Ana Carrasco: «Ich bekomme viele Liebesbriefe»

Von Otto Zuber
Die einzige Frau im GP-Sport nimmt ihre zweite WM-Saison in Angriff, Carrasco fährt neu eine Kalex-KTM bei RW Racing. Das Interview über ihren Aufstieg, ihre vielen Fans, das starke Rookie-Jahr und das Bangen im Winter.

Ana Carrasco liess im letzten Jahr viele Kritiker verstummen. Als 16-jährige WM-Einsteigerin zeigte sie im Team Calvo an der Seite des späteren Weltmeisters Maverick Vinales ein bravouröses Rookie-Jahr. Die Teenagerin holte 2013 neun WM-Punkte und damit zum Beispiel neun mehr als Luca Amato, Toni Finsterbusch und Florian Alt zusammen. Die Spanierin war damit die beste Frau in der WM, seit die Japanerin Tomoko Igata 1995 in der 125-ccm-WM gleich 23 Punkte einsammelte.

Trotzdem wurde die Winterpause zum Geduldspiel, lange stand die Zukunft in der WM auf der Kippe. Schliesslich brachte Carrasco genügend Sponsoren zusammen, um bei der niederländischen Mannschaft RW Racing GP für 2014 zu unterschreiben. Vor zehn Tagen wurde Carrasco 17 Jahre alt, wir haben mit ihr vor dem Saisonstart über ihre Karriere und ihre besondere Rolle gesprochen.

Ana, wie bist du überhaupt zum Motorradsport gekommen?

Meine Familie hatte etwas mit Motorrädern zu tun, mein Vater war Mechaniker und besorgte meiner älteren Schwester ein Minibike. Sie hat das aber nicht wirklich interessiert, aber ich mochte es. Es war wie ein Spiel für mich, ich wollte immer schneller und schneller sein und die beste von allen.
Irgendwann ergab sich die Möglichkeit, bei Rennen mitzumachen und auf das nächste Level zu kommen. Zu diesen Zeitpunkt war mein Vater aber nicht mehr zufrieden. Eine Tochter, die mit Puppen spielt ist viel weniger kostspielig und weniger gefährlich (lacht)! Aber er war auch stolz. Er wusste, dass es das war, was ich machen wollte und hat mich überall unterstützt.

Ein Mädchen im Motorradsport ist aber noch immer aussergewöhnlich.

Für mich ist es nicht seltsam, das einzige Mädchen zu sein, ich bin es mir gewöhnt. Aber in jeder neuen Klasse musst du dich wieder aufs Neue beweisen. Im Rennsport ist jeder Aufstieg in eine andere Klasse sowieso schwierig, aber für mich umso mehr Die Buben hassen es, von einem Mädchen überholt zu werden, noch mehr als wenn ein Knabe überholt. Deshalb musste ich härter als jeder andere dafür arbeiten. Nicht nur auf der Strecke, sondern auch zwischen den Rennen. Ich trainiere fünf bis sechs Stunden täglich.

Du bist in deiner ersten Moto3-WM-Saison beim Finale auf Rang 8 gefahren. Wie hast du dein erstes GP-Jahr erlebt?

Es war ein seltsames und hartes Jahr. Am Anfang machte ich eine schwierige Zeit durch, weil ich mich an alles gewöhnen musste. Neues Motorrad, neues Team, neue Klasse und neue Strecken. Ich bin das erste Mal ausserhalb von Spanien gefahren. Das Niveau ist sehr hoch, jeder ist unfassbar schnell. Es war schwierig, zwei oder drei Sekunden schneller zu fahren als vorher. Es war hart, diese Rundenzeiten zu schaffen.
Ich habe unermüdlich gearbeitet und meine Resultate wurden von Rennen zu Rennen besser. Speziell von Misano an. Aber gleichzeitig wurde es seltsam, denn es war die Zeit, als alle neue Verträge unterschrieben.
Ich bin ein wenig unruhig geworden und wollte umso mehr beweisen, dass ich es verdient habe. Aber es wurde noch schwieriger, auch wenn ich in Malaysia als erstes Mädchen Moto3-Punkte holte, in Australien Startplatz 7 schaffte und in Valencia Achte wurde. Der Winter war kompliziert. Mein Gefühl bei RW Racing stimmte von Anfang an, aber ich musste Sponsoren auftreiben. Das war schwierig, aber ich habe Leute um mich, die wirklich an mich glauben. Die Unterschrift auf dem Vertrag war dann eine grosse Erleichterung.

In deinem Rookiejahr warst du bei Calvo in einem spanischen Team, die Sprache war kein Problem. Nun bist du in einer niederländischen Mannschaft gelandet. Wie fühlst du dich unter den Leuten, die eine andere Sprache sprechen?

Mein Englisch hat sich deshalb ziemlich rasant verbessert (lacht)! Das musste es auch. Jeder spricht englisch und hat viel Geduld mit mir. Ich bin glücklich, dass ich Miguel, meinen spanischen Mechaniker der schon drei Jahre mit mir arbeitet, mitbringen konnte. Es ist schön, jemanden dabei zu haben, der mich sehr gut kennt, der Spanisch spricht und dessen Englisch besser ist als meines. Ich denke, wir passen gut ins Team.
Ich habe mit Luis Salom gesprochen, der zwei Jahre bei RW Racing war. Er versicherte mir, dass es eine gute Wahl ist. Luis vermisst das Team noch immer, es war wie eine Familie für ihn. Nun weiss ich, was er meinte. Ich fühle mich gut aufgehoben, ich trainiere auch auch mit meinem Teamkollegen Scott Deroue. Wenn wir joggen, reden wir jede Menge.

Du bist bisher KTM gefahren. Wie verlief der Umstieg auf die Kalex-KTM?

Es ist ein grossartiges Motorrad, aber der Unterschied ist gross. Du musst die Kalex anders fahren, mit mehr Aggressivität. Es ist schwieriger zu fahren, speziell wenn es windig ist. Wir haben uns bei den Tests manchmal abgemüht, aber das Team arbeitete emsig an Lösungen. Ich war beim ersten Test in Jerez eine Sekunde schneller als letztes Jahr und beim zweiten Test dort nochmals besser. Mit dem richtigen Set-up kann ich schnell sein.

In deinem ersten WM-Jahr bist du in Spanien richtig populär geworden, auf Facebook und Twitter hast du über 90.000 Fans. Es scheint, als du trotz deiner erst 17 Jahren bereits für viele ein Vorbild bist.

Ich bin es mir gewöhnt, dass jeder auf mich schaut. Das ist einfach so, wenn du das einzige Mädchen bist. Aber manchmal ist es schwer zu begreifen, dass ich so viele Fans habe. Ich fühle mich nicht derart speziell. Aber es ist eine grosse Motivation und ich hoffe, alle Fans glücklich zu machen.
Viele meiner Fans sind Jungs und Ja, ich bekomme viele Liebesbriefe… Aber auch viele Mädchen verfolgen meine Karriere, ich hoffe, ich kann ihnen als Ansporn dienen, im Leben auch etwas zu erreichen.
Meine echten Freunde vermisse ich aber, sie sind nicht im Fahrerlager dabei. Sie sind zuhause in Murcia und müssen noch immer in die Schule gehen, während ich um die Welt reise. Die Schule ist für mich mehr oder weniger vorbei… Ich hoffe, dass mich meine Freunde bei den Rennen in Spanien besuchen kommen.

Was erwartest du von deiner zweiten WM-Saison?

Ich hoffe, dass ich es ein paar Mal in die Top-Ten schaffe. Ich weiss, dass es hart wird, weil alle schneller geworden sind und die Abstände nicht wirklich gross sind. Du kannst um Rang 8 kämpfen, und zwei Kurven danach auf Platz 16 liegen… Aber es gibt viele Strecken, die ich mag und wo ich mir Chancen ausrechne.

Auch diejenige in Katar, wo diesen Sonntag der Auftakt stattfindet?

Ja, diese Strecke mag ich sehr. Sie passt zu meinem Stil. Letztes Jahr hatte ich einige Probleme im Training und bin im Rennen 20. geworden. Nun mit dem neuen Bike will ich mindestens einen besseren Rang als 2013 erreichen.

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