Bald offiziell: Tom Lüthi fährt MotoGP bei Marc VDS

Von Günther Wiesinger
Die Würfel sind gefallen: Tom Lüthi steigt 2018 mit 31 Jahren in die MotoGP-Weltmeisterschaft auf. Er wird bei Marc VDS Teamkollege seines Moto2-Rivalen Franco Morbidelli.

Aller Voraussicht nach wird 2018 nach genau 20 Jahren erstmals wieder ein Schweizer in der Zweirad-Königsklasse zu sehen sein: 1998 ersetzte Eskil Suter im MuZ-500-Team den verletzten Stammfahrer Doriano Romboni für acht Rennen.

Die MuZ war damals mit einem ROC-Chassis aus Frankreich ausgestattet. Eskil Suter hatte eigentlich seine GP-Karriere schon beendete, agierte aber für das MuZ-Motorrad als Testfahrer, die 500-ccm-V4-Zweitakt-Motoren wurden bei der Engineering-Firma «swissauto» in Burgdorf/Schweiz von Urs Wenger gebaut. 1999 hiess das Bike dann MuZ-Weber, Suter baute das Chassis; Jürgen van den Goorbergh sorgte überraschend für zwei Pole-Positions in Barcelona und Brünn – gegen die Werksteams von Honda, Yamaha und Suzuki und gegen Stars wie Crivillé, Roberts Jr., Okada, Biaggi, Gibernau, Abe und Checa.

«Ich bin damals in Mugello, Le Castellet, Jarama, Assen, Donington, auf dem Sachsenring, in Brünn und Imola gefahren», erinnert sich der Vorstandsvorsitzende von Suter Industries heute.

Wer war der letzte Schweizer Stammfahrer in der 500-ccm-Klasse, die 2002 durch die 990-ccm-MotoGP-Viertakt-Kategorie abgelöst wurde, in der noch nie ein Eidgenosse an den Start ging?

Da fällt uns Adrian Bosshard ein, der zuerst Motocross fuhr, dann die 250er-GP, ehe er 1995 mit einer ROC-Yamaha in die 500-ccm-WM aufstieg, WM-Siebzehnter wurde – mit Platz 10 bei  britsichen WM-Laf als bestem Ergebnis. Bosshard ist heute CEO der Uhrenmarke Certina.

Vorher trat der Basler Privatfahrer Niggi Schmassmann an, der die 500-ccm-WM in den Jahren 1989 bis 1991 mit einem Schmalspurbudget auf den Rängen 28, 19 und 24 abschloss und eine Dreizylinder-Honda steuerte. Bestes Ergebnis: Platz 9 mit vier Runden Rückstand beim Jugoslawien-GP 1990, als nur neun Fahrer ins Ziel kamen und 16 starteten.

Übrigens: Eskil Suter schaffte mit der MuZ 500 1998 beim GP von Deutschland auf dem Sachsenring Rang 13 als bestes Ergebnis.

Tom Lüthi: Bei Marc VDS in der engeren Wahl

Tom Lüthi träumt seit Jahren von einer MotoGP-Karriere, aber in den Klassen 250 ccm (in den Jahren 2007, 2008 und 2009) sowie nachher in der Moto2-Klasse (2010 auf Moriwaki, dann bis Ende 2014 auf Suter, seither auf Kalex) gelangen ihm bis zur zweiten Saisonhälfte 2016 nie ausreichend überzeugende Resultate.

Außerdem setzte 2014 ein Jugendwahn ein, ausgelöst durch Honda mit Jack Miller, fortgesetzt 2015 bei Suzuki durch Maverick Viñales, der Lüthis MotoGP-Chancen schmälerte.

Nach dem Aufstieg in die Mittelgewichtsklasse wurde Lüthi (bisher 14 GP-Siege) immer wieder mit MotoGP-Teams in Zusammenhang gebracht – mit BMW, mit Ilmor, mit Suzuki, mit Tech3-Yamaha, mit Martinez-Honda nach der Saison 2014. «Aber in Wirklichkeit hat es nie ein konkretes Angebot gegeben, nie konkrete Verhandlungen», sagt der 125-ccm-Weltmeister von 2005.

In den letzten Tagen hat sich abgezeichnet, dass Tom Lüthi mit 30 Jahren bei Marc VDS Honda neben Stefan Bradl und Sam Lowes in der engeren Wahl stand, alle anderen Kandidaten waren ausgesiebt worden.

Die beiden MotoGP-Tests mit KTM im Jahr 2016 haben Marc VDS-Teamprinzipal Michael Bartholemy überzeugt; Tom galt dadurch nicht mehr als absoluter MotoGP-Neuling. Lüthi fuhr beim zweiten Test im Juli 2016 in Spielberg so schnell wie Mika Kallio, der zuletzt auf dem Red Bull Ring auf der KTM RC16 mit Rang 10 überzeugte.

Dazu kommt, dass Tom Lüthi seit rund einem Jahr in der Moto2-WM durch die Form seines Lebens beeindruckt: Der Berner gewann 2016 in Katar und dann in der zweiten Saisonhälfte in Silverstone, Motegi und Phillip Island, er wurde Vizeweltmeister vor Alex Rins und liegt auch jetzt in der WM (nach neun Podestplätzen in elf Rennen) an zweiter Stelle – nur 26 Punkte hinter Leader Franco «Morbido» Morbidelli, der 2018 bei Marc VDS Honda sein Teamkollege sein wird. Die beiden Asse gingen zuletzt schon sehr respektvoll miteinander um.

«Es ist die ganze Saison schon schwierig gegen Franco. Er gewinnt ein Rennen nach dem andern. Aber die Saison ist noch extrem lang, da kann noch viel passieren», meinte der Schweizer nach dem Rennen in Spielberg über seine Titelchancen 2017. «Es ist schwierig, ihn zu schlagen, sonst hätte ich es schon öfter gemacht. Franco gewinnt viele Rennen. Aber Alex Márquez ist genau so da. Auch viele andere Fahrer können Rennen gewinnen.»

Neben Bartholemy sind auch Teambesitzer und Bier-Milliardär Marc van der Straten, HRC und Sponsor Estrella Galicia 0,0 von der Schlagkraft des 30-jährigen Schweizers überzeugt. Eine Mitgift von ca. 500.000 Euro durch treue Geldgeber wie CarXpert und Interwetten erwies sich als nützlich. Denn das Marc VDS Team verliert für 2018 rund 1,5 Millionen Euro an Zuschüssen von Honda, die HRC-Schützling Jack Miller (er geht zu Pramac) bisher dort bekam. Deshalb werden von Marc VDS für die kommende Saison bei Honda 2017-Motorräder geleast, was preisgünstiger ist.

Marc VDS-Teamchef Michael Bartholemy (er spricht perfekt Deutsch) will sich zur Fahrerwahl für 2018 noch nicht offiziell äußern. «Wir haben vereinbart, dass wir Honda bis zum Silverstone-GP Bescheid geben und haben zuletzt mit einem Fahrer vertieft verhandelt», erklärte der Belgier.

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