«Beinahe hätte ich aufgehört»

Kolumne von Richard Speiser
WM-Rang 3 ist Speisers grösster Karriere-Triumph

WM-Rang 3 ist Speisers grösster Karriere-Triumph

Turbulente und nervenaufreibende Wochen liegen hinter mir! Zum Beispiel der letzte Grand Prix in Marienbad am vergangenen Samstag.

In Marienbad bin ich vorher noch nie gefahren, und 1000-Meter-Bahnen gehören auch nicht unbedingt zu meinen Favoriten. Aber ich hatte einen Vorsprung von 16 Punkten auf den bis dahin viertplatzierten Mathieu Trésarrieu, und somit wäre ein mittelmässiges Ergebnis mit 14 Punkten aus dem ganzen Rennen absolut ausreichend gewesen, um den dritten Platz endgültig zu sichern.

Trotzdem liefen die Vorbereitungen noch mal auf Hochtouren, und Marcel Gerhard und Joachim Kugelmann haben meine beiden Motoren in absoluter Rekordzeit noch mal hundertprozentig überprüft und vorbereitet.

Das Training lief dann auch vielversprechend, aber nach einer eher mageren Punkteausbeute im ersten Lauf kam der Super-GAU: Ausfall im zweiten Lauf auf Position 2 liegend – und das 100 Meter vor dem Ziel! Vier ganz wichtige Punkte waren somit weg, und es ist nicht etwa ein Motor explodiert oder ein Zahnriemen gerissen, sondern der Sprit ist ausgegangen. Da der Tank aber vor dem Lauf randvoll war, muss das komische gelb farbene Tschechen-Methanol durch irgendeinen ungünstigen Zufall abgehauen sein – was genau passiert ist, werde ich wohl nie erfahren.

Trésarrieu hatte auch keinen besonderen Tag, aber Andrew Appleton kam punktemässig immer näher! Im letzten Vorlauf konnte ich ihm in einem heissen Duell noch einen wichtigen Punkt abnehmen – welcher später meinen kompletten WM-Platz entschied! Vor allem, weil ich wegen des Ausfalls nicht mehr für die Semifinals qualifiziert war und mein Punktevorsprung noch genau neun Punkte betraf! Hätte Appleton das Semifinale und Finale gewonnen, wäre mein WM-Rang 3 weggewesen – und er war an diesem Tag richtig schnell unterwegs. Das ist ein richtig bescheidenes Gefühl: Es geht um deine Bronze-Medaille in der Weltmeisterschaft – aber du kannst nichts mehr dafür tun. So blieb mir nichts anderes übrig, als Stephan Katt und Peppi Rudolph – die auch richtig schnell waren – zu motivieren, dass sie mich in meinem indirekten WM-Kampf unterstützen und Andrew doch bitte auf die Plätze verweisen sollen.

Katt hat es dann wirklich fertiggebracht, Appleton zweimal mit einem Start-Ziel-Sieg auf den zweiten Platz zu verweisen und mir damit die Bronzemedaille in der WM mit einem (!) Punkt Vorsprung zu sichern. Natürlich nicht ganz uneigennützig, hat er damit doch den Grand Prix gewonnen und sich die von mir versprochene «groooosse» Kiste Bier wirklich verdient. An dieser Stelle noch mal ein grosses Dankeschön und Gratulation von meiner Seite.
Im Finale war ich mehr aufgeregt, als wenn ich selbst fahre, und hätte mir in der letzten Runde beinahe in die Hose gemacht. Die Freude danach war umso grösser!

Die gleiche super Teamleistung und dieselbe Spannung im Finale hatten wir auch schon bei der Team-WM in Morizes: Vor dem letzten Vorlauf hatten wir genauso viele Punkte wie die Franzosen und traten auch gegen diese an. Wer also den Vorlauf gewinnt, durfte zuerst die Startplätze wählen – was an diesem Tag besonders wichtig war, da der äussere Startplatz die anderen bei weitem überragte. Mit Katt, Smolinski und mir waren die Franzosen aber durchaus zu schlagen – bis dann Smolinski wegen einer falschen Helmfarbe disqualifiziert wurde! Somit standen wir zu zweit gegen drei Franzosen, mussten aber unbedingt gewinnen.
Nach zwei Bombenstarts lagen wir in Führung, aber drei Franzosen lagen mir im Nacken – und die waren genauso heiss auf den Sieg wie wir. Vor der zweiten Kurve kam ein Franzose von innen und einer von aussen – wobei mich der eine nach aussen und der andere nach innen drücken wollte. Ich habe nur kurz das Gas weggenommen und zwei Meter vor meinem Vorderrad haben sich die beiden Landsleute gegenseitig vom Motorrad runtergefahren.
Den Wiederholungslauf zwei gegen zwei konnten wir locker gewinnen und hatten die besten Voraussetzungen fürs Finale.

Bei der Team-WM zählen am Ende nur die Punkte im Finale, somit war wieder alles offen. Mit der gleichen Aufstellung wie zuvor sollten wir auch diesen Lauf und damit die Weltmeisterschaft gewinnen können. Doch kurz nach dem Start hörte ich es an Smolinskis Bike böse krachen und sah ihn ausrollen! Eine Katastrophe – wir waren schon wieder nur zu zweit! Stephan Katt war nach einem Bombenstart in Führung, und ich wusste, es liegt jetzt nur noch an mir. Nach vier quälend langen Runden und einer kurzen Rechnung, ob mein dritter Platz im Finale ausreicht, hatten wir es geschafft und den WM-Titel wieder einmal gewonnen!

Nun steht noch das Ligafinale am 3. Oktober in Landshut aus, laut Teamchef Georg Hack werde ich da auch die Landshuter Weste überstreifen. Sicher sagen kann man das aber erst, wenn ich am 3. Oktober ans Band rolle.

Insgesamt ist es eine wirklich grandiose Saison für mich – und seit drei Jahren die erste ohne Verletzungspause!
Vor allem, wenn man bedenkt, wie die Saison für mich begann: Nach drei kapitalen Motorschäden hatte ich eine Woche vor Saisonbeginn keinen Motor und kein Geld mehr in der Tasche und keine Ahnung, wie ich die Saison bestreiten soll. Es ist nie bekannt geworden, wie kurz ich davor war, dass ich den Stahlschuh an den Nagel hätte hängen müssen, wenn mir nicht ein paar wirkliche Freunde unter die Arme gegriffen hätten. Marcel Gerhard und Joachim Kugelmann haben mir in kürzester Zeit sauschnelle Motoren hervorgezaubert, und Freunde und Sponsoren haben zusammengelegt, um mir das Material zu bezahlen. Ich freue mich, dass ich allen, die immer an mich geglaubt haben, mit einem dritten Platz in der WM und einem zweiten Team-Weltmeister-Titel danken kann!

Ganz nach dem Motto «Nach der Saison ist vor der Saison» beginne ich schon gleich mit der Vorbereitung für die nächste Saison, damit nächstes Jahr vielleicht noch besser wird – dass ich ein starkes Team hinter mir habe, weiss ich ja jetzt.

Mein Studium läuft übrigens auch noch, sieben Semester habe ich neben dem Rennen fahren schon abgeschlossen. Nächste Woche beginnt mein achtes und letztes Theorie-Semester, danach folgt nur noch meine Diplomarbeit.

Das war eine Kurzfassung meiner letzten Wochen, und ich hoffe, viele Fans beim Ligafinale in Landshut zu sehen – wo wir hoffentlich erneut den Titel feiern können!


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