Elena Rosell und ihre Sonderrolle
Elena Rosell tritt für den katarischen Verband an
Die meisten anderen Sportarten, von Leichtathletik über Mannschaftsspiele bis hin zu Tennis oder Golf, sind unterteilt in Damen- und Herrenwettbewerbe – eine Unterscheidung, die im Motorsport nicht getroffen wird. Elena Rosell, die einzige Frau im GP-Sport, hat damit kein Problem.
«Das finde ich richtig so», bekräftigt sie. «Es gibt Sportarten, bei denen sich die Kräfteverhältnisse grundsätzlich unterscheiden. In der Leichtathletik oder beim Tennis, dort können Frauen einfach nicht mit der Schlagkraft der Männer mithalten. Doch im Motorsport ist das anders. In der Moto3-Klasse könnten Frauen mit zierlicher Statur sogar im Vorteil sein. Für grössere Kategorien wie die Supersport- oder die Moto2-Klasse brauchst du mehr Kraft, und ein Junge kann sie sich in wenigen Tagen im Sportstudio antrainieren. Als Frau musst du mehr investieren. Sagen wir, vier Monate intensiver körperlicher Vorbereitung. Doch es ist zu schaffen», erklärt die Spanierin, die im QMMF-Team eine Moriwaki steuert.
QMMF hat es sich auf die Fahnen geschrieben, Frauen zu fördern, wie auch der gescheiterte Versuch, Nina Prinz eine Sachsenring-GP-Wildcard zu besorgen, bewies. QMMF-Präsident Nasser Khalifa Al Attyah: «Wir haben bereits erfolgreich mit Fahrerinnen in der Meisterschaft von Katar und in der Langstrecken-WM gearbeitet, und jetzt sind wir das erste Team, das einer Lady die Möglichkeit gibt, die komplette Moto2-WM zu bestreiten. Wir wollen Fahrerinnen dazu ermuntern, auf WM-Niveau anzutreten und ich sehe es als Teil meiner Verantwortung als Vizepräsident der FIM, solche Möglichkeiten zu eröffnen.»
Der Präsident sieht das ganze Land mit im Boot: «Gleichzeitig wollen wir der Welt zeigen, dass wir ein aufgeschlossenes Land sind und dass wir an das Recht von Frauen glauben, ihre wahren Talente zu entfalten. Ich glaube vielmehr fest daran, dass sie auf Augenhöhe mit ihren männlichen Rivalen im Motorradsport antreten können und dass sie das gleiche Talent zu Siegen haben.»
Das waren starke Sprüche für den Vertreter eines Landes, in dem ein grosser Teil der weiblichen Bevölkerung bis heute bodenlange schwarze Gewänder und Schleier tragen, aus denen nicht einmal die Nasenspitze hervorlugt. «Beruf und Religion vermischen wir nicht», setzte Nasser Khalifa sofort hinzu. «Wenn Familien und Frauen aus religiösen Gründen bestimmte Traditionen wahren wollen, so steht es ihnen frei, dies zu tun. Wir respektieren die religiösen Überzeugungen unserer Bevölkerung, so wie es auch das Christentum tut. Doch was Beruf und Ausbildung angeht, gilt bei uns Chancengleichheit für beide Geschlechter.»
Obwohl Al Attiyah sie engagiert hatte, war Rosell doch überrascht von der Deutlichkeit dieser Äusserungen. «Andere Länder können sich an dem, wofür Nasser da einsteht, ein Beispiel nehmen. Ein Land, das als so verschlossen gilt, hat nicht nur mir diese Möglichkeit gegeben, sondern haben in der Meisterschaft von Katar ebenfalls Fahrerinnen am Start und betrieben letztes Jahr sogar ein ausschliesslich aus Fahrerinnen zusammengesetztes Langstreckenteam. Das zeigt, dass dieses Land Frauen ihren Weg öffnen will. Es ist wirklich ungewöhnlich, dass solche Angebote nicht aus dem Westen, sondern aus einem arabischen Land kommen.»