F1-Physio Jo Leberer: «Österreich reagierte richtig»

Von Mathias Brunner
Josef Leberer in Kanada 2018

Josef Leberer in Kanada 2018

​Seit mehr als dreissig Jahren ist Josef Leberer fester Bestandteil der Formel 1. Jahrelang war er enger Vertrauter und Physiotherapeut von Ayrton Senna. Der Österreicher spricht über die Welt im Würgegriff eines Virus.

Mehr als dreissig Jahre lang schon ist der Österreicher Josef Leberer in der Formel 1 als Physiotherapeut tätig. Er erinnert sich: «Zu meinem Job in der Formel 1 kam ich über Professor Willy Dungl, der in den 70er Jahren Niki Lauda betreut hatte und das auch fortsetzte, als Lauda seine zweite Formel-1-Karriere bei McLaren begann. McLaren-Teamchef Ron Dennis sprach Dungl an, er wolle einen Betreuer für seine beiden Fahrer, ob er, Dungl, da vielleicht jemanden wüsste. Willy, in dessen Reha-Klinik ich damals tätig war, hat dann mich vorgeschlagen. Im Grunde war es also ein Zufall. Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort, wenn du so willst. Willy sagte mir: ‘Du bist prima geeignet, du hast in Sachen Betreuung alles drauf, du bist kommunikativ, das ist dein Job.’ Und schon sass ich im Flieger Richtung Brasilien! Ich selber fragte mich eher: Pack ich das wirklich?»

Und so lernte Leberer auch Ayrton Senna kennen: «Er war extrem fordernd, aber er gab auch enorm viel. Er hatte eine unfassbar tolle Einstellung – willensstark, hingebungsvoll, positiv, kämpferisch, unglaublich diszipliniert, detailtreu, leidenschaftlich, natürlich auch kompromisslos. Was viele jedoch erst im Laufe der Zeit kennenlernten, das war seine extreme Menschlichkeit, eine tiefe Wärme.»

Ich habe mich oft gefragt: Was wäre wohl aus Senna geworden, hätten wir ihn an jenem 1. Mai 1994 nicht verloren? Ich stelle mir gerne vor, dass er Politiker geworden wäre, um sich noch mehr um das Wohl der Menschen zu kümmern. Was würde er wohl heute zu Covid-19 sagen? Zu einem brasilianischen Staatspräsidenten, der wochenlang versucht hat, die Lungenkrankheit zu verharmlosen? Ich bin sicher, ein Gouverneur von São Paulo namens Senna hätte längst gehandelt, während Jair Bolsonaro weiter träumte.

Jo Leberer hat das Gleiche getan wie seine Kollegen aus der Formel 1, die zum vermeintlichen WM-Auftakt von Melbourne gereist waren: «Wir begaben uns zunächst mal in vierzehntägige Quarantäne. Die ist eigentlich ausgelaufen, aber geändert hat sich für mich nichts, weil wir im Tirol ohnehin eine verstärkte Form der Ausgangssperre haben, 279 Gemeinden stehen hier unter Quaranäne.»

«Aus dem Haus dürfen wir also nur noch, um Lebensmittel zu kaufen oder um zum Arzt oder zur Apotheke zu gehen. Oder um seiner Arbeit nachzugehen, wenn Home Office nicht möglich ist. Oder um einen kurzen Spaziergang zu machen, denn wir leben hier auf dem Land, wo wir draussen ohnehin niemanden treffen. Also ist die Einhaltung des Mindestabstands kein Problem. An der frischen Luft zu sein, das ist wichtig, weil sich die Menschen bei allen Einschränkungen ja auch bewegen sollten. Wir dürfen das, aber nur alleine oder mit Menschen, die im gleichen Haushalt wohnen. Dies alles gilt vorderhand bis nach Ostern. Zudem haben wir Schutzmaskenpflicht, wenn wir einkaufen. Ich bin also generell zuhause, und die ganze Familie hält sich strikte an die Anweisungen der Regierung. Gott sei Dank sind wir alle gesund.»

«Ich finde, in Österreich ist sehr gut auf diese Krise reagiert worden. Wir waren eines der ersten Länder, das mit sehr strengen Massnahmen versucht hat, die weitere Ausbreitung des Virus zu verringern. Wir hatten in China und Italien gesehen, was dort passiert oder was sich zusammenbraut. Rückblickend gibt es immer noch mehr, was man hätte unternehmen könnte. Aber ich finde, gemessen an der Trägheit in anderen Ländern ist das in Österreich sehr gut gemacht worden.»

«Wir haben zum Glück keine solchen Verhältnisse wie völlig überlastete Intensivstationen oder wie ein Mangel an medizinischem Material, wie wir das in den Nachrichten aus anderen Ländern sehen. Das Gesundheitswesen generell in Österreich ist auf hohem Niveau, und ich glaube, diese frühe Reaktion auf die Bedrohung Corona hat dazu geführt, dass wir der Belastung standhalten. Man muss leider festhalten, dass andere Länder ihre Gesundheitssysteme zu Tode gepart haben, und das erweist sich in dieser Krise als fatal.»

«Nun wird es darum gehen: Wenn die Kurve der Ansteckung abflacht, müssen wir daran denken, wie wir schrittweise zur Normalität zurückkehren, um die Schäden für die Wirtschaft zu verringern. Denn es muss klar sein – wir können die Menschen schwerlich so lange einsperren, bis ein Impfstoff gefunden ist. Es wird unvermeidlich sein, dass sich weitere Menschen anstecken, aber eben auf eine kontrollierte Art und Weise, damit vermieden wird, was in anderen Ländern passiert. Wir müssen alle lernen, mit dieser Situation umzugehen.»

«Nun sind die Virologen und die Epidemiologen gefragt, dazu aber auch Wirtschaftsexperten, das alles ist ja als Ganzes ein Problem, das auch durch Fachleute aus ganz vielen verschiedenen Bereichen in den Griff gebracht werden muss.»

«Als schwierigsten Aspekt erkenne ich die Ängste der Menschen um die Wirtschaft. Wenn wir das ganze Lande über längeren Zeitraum so herunterfahren, sind Auswirkungen wie Arbeitslosigkeit unausweichlich. In dieser Zeit zeigt sich schmerzlich, wie wir in der Globalisierung in wirtschaftliche Abhängigkeit geraten sind. Es stört mich, dass wir gewisse Dinge gar nicht mehr selber produzieren können, sondern auf Andere angewiesen sind. Vielleicht ist in der ganzen Krise ein positiver Denkanstoss, dass wir in Sachen Landwirtschaft, Energie oder Gesundheitswesen wieder selbstständiger werden sollten – statt zu sparen und vieles im Ausland zu beschaffen.»

«Ich bin davon überzeugt, dass sich die strengen Massnahmen in Österreich positiv auswirken und wir das langsam in den Griff bekommen. Das ist auch wichtig, um eben gewisse Beschränkungen sukzessive lockern zu können. Allerdings unter Beibehaltung hygienischer Richtlinien, Mundschutz oder Händewaschen. Früher oder später müssen wir zur Normalität zurückfinden.»

«Was wir nicht verhindern können: Es gibt nun mal enge Verbindungen zu anderen Ländern. Wir können in der Corona-Bekämpfung noch so fortschrittlich sein, wir bekommen es dennoch zu spüren, wenn andere Länder noch nicht so weit sind. Das beeinträchtigt Versorgungsketten und natürlich auch die Art und Weise, wie wir uns über die Grenzen von Österreich hinaus bewegen. Ich bin ein positive denkender Mensch, aber solche Zusammenhänge werden uns noch eine Weile begleiten.»

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