IDM Superstock 600 in Assen: Die unendliche Reise

Kolumne von Daniela Weingartner
Daniela Weingartner

Daniela Weingartner

Tierrettung, Arztbesuch, Regenrennen: Ein abenteuerliches Wochenende in der IDM Superstock 600. Am Ende mit zwei Zielankünften und vielen neuen Erfahrungen belohnt.

Keinerlei Verschnaufpause blieb uns zwischen der IDM in Schleiz und der IDM in Assen. Meine Motivation hielt sich in Grenzen, als ich meinen Anreiseweg von 900 Kilometer überblickte. Nichtsdestotrotz machte ich mich am Donnerstag mitsamt Auto, Hänger und den beiden Yamaha R6 auf die unendliche Reise. Kaum 50 Kilometer auf der Autobahn zurückgelegt, schweifte mein Blick über die Szenerie des täglichen Wahnsinns der Straße, als mir plötzlich am Fahrbahnrand ein schwarzer Fleck ins Auge fiel. Kaum war ich daran vorbei, wirkt das Bild in meinem Kopf fort: Das waren doch zwei Katzenohren!

Die Gedanken in meinem Kopf rumorten. Saß dort wirklich eine Katze auf der Autobahn? Ich war mir nicht ganz sicher. Also bei der nächsten Ausfahrt raus, in die Gegenrichtung zurück, wieder auf die Autobahn und vor einer Lärmschutzmauer auf der Autobahn angehalten. Ich sah keine Katze mehr. Lediglich einen schwarzen Lumpen über einem Abfluss. Ich stieg aus und näherte mich dem schwarzen Etwas.

Mein Herz schlug bis zum Hals als ich tatsächlich ein kleines Kätzchen zusammengekauert liegen sah. Sie blickte mich erschrocken an, fauchte und versuchte im Abfluss zu verschwinden. Ich bekam Panik, dass sie auf die viel befahrene Autobahn laufen würde. Aber bei ihrem erfolglosen Versuch im Abfluss zu verschwinden, schnappte ich sie mir, hob sie hoch und drückte sie fest an mich. Sie zitterte wie Espenlaub, aber sie schien bis auf einige Schürfwunden im Gesicht unverletzt. Ich konnte mich nur schwer von «Lucky» trennen, als ich meinen Schützling im Tierheim Lechleite abgab.

Nach diesem kleinen Abenteuer setze ich meine unendliche Reise fort. Ich fuhr Kilometer um Kilometer, doch das erhoffte baldige Ende erschien unerreichbar. Kurz vor Assen traf ich mich mit Thomas Weickardt, welcher sich bereit erklärt hatte, mir wieder zu helfen. Nach 10-stündiger Fahrt kam ich bei strömendem Regen in Assen an. Wir bauten das Einsatzlager in gewohnter Nachbarschaft zum Team Laux auf.

Durchnässt bis auf die Knochen, nahmen wir unser Abendmahl zu uns. Gerade noch als ich bedauerte, keine abendliche Spazierrunde mehr um die mir komplett unbekannte Strecke geschafft zu haben, schneite bereits Stefan Laux zur Begrüßung ins Haus und versicherte mir, dass Assen nun endlich eine frauenfreundliche Strecke wäre. Juhu!

Die Nacht war kurz, insbesondere da ich immer wieder von den auf mein Autodach hernieder prasselnden Regentropfen geweckt wurde. Missmutig stand ich am Morgen auf und klagte mein Leid über den Regen. Da ich aus Zucker bin, vermeide ich es normalerweise im Nassen zu fahren. Doch dieses Mal fasste ich mir ein Herz und holte bei Dunlop Regenreifen. Ich rollte auf der mir gänzlich unbekannten Strecke vor mich hin, übersah in der ersten Runde gleich mal die letzte Kurvenkombination, was mich zu einem haarsträubenden Bremsmanöver zwang und da ich nicht stürzte, dachte ich mir….joah, die Reifen halten gar nicht so schlecht.

Auch im zweiten Turn konnte ich mich immer besser an die Regenreifen gewöhnen. In der fünften Runde legte ich mich in Turn 12, rollte ums Eck, gab wieder Gas und….huch…registrierte wie blitzartig mein Hinterreifen weg rutsche. So schnell konnte ich gar nicht schauen, stand meine R6 quer zur Fahrtrichtung und schleuderte mich unsanft aus 1,5 Meter Höhe mit dem Rücken auf den Asphalt. Mit solch einer Wucht wie ich in hohem Bogen aufschlug, produzierte ich nicht nur seismographische Ausschläge, sondern zusätzlich noch an betreffender Stelle eine neue Bodenwelle. Mich warf es wild durch die Gegend, meine R6 hinterher, schließlich blieb ich irgendwann liegen. Mir blieb nicht nur die Luft weg, auch jegliche Versuche, aufzustehen, waren vergeblich. Ich konnte mich für den Augenblick nicht mehr bewegen, da die Schmerzen meinen Körper durchzuckten. Die anderen 600er schossen an mir vorbei. Da die Stelle, an welcher ich lag, höchst ungünstig war, schaffte ich nach einiger Zeit sehr unwürdig auf allen Vieren von der Strecke zu krabbeln. Hmpf, mein erster Sturz in der Saison…ich war enttäuscht. War mein alljährlicher Neujahrvorsatz, das Jahr über nicht zu stürzen.

Die übliche Prozedur begann: Ich und meine Yamaha R6 wurden von der Strecke gekratzt, aufgeladen und gen Fahrerlager und Medical Center gebracht.

Während Thomas meine R6 wieder fahrbereit machte, ergab ich mich meinem Leid, da die Schmerzen im Rücken und in der Wade immer stärker wurden. Mir blieb allerdings nichts anderes übrig, als im nächsten Turn wieder raus zu fahren, schließlich kannte ich die Strecke noch nicht. Zur nächsten Ausfahrt war es Gott sei Dank trocken und ich schwang mich ungelenk auf die R6. Es hilft nichts: Wer noch steht, kann auch noch fahren.

Ich absolvierte meine Runden und begab mich sogleich zum Doc, welcher mir eventuelle Prellungen in den Rückenwirbeln und/oder ein beschädigtes Steißbein attestierte. Da die Schmerzen bis in die Beine ausstrahlten und um etwaige Brüche auszuschließen, wurde mir geraten, mich im Krankenhaus röntgen zu lassen. Wie das Leiden Christi, nur noch zusammengehalten von Kinesiologytape, schlich ich zurück zum Motorrad zurück und fuhr für den letzten Turn raus. Bei der Fahrt zurück ins Fahrerlager schrie es mir zu: «Wenn du noch ein Motorradfahren kannst, reicht röntgen am Montag.»

Für die Nacht gönnte ich mir eine Novalgin und konnte dank daniela-freundlicher Aufstehzeiten in Assen einem ausgiebigen Schlaf nachgehen. Am Morgen kam ich zwar kaum aus dem Bett, da ich mich wie eine 80-jährige fühlte, aber ich war fest davon überzeugt, die Sache durchzuziehen. Mein Plan: Mich mit der 115% Regelung qualifizieren und die Rennen mitnehmen. Zeiten waren mir zu dem Zeitpunkt völlig egal. Solange ich mich auf dem Motorrad halten könnte, waren mir meine Rundenzeiten egal.
Das erste Qualifying nahm ich zum Aufwärmen, konnte mich mit meinen gefahrenen Zeiten bereits locker qualifizieren. Sehr schön, das war die Pflicht, nun kommt die Kür. Für das zweite Qualifying gab es neue Reifen, ich fuhr raus und konnte meine Rundenzeit in den wenigen Runden nochmals auf eine 1.53,0 reduzieren. Ich war erleichtert.

Den gesamten Tag über erlebten wir immer wieder kehrenden leichten Nieselregen. Ich verfluchte das holländische Herbstwetter. Kein Wunder, dass viele der Holländer bei solch einem Wetter in nicht abreißenden Reiseströmen gen Süden tingeln. Für das Rennen halfen mir, wie schon in Schleiz, Oli und Martin. Sie nahmen sogar Regenreifen mit, um diese im Notfall in der Startaufstellung umzubauen. Wow, ganz toller professioneller Support. Vielen Dank!

Es ging los: Ich fuhr in die Startaufstellung. Es sah zwar nach Regen aus, aber es war lediglich bewölkt. Mit Trockenreifen und Reifenwärmern standen wir am Start und warteten. Martin lässt prüfend seinen Blick übers Motorrad schweifen und sagt lässig ans Motorrad gelehnt: «Hat das einen bestimmten Grund, dass du keinen Transponder dran hast?» Meine Augen weiteten sich vor Schreck. Ahhhh! Den hatte ich zum Aufladen gehängt. Oli nahm die Beine in die Hand und sauste, was die Füße tragen, gen Fahrerlager. Ich und Martin verbrachten bange Sekunden. Kurz bevor die Reifenwärmer entfernt werden mussten, kam Olli schnaufend zurück und brachte den Transponder an mein Motorrad an. Wir lachten uns halb tot. Ohje, sowas kann ja wirklich nur mir passieren.

Beim Start beschleunigte ich beim Erlöschen der Ampel meinen Nebenmann aus, welcher mich beim Anbremsen wieder überholte. Schon in der ersten Kurve stürzte ein Fahrer vor mir. Ich versuchte die Kettenreaktion zu berechnen, ging vom Gas und als klar wurde, in welche Richtung er schlitterte, wich ich ihm aus. Schon zur zweiten Runde bemerkte ich leichten Nieselregen auf meinem Visier.

Im Laufe des Rennens wurde dieser immer stärker, gelegentlich mal wieder weniger, es wurden hier mal rot-gelbe Flaggen geschwenkt und dann mal wieder nicht. Die Strecke verschlechterte sich von Runde zu Runde. Ich betete inständig, die rote Flagge für einen Abbruch zu sehen. Während ich nach einem abgefangenen Highsider versuchte, möglichst aufrecht durch die Kurve zu fahren, lief das Rennen bis zur Runde 10 weiter. Dieses Rennen war die Ausgeburt meiner persönlichen Albträume. Besonders nach meinem Sturz im Nassen, hatte ich hier einfach nur Angst. Ich entschied mich fürs Rumrollen und Ankommen auf dem 11. Platz der IDM Superstock 600.

Nachdem ich mir am Abend noch ein paar Tipps vom MVR-Racing-Team abgeholt hatte und einen kurzen Besuch beim Yamaha Dunlop R6 Cup gemacht habe, ging ich fertig mit der Welt ins Bett. Anscheinend hatte ich mir an dem Tag zu viel zugemutet. Die Schmerzen ließen mich erst gegen 4 Uhr einschlafen. Am Morgen blinzelte ich durchs Fenster und sah…unglaublich, aber wahr: Sonne! Ich sprang in meine Klamotten und aus dem Auto und sprang grinsend durch die Gegend: Es gab sie noch, die Sonne! Meine Motivation stieg ins Unermessliche. Mein Plan für heute: An dem gelb-schwarzen Hondafahrer vor mir dran zu bleiben, komme, was da wolle.

Am Start stand ich vor der Ampel, sie ging an und wieder aus. Ich kam gut weg, beschleunigte mein gelb-schwarzes Hauptziel aus, welcher mich wieder ausbremste und wir gingen in die erste Runde. Im Startprozedere verlor ich am meisten zu ihm, konnte allerdings die ersten fünf Runden seinen Speed gehen und hatte zwischenzeitlich auch das Gefühl, dass ich näher ran kommen würde. Ich fuhr meine persönlich beste Zeit mit einer 1.52,5. Zwischenzeitlich war ich zuversichtlich, dass ich ihn zum Ende des Rennens noch überholen könnte, da ich am Schluss immer bessere Rundenzeiten fahre als zu Beginn. Da setzten in meiner Euphorie die aus meinem Highsider resultierenden Schmerzen wieder ein, weshalb ich ab der fünften Runde meine Geschwindigkeit drosseln musste. Na gut, so nahm ich den 11. Platz bei der IDM Superstock 600 mit und war trotzdem glücklich und zufrieden, dass ich das ganze Wochenende trotz meines lädierten Zustandes durchgezogen habe, obwohl ich nur mit Tape zusammengehalten wurde.

Vielen Dank an Thomas Weickardt, ohne den ich an diesem Wochenende aufgeschmissen gewesen wäre und natürlich auch ein großes Dankeschön an Oli und Martin, welche mich höchst professionell in der Startaufstellung unterstützt haben. Danke ans Team MVR-Racing für die fahrerischen Tipps. Sowie allen Unterstützern und Fans.

Ich freue mich schon sehr auf das IDM Event zusammen mit der WorldSBK auf dem Lausitzring vom 16.-18.09.2016.

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