Suzuki GSX-R 1000 R: Bilanz nach einem Sommer

Von Rolf Lüthi
Sie war lechzend herbeigesehnt worden, nun tanzte sie einen Sommer lang auf dem Asphalt. Konnte die neue GSX-R 1000 die hohen Erwartungen erfüllen? Ein kritischer Rückblick.

Man hat lange gewartet auf die neue Suzuki GSX-R 1000, und die ersten Berichte fielen enthusiastisch aus. Man hatte der Neuen auch lange entgegengelechzt. Von 2005 bis 2008 gehörte die Suzuki zum Besten, was man bekommen konnte. 2009 kam letztmals eine neue GSX-R 1000, auf 2012 wurde sie letztmals überarbeitet. Seither warteten die Fans der Marke. Kein Wunder, waren die Erwartungen hoch – und hielten sich Journalisten nach den ersten Testfahrten mit kritischen Anmerkungen zurück.

Technisch-mechanisch hatte Suzuki auf 2017 zur Konkurrenz aufgeschlossen: Neuer, kompakterer, kurzhubiger ausgelegter Motor mit Schlepphebel-Ventilsteuerung. Dazu als Alleinstellungsmerkmal variable Einlass-Steuerzeiten mit einem bestechend einfachen, mechanischen System. Auf mechanisch variable Ansaugtrichter wurde verzichtet, zwei Einspritzdüsen pro Zylinder sind Stand der Technik. Suzuki blieb bei der konventionellen 180°-Zündfolge.

Der Radstand ist mit 1425 nicht ultrakurz (+ 20 mm gegenüber Vormodell). Die aufrechter angebaute Zylinderbank ermöglicht es, den Motor im Fahrwerk weiter nach vorne zu rücken. Dadurch ist mehr Gewicht auf dem Vorderrad und gleichzeitig konnte die Schwinge um 40 mm verlängert werden, was den Grip am Hinterrad verbessert.

Die Assistenzelektronik umfasst ABS, 10-stufige Traktionskontrolle, gekoppelt mit einer Wheeliekontrolle. Die Regelelektronik arbeitet mit einem Sechsachsen-Gyrosensor. Das R-Modell wartet zusätzlich mit einem Zweiwege-Quickshifter und einer Starthilfe auf. In diesem Punkt ist die Konkurrenz schon einen oder zwei Schritte weiter. Die Standard-Ausführung kostet 16.590 Euro/CHF 18.595.-, die R-Variante 18.990 Euro/CHF 21.295.-.

Wir fuhren das R-Modell eines Suzuki-Enthusiasten. Die teurere GSX-R 1000 R ist mit Balance-Free Federelementen von Showa ausgerüstet. Unser Suzuki-Fan, ein schneller Fahrer mit Rennerfahrung und entsprechender Pokalesammlung, wollte mit seiner neuen Suzuki mit den hergerichteten Motorrädern anderer Schnellfahrer mithalten. Das gelang, aber es resultierte eine kostenpflichtige Teileliste, die etwa doppelt so lang wurde, wie wenn er ein Motorrad einer anderen Marke als Basis genommen hätte.

Auf der Strasse bereitete die Neo-GSX-R 1000 R viel Freude: Wespentaille, zielgenaues Fahrwerk, neutrales Fahrverhalten auf der Bremse, dazu ein linearer, starker Motor mit viel Power aus der Mitte, dort, wo man auf der Strasse Leistung umsetzen kann. Dazu klingt der Vierzylinder wie ein Vierzylinder eben klingen soll, ohne unregelmässige Zündfolge.

Nach der erfreulichen Einfahrphase kam auf dem Prüfstand die erste Ernüchterung: Suzuki hatte die stärkste 1000er versprochen, am Hinterrad stellten sich auf dem Prüfstand ein: 175 PS bei 12.455/min, 110,5 Nm bei 10.178/min am Hinterrad, gemessen mit einem Ammerschläger P4. Da gibt es doch eine markante Differenz zu den versprochenen 202 PS, die sich mit dem Hochrechnen auf Kurbelwellen-PS nicht auffüllen lässt. Mit einer Yoshimura-Auspuffanlage und Abstimmung auf dem Prüfstand resultierten 189,3 PS bei 13.315/min und 109,8 Nm bei 10.118/min. Besser, aber kein Auslöser von Schnappatmung.

Die Suzuki sollte ausschliesslich auf der Rennstrecke gefahren werden. Also wurde eine Rennverschalung angebaut, andere Fussrasten und Lenkerstummel, Sturzprotektoren und als happige Investition OZ-Schmiedefelgen. Unter anderem wurden der Aktiv-Kohlefilter und das Sekundärluftsystem entfernt und im Motormanagement deaktiviert. Die Umbauten reduzierten das Gewicht von vollgetankt 205 kg auf 191 kg. In der Summe wurden 15.000 Franken investiert – in ein neues Motorrad.

In den ersten Berichten wurde die Suzuki allenfalls für leicht träges Einlenkverhalten kritisiert, was ihr Autor nicht bestätigen kann. Vermutlich haben meine Kollegen trotzdem recht, denn ich fuhr die Suzuki als Rennstreckenumbau mit den erwähnten, leichten Rädern. Die OZ-Felgen sind vorne 0,450 kg und hinten 1,050 kg leichter. Die Suzuki brillierte in Anneau du Rhin mit einer zielgenauen Präzision, die einem sofort Vertrauen fassen lässt zu diesem Motorrad. Man muss je nach Passage etwas mehr arbeiten als zum Beispiel mit einer neuen Yamaha R1, man fühlt sich aber immer sicher und Herr der Linie. Das Fahrwerk funktioniert mustergültig, die Strassenlage und das Feedback sind hochklassig. Das Motorrad ist sehr schlank und bietet viel Bewegungsfreiheit. Auf dieser Strecke ist man von der Motorleistung her auf der Höhe der anderen 1000er neuesten Jahrgangs – aber eben nicht überlegen.

Wer schneller fahren will, den ärgert, dass Traktions- und Wheeliekontrolle nicht getrennt einstellbar sind. Das ABS ist für die öffentliche Strasse entwickelt, für die Rennstrecke gibt es keine Einstell-Option. Mit Slicks wird so viel mehr Grip aufgebaut, dass das ABS viel zu früh einsetzt. Es bleibt nichts anderes übrig, als mit der handwerklichen Methode (Sicherung ausbauen) das ABS stillzulegen. Nun erreicht man die volle Rennstrecken-Verzögerung, aber halt ohne das Sicherheitsnetz eines ABS im Hintergrund.

Die Basis stimmt, und die Käufer, welche die neue GSX-R 1000 auf der Strasse fahren, dürften hochgradig zufrieden sein. Für den Rennstreckeneinsatz braucht es Modellpflege: Die versprochene Motorleistung muss geliefert werden, möglichst ohne Einbusse beim Drehmomentverlauf. Es braucht mehr Einstellmöglichkeiten der Elektronik und die monierten Handlingprobleme müssen mit leichteren Rädern ausgeräumt werden.

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