich im Auto bin und einen Anruf erhalte, dann fahre ich als Erstes gewiss langsamer. Ihn schien das nicht weiter zu stören. Dieses Plus an geistiger Kapazität hebt sie von den Gegnern ab. Sie erinnerten sich auch an alles.»

Genau diesen Schumacher wollte Alonso nun schlagen. Und alle anderen obendrein.

2005 startete Alonso mit einem dritten Platz in die neue Saison, bevor er anschliessend drei Rennen in Folge gewann und damit klar zum Favoritenkreis für den WM-Titel zählte. Schärfster Gegner war Kimi Räikkönen im McLaren-Mercedes, Ferrari hatte ein mässiges Jahr. Der Finne wurde jedoch des Öfteren von seinem Auto im Stich gelassen, so dass Alonso am 25. September 2005 in Interlagos/Brasilien zum ersten Mal den WM-Titel gewann – als bis dahin jüngster Pilot.

Der Saisonstart 2006 in Bahrain verlief mit einem Sieg vielversprechend. Härtester Gegner in dieser Saison war Michael Schumacher mit Ferrari. Die beiden lieferten sich ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen, das Fernando Alonso am Ende für sich entscheiden konnte. Das Unternehmen Titelverteidigung war geglückt, passenderweise erneut in Brasilien.

McLaren, Teil 1: Titel verschenkt

Noch vor Abschluss der Saison 2006 gab der Spanier seinen Wechsel zu McLaren-Mercedes 2007 und die Trennung von Manager Briatore bekannt. Das Timing schien zu stimmen. Die Wintertestfahrten deuteten darauf hin, dass Alonso gute Chancen auf eine erneute Titelverteidigung hatte. Sein neuer Teamkollege, Formel-1-Neuling und Supertalent Lewis Hamilton, machte dem Spanier jedoch das Leben schwer und gab sich nicht mit der Rolle der Nummer 2 zufrieden. Nach wenigen Rennen war klar, dass die beiden den WM-Titel vermutlich unter sich ausmachen werden und sich höchstens selbst im Weg stehen können. Einzig ernstzunehmende Gegner waren die Ferrari-Piloten Kimi Räikkönen und Felipe Massa.

Der WM-Kampf zwischen den beiden McLaren-Platzhirschen spitzte sich mehr und mehr zu und fand seinen Höhepunkt beim Qualifying zum Ungarn-GP, als Alonso nach seiner vorläufigen Pole-Position zum Ende des Qualifyings so lange an der Box stehenblieb, bis Lewis Hamilton (hinter ihm auf neue Reifen wartend) die Zeit für eine weitere schnelle Runde fehlte. Die FIA bestrafte Alonso für dieses unsportliche Verhalten und versetzte ihn um fünf Startplätze zurück. Das spielte den Verfolgern von Ferrari natürlich in die Karten. Am Ende konnte Kimi Räikkönen seinen Punktrückstand auf die McLaren-Piloten aufholen und diese in einem dramatischen WM-Finale von Brasilien noch überholen. Alonso wurde hinter seinem Teamkollegen und Weltmeister Räikkönen nur Dritter der Fahrerwertung.

Fernando Alonso hat das Ron Dennis nie verziehen. Der Spanier hat immer gesagt: «Mit Lewis hatte ich nie ein Problem, mit der Team-Führung schon.» Alonso war der Ansicht, Dennis hätte den Jungspund einbremsen sollen, nach dem Motto – lass Fernando 2007 den Vortritt, 2008 könnt ihr euch dann um den Titel balgen.

Damals hatten wir noch das normale Punktsystem, also zehn Zähler für einen Sieg. Stand vor dem WM-Finale von Brasilien: Hamilton mit 107 Punkten vor Alonso mit 103 und Räikkönen mit 100. Ich war mir so sicher, dass einer der McLaren-Fahrer Weltmeister werden würde, dass ich je zwei grosse Artikel für den Spanier und den Engländer vorbereitete, im Sieg und in der Niederlage. Während des Rennens wurde klar: McLaren versemmelt das. In aller Eile begann ich eine Räikkönen-Version zu tippen. Unfassbar: Nach dem Thriller von Interlagos stand es Räikkönen 110 gegen Hamilton und Alonso mit je 109. Nie gab es zwischen drei Piloten eine knappere Entscheidung.

Renault, Teil 2: Skandal in Singapur

Anfang November 2007 gab McLaren bekannt, dass Alonso das Team bereits nach einem von ursprünglich drei vertraglich vereinbarten Jahren verlässt. 2008 und 2009 fuhr Alonso wieder für das Renault-Team. Nach einer enttäuschenden Saison 2008 in einem nicht konkurrenzfähigen Auto gewann er noch den Grossen Preis von Singapur und das darauffolgende Rennen in Japan und wurde so Gesamtfünfter.

Am meisten Schlagzeilen machte jedoch der Skandal von Singapur: Teamchef Flavio Briatore musste seinen Hut nehmen, nachdem herausgekommen war – er hatte Nelson Piquet angewiesen, in eine Mauer zu fahren, Alonso nutzte die Safety-Car-Phase für einen perfekt getimten Boxenhalt und gewann die Nachtpremiere im Stadtstaat.

Alonso hat bis heute jedes Wissen um den Betrug geleugnet.

Sein ehemaliger Teamkollege Lewis Hamilton wurde 2008 mit McLaren Weltmeister und nahm ihm den Titel des jüngsten Formel 1-Weltmeisters ab. Ein paar Top-Ten-Platzierungen und eine Pole-Position in Ungarn waren die Höhepunkte der Saison 2009, Alonso wurde lediglich WM-Neunter. Spekulationen um den Wechsel des Asturiers zu Ferrari erwiesen sich als richtig, als die Scuderia bekanntgab, dass Alonso – wie bereits 2007 bei McLaren – Kimi Räikkönen ersetzen und 2010 mit Felipe Massa für Ferrari starten würde.

Mission Impossible: Ferrari

Gleich bei seinem ersten Rennen für Ferrari gelang Fernando Alonso in Bahrain gleich sein erster Sieg, der Spanier war somit nach Juan Manuel Fangio, Mario Andretti, Nigel Mansell und Kimi Räikkönen der fünfte Pilot, der sein erstes Rennen für Ferrari gewann.

Bei seinem Heimrennen in Spanien stand er als Zweiter zum zweiten Mal in der Saison auf dem Podium, in Kanada wurde er Dritter und in Deutschland folgte der nächste Sieg. Allerdings profitierte er dabei davon, dass Teamkollege Felipe Massa ihn auf Anordnung des Teams vorbeigelassen hatte. Die Rennleitung sah das Überholmanöver als verbotene Stallorder an und bestrafte Ferrari mit einer Geldbusse von 100.000 US-Dollar.

Nach Platz 2 in Ungarn und einem Ausfall in Belgien folgte beim Ferrari-Heimrennen in Monza Saisonsieg Nummer 3. Mit seinem Start-Ziel-Sieg, der Pole-Position und der schnellsten Rennrunde gelang Alonso beim nächsten Rennen in Singapur das perfekte Rennen. Vor dem letzten Grand Prix des Jahres in Abu Dhabi stand Fernando Alonso in Japan als Dritter auf dem Podium, gewann in Südkorea und ging nach Platz 3 in Brasilien als WM-Führender ins letzte Saisonrennen von Abu Dhabi – der Titel mit Ferrari war zum Greifen nah. Dieses Mal stand es Alonso 246 gegen Mark Webber 238 und Sebastian Vettel 231.

Was konnte schon noch schiefgehen?

Alles.

Aufgrund einer strategischen Fehlentscheidung des leitenden Ingenieurs Chris Dyer (er legte Alonsos Rennen auf Webber aus statt auf Vettel) kam Fernando aber nur als Siebter ins Ziel, und da Sebastian Vettel gewann, wurde der Red-Bull-Racing-Pilot sensationell erstmals Weltmeister, Alonso wurde mit vier Punkten Rückstand nur WM-Zweiter.

2011 schaffte es Fernando Alonso nur ein Mal, beim Grand Prix von Großbritannien, ganz oben auf dem Podium zu stehen. Mit insgesamt zehn Podestplatzierungen und 257 WM-Punkten landete er auf Platz 4 der Fahrerwertung. Im Mai verlängerte er seinen Vertrag bei Ferrari bis zum Ende der Saison 2016.

2012 lahmte der Ferrari zu Saisonbeginn etwas, in Malaysia nutzte Alonso aber die wechselnden Wetterbedingungen und holte seinen ersten Saisonsieg.

Nach Platz 2 in Spanien und Rang 3 in Monaco fuhr er als WM-Führender nach Kanada. In Montreal kam er aber nur als Fünfter ins Ziel und Sebastian Vettel zog in der Wertung wieder an ihm vorbei. In Valencia startete Alonso nur als Elfter. Dank einer makellosen Strategie, einer Safety-Car-Phase, des Ausfalls von Sebastian Vettel und einer perfekten Fahrt feierte der Spanier beim Grand Prix von Europa jedoch seinen zweiten Saisonsieg und übernahm wieder die Führung in der WM. Nach Platz 2 in Grossbritannien folgte in Deutschland sein 30. GP-Sieg. Bis zum letzten Rennen in Brasilien stand Alonso noch vier Mal als Dritter und zwei Mal als Zweiter auf dem Podium und hatte 13 Punkte Rückstand auf Sebastian Vettel. Aber das reichte alles nicht: In Interlagos wurde Alonso zwar Zweiter, er wurde mit drei Punkten Rückstand auf Vettel WM-Zweiter.

2013 gewann Fernando Alonso in China bei seinem 200. Formel-1-Start seinen 31. Grand Prix. In Barcelona feierte er nach 2006 seinen zweiten Triumph beim Heimrennen. In den restlichen Saisonrennen gelang dem Spanier kein weiterer Sieg, holte aber noch fünf zweite Ränge sowie einmal Platz 3. Hinter dem dominierenden Sebastian Vettel wurde Alonso mit 155 Punkten Rückstand erneut WM-Zweiter.

Als früh in der Saison 2014 klar wurde, dass es mit dem WM-Titel in Ferrari-Diensten wieder nichts wird, als Teamchef Stefano Domenicali gehen musste und Ferrari-Präsident Luca Montezemolo obendrein, als sein Freund und Santander-Chef Emilio Botín starb, da war Alonso klar, dass seine Zeit bei Ferrari vorbei ist. Er kündigte und heuerte bei McLaren-Honda an. Damit stieg er vorzeitig aus seinem Vertrag mit dem Rennstall aus Maranello aus.

McLaren-Honda: Die Ernüchterung

Bei McLaren-Honda kam Alonso vom Regen in die Traufe. Statt den langersehnten dritten Titel zu holen (gleich viele also wie sein Idol Ayrton Senna), begann das Jahr schon vermurkst: Bei einem bis heute ungeklärten Testunfall in Barcelona zog sich Alonso eine Gehirnerschütterung zu und musste den Saisonstart in Australien sausen lassen. Bald wünschte er sich, seine Auszeit wäre länger gewesen. McLaren-Honda wurde zur Enttäuschung der Saison und schloss die WM als Zweitletzter ab.

Fernando Alonso schimpfte in der Öffentlichkeit wiederholt über den schwachen Honda-Motor, vor versammeltem Vorstand der Japaner bezeichnete er den V6-Turbo im SuzukaGP als «GP2-Motor». Saisonhöhepunkt: Rang 5 in Ungarn. Aber nur in England konnte Alonso als Zehnter ebenfalls punkten, so dass nur WM-Rang 17 herauskam – so weit hinten war Alonso seit den Minardi-Tagen nicht mehr.

2016 zeigte McLaren-Honda bei den Wintertests einen Aufwärtstrend. Aber Alonso konnte erst mit Verspätung davon profitieren: Nach einem fürchterlichen Unfall in Australien musste der Spanier das Rennen in Bahrain auslassen. Später, wieder komplett erholt, erlebten die Fans einen Alonso, der so stark fuhr wie immer. Aber der McLaren-Honda war so konkurrenzfähig, als müsste Alonso zum Abfahrtslauf mit nur einem Ski antreten. Alonso wurde WM-Zehnter, mit zwei fünften Rängen in Monaco und Texas als Höhepunkte.

McLaren baute für 2017 ein gutes Chassis, aber wegen der brustschwachen und unzuverlässigen Honda-Motoren kam Alonso nicht über den 15. WM-Rang hinaus. Der Spanier konnte nur fünf Mal in die Punkte fahren, Platz 6 in Ungarn war der Höhepunkt.

McLaren-Direktor Zak Brown hatte genug: Trennung von Honda, neuer Vertrag für 2018 mit Renault. Es war die Grundlage dazu, ein neues Abkommen mit Fernando zu unterzeichnen, «das über 2018 hinausgeht», wie der Kalifornier betonte.

Mit Freude blickte Alonso dem Ende der erfolglosen Honda-Partnerschaft entgegen. Als Alonso nach seinem Highlight in den drei Honda-Jahren gefragt wurde, erklärte er spitz: «Es ist schwierig, ein Rennen zu wählen, denn die Performance war eigentlich nie da.»

Unfassbar: Seit Alonso Ferrari Ende 2014 verlassen hat und zu McLaren zurückkehrte, stand er nie mehr auf dem Siegerpodest! Sein letzter Podestplatz: Ungarn 2014, als Zweiter hinter Sieger Daniel Ricciardo. Sein letzter Sieg: Barcelona 2013. Die letzte Pole-Position: Hockenheim 2012!

Dennoch: Wann immer Fachleute aufgefordert werden, die beste Handvoll Formel-1-Fahrer zu nennen, ist Fernando Alonso dabei.

Abenteuer Indy 500

Wenn wir auf die McLaren-Honda-Jahre von Fernando Alonso zurückblicken, dann muss das Fazit lauten: Grosse Erwartung, riesige Enttäuschung. Über die Jahre 2015, 2016 und 2017 meint der Spanier: «Die jüngste Saison ist die wertvollste – wegen Indianapolis. Seit der Ankündigung im April, dass wir beim Indy 500 antreten, war das eine Riesenkiste. Unglaublich, was dann im Mai in Amerika passiert ist. Diese zwei Wochen in Indianapolis waren für mich das Highlight des Jahres. Wir waren bald konkurrenzfähig, schnell genug, um in der Qualifikation vorne mitzumischen, wir haben das Rennen angeführt. Die ganze Atmosphäre war neu und aufregend. Daher werde ich die Saison 2017 immer in guter Erinnerung behalten. Ich spürte auch auf und abseits der Rennstrecken einen ganz neuen Respekt. Ich hatte den Eindruck, dass die Fans mich 2017 eher wahrgenommen haben als in den beiden Jahren davor. Und das lag vor allem an Indianapolis.»

Der Auftritt von Alonso beim Indy 500 war rundweg der Hammer.

Als Fernando Alonso 21 Runden vor dem Ende des Indy 500 aus seinem rauchenden Boliden stieg, erhoben sich die 300.000 Zuschauer im Oval und spendeten dem Spanier Applaus. Der 35-Jährige hatte sich den Zuspruch, die Zuneigung des Publikums hart erkämpft. Und mit einem ebenso beherzten wie beeindruckenden Auftritt auch redlich verdient.

Klar, es entbehrte nicht einer gewissen Tragik, was da mit Alonso bei seinem Debüt bei der 101. Auflage des Indy 500 passierte. Wäre es nicht so traurig, könnte man fast darüber lachen. Schließlich unternahm Alonso den Abstecher zu dem Klassiker in den USA, weil er in der Formel 1 vom schwachen Honda-Motor seit nunmehr fast drei Jahren genervt ist.

Der zweimalige Weltmeister wollte endlich mal wieder Racing erleben. Spüren, wie es sich anfühlt, in einem konkurrenzfähigen Auto zu sitzen. Dafür ließ er sogar den Königsklasse-Klassiker in Monaco sausen. Und dann gibt in Indianapolis ausgerechnet der Honda-Motor in seinem Andretti-McLaren den Geist auf!

Doch was Alonso bis zu diesem Zeitpunkt abgeliefert hatte, war aller Ehren wert. 26 Führungsrunden hatte er am Ende auf seinem Konto, lag die meiste Zeit auch in der vorderen Spitzengruppe, fand schnell seinen Rhythmus und zeigte viele Überholmanöver und einen starken Speed.

Gereicht hat es am Ende nicht, zum Zeitpunkt seines Ausfalls lag er auf dem siebten Platz und war auf dem Weg nach vorne. Schwächen? Zeigte Alonso kaum, unübersehbar war jedoch seine mangelnde Erfahrung mit den Restarts nach den zahlreichen Gelbphasen während des turbulenten Rennens.

Längst war Fernando vom Gedanken des Triple-Crown beseelt: Siege beim Grossen Preis von Monaco (2006 und 2007 abgehakt), beim Indy 500 und bei den 24 Stunden von Le Mans. So wie das bislang nur Graham Hill geschafft hat.

Im Januar 2018 übte Alonso in Daytona, danach setzte er sich in einen Werks-Toyota, gewann in Spa-Francorchamps auf Anhieb und eroberte dann an der Seite von Sébastien Buemi und Kazuki Nakajima den Triumph beim grössten Langstreckenrennen der Welt.

Fernando: «Ich habe ganz verschiedene Renngefährte ausprobiert. Jedes einzelne davon erfordert einen ganz bestimmten Fahrstil. Alle haben Spass gemacht. Ich fand es erfrischend, von den jeweiligen Spezialisten dieser Serien mehr über die Fahrtechnik zu lernen. Das ist alles eine gewaltige Herausforderung, und dafür lebe ich als Racer.»

«Ein Aspekt zum Beispiel: In der Formel 1 gibt es keine Traktionskontrolle mehr, in den Langstreckenautos aber sehr wohl. Das ist für den Fahrer eine grosse Veränderung. Dafür musst du mit anderen Einschränkungen leben, etwa mit dem Spritverbrauch, die bei uns nicht ganz so gravierend sind. Ich bin dankbar, dass ich die ganzen verschiedenen Autos testen darf. Das macht mich als Fahrer kompletter.»

«Ich glaube, ich bin ein besserer Fahrer als zu meiner Zeit als Weltmeister 2005 und 2006. Du hast ein tieferes Fachwissen, du weisst genau, wie du dich vorbereiten musst, du kennst dich selber besser. Wir haben heute ganz andere analytische Mittel als damals. Auch das trägt dazu bei, dass du mit einem reicheren Wissen antrittst.»

Die gegenwärtige Formel 1 hat Fernando Alonso mehr und mehr frustriert. «Wir fahren, um zu sparen. Wir müssen mit den Reifen haushalten, mit dem Sprit, mit der Energie, das ist alles frustrierend. Wenn ich Kart fahre, dann spüre ich pures Adrenalin: Ich gehe auf die Bahn und lege eine Serie hin – 55 Sekunden, dann 55.2, 55.1, 55.0, 55.1 und so weiter, ich kann zwanzig Runden innerhalb von zwei Zehnteln fahren, kein Problem. Im Formel-1-Auto fahre ich eine 1:30er-Runde, dann 1:32, die Reifen bauen ab, dann bist du auf einmal bei 1:36, du holst dir neue Walzen ab und fährst wieder 1:29. Du kannst überhaupt nicht mehr so fahren, wie es dir dein Instinkt vorgibt.»

Über den Schritt, 2019 nicht mehr Formel-1-Fahrer sein zu wollen, sagt Alonso: «Es war eine Entscheidung, an der ich seit einem Jahr herumnagte. Zur Beginn der Saison 2018 gab es viele Veränderungen im Team, einschliesslich eines neuen Motors. Ich fand, es ist es wert, noch ein Jahr zu bleiben, um zu sehen, wie sich das entwickelt. Das Auto machte Spass zu fahren, aber ich erkannte, dass es schwierig würde, echt konkurrenzfähig zu werden – also sage ich eben „auf Wiedersehen“.»

Das war aber nur einer der Gründe. «Es gab Jahre, von welchen ich wusste, dass ich wohl nicht viele Rennen gewinnen würde – 2003, 2004, 2008 und 2009 und auch 2011. Und doch blieb immer ein Element der Unwägbarkeit. Das gibt es heute nicht mehr. Wir könnten jetzt schon festlegen, wie die Rennen in Spa oder Monza verlaufen werden. Wir können die ersten 15 Positionen niederschreiben, vielleicht mit einigen wenigen Platzverschiebungen. Ich finde es schwer zu akzeptieren, wie vorhersehbar das alles geworden ist.»

«Wir gehen nach Barcelona, und nach dem ersten Wintertesttag ist klar, wie deine Saison verlaufen wird. Das ist kaum verdaulich. Ich kann immerhin sagen: Ich habe mehr erreichen dürfen, als ich mir je vorstellen konnte. Für andere Fahrer muss das noch schwieriger sein. Sie müssen darauf hoffen, dass ihrem Rennstall ein unfassbarer Schitt nach vorne gelingt oder das richtige Team anruft. Wenn sich die Dinge nicht ändern, wird die Formel 1 für ehrgeizige Fahrer ein hartes Pflaster.»

«Im Moment ist für mich die Formel 1 ein „auf Wiedersehen“. Aber wir haben in diesem Sport gesehen, wie schnell sich Dinge ändern können. Daher lasse ich die Tür zum GP-Sport offen. Ich habe keine Kristallkugel. Ich kann nicht sagen, wie sich die Dinge entwickeln werden. Daher sage ich nicht, dass ich nie wieder Formel 1 fahren werde.»

«Ich dachte auch immer: Wenn ich ich noch gut fühle, aber keine konkurrenzfähigen Leistungen zeigen kann, dann höre ich auf. Ich entscheide lieber selber als dass für mich entschieden wird.»

Der langjährige Ferrari-Technikchef Ross Brawn, heute in Diensten von Formel-1-Grossaktionär Liberty Media, spricht vielen Fans und Fachleuten aus dem Herzen, wenn er so Bilanz zieht: «Ich finde es frustrierend, ein so gewaltiges Talent in durchschnittlichen Autos zu erleben. Er hat nur zwei WM-Titel erobern können, und für einen Piloten seines Talents ist das ein Hohn.»

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