Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Alberto Puig: «Komplizierter Tag für Márquez»

Von Günther Wiesinger
Repsol-Honda-Teamchef Alberto Puig schenkte den fadenscheinigen Ausreden von Marc Márquez Glauben. Eines steht fest: Weitere Strafen für den Weltmeister sind nicht vorgesehen.

Nachdem Weltmeister Marc Márquez beim GP von Argentinien zuerst wie ein Anfänger auf dem Grid herumgeirrt war und sich dann als Geisterfahrer betätigt hatte, rempelte er sich 24 Runden lang durch Argentinien. Er wurde dreimal innerhalb von 40 Minuten bestraft.

Zuerst mit einem «ride through»-Penalty wegen des gespenstisches Auftritts auf dem Grid, dann mit einem «drop one position»-Penalty wegen nach dem Auffahrunfall bei Aleix Espargaró und dann mit einer 30-sec-Strafe wegen der rücksichtslosen Beseitigung von Rossi.

Nach diesem ereignisreichen Grand Prix gingen die Wogen hoch. Nicht nur die Rossi-Fans forderten eine rigorose Bestrafung und eine Suspendierung des Repsol-Honda-Stars, bis er sein erhitztes Köpfchen abgekühlt habe.

Aber in dieser Hinsicht wird nichts mehr passieren.

«Es wird nach diesen Vorfällen vom Sonntag keine weiteren Strafen gegen Marc Márquez geben», versicherte Race Director Mike Webb im Exklusiv-Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Sobald ein Vorfall behandelt und eine Strafe ausgesprochen wurde, können wir keine weiteren Strafen verhängen. Seit wir keine Strafpunkte mehr verteilen, sprechen wir die Strafen gleich am Renntag aus, wenn das möglich und angebracht ist.»

Alberto Puig, 1985 Halbliter-GP-Sieger in Jerez auf Honda und seit diesem Jahr Teamprinzipal bei Repsol-Honda, versuchte seinen Schützling Marc Márquez in Schutz zu nehmen.

«Ich denke, das war ein wirklich komplizierter Tag für Marc», grübelte Puig. «Von meinen Verständnis her war ihm nicht ganz klar, was auf dem Startplatz vor sich gegangen ist. Normal würgst du ja den Motor auf dem Grid nicht ab. Es kommt fast nie vor, dass der Motor ausgeht. Dieses Missgeschick war der Ausgangspunkt, dem eine Reihe von Umständen folgten, die alles kompliziert gemacht haben. Klar, der Fahrer agiert so, wie er es für richtig hält. Stell' dir vor, du stehst auf dem Startplatz, der Motor stirbt ab, hinter dir stehen 20 Fahrer mit laufenden Rennmotoren. In so einem Fall willst du dich in Sicherheit bringen, oder? Marc ist also auf seinen Startplatz zurückgekehrt, als sein Motor wieder lief, weil er dachte, der Funktionär habe das so angeordnet. Niemand entfernte ihn dann von seinem Startplatz. Das war der Ausgangspunkt für ein nicht so gutes Rennen...»

«Marc hat gut erklärt, was mit Aleix passiert ist», ergänzte Puig. «Er rückte mit hohem Speed zu Aleix auf und fuhr zu diesem Zeitpunkt drei Sekunden schneller als der Aprilia-Pilot. Als er dann in der 21. von 24 Runden Valentino in die Quere kam, sah man das Wasser auf der Ideallinie. Es sieht so aus, als habe bei Marc das Vorderrad blockiert. Marc musste die Bremse loslassen und die Maschine aufrichten. Er hatte etwas Platz, und wenn man sich die Szene im Fernsehen anschaut, sieht man, er war nicht wirklich am Limit. Auch Valentino wurde ein Spur nach außen getragen. Leider hat ihn Marc berührt, wegen des Problems mit dem Wasser. Vale ist dann auf dem Gras gestürzt. Wir betrachten das als Rennunfall, der uns sehr leidtut.»

«Natürlich war es eine brenzlige Situation, jeder hat seine eigene Interpretation des Zwischenfalls mit Rossi», ergänzte Puig. «Der Fahrer hat eine andere Ansicht als die Race Direction… Wir glauben natürlich den Aussagen unseres Fahrers.»

«Ich denke, Valentino hat genug Erfahrung, er ist ein Racer, er weiß, dass solche Vorkommnisse passieren können, besonders bei so schwierigen Verhältnissen», meint Alberto Puig. «Uns tut sehr leid, was passiert ist. Aber unser Fahrer war nicht außer Kontrolle. Die Bedingungen waren einfach trickreich und knifflig. Als ehemaliger Rennfahrer kann ich mir ausmalen, dass die Leute von Yamaha nicht happy sind. Aber so etwas kann vorkommen.»

Werden Puig und Márquez einen weiteren Schlichtungsversuch bei Rossi unternehmen? Puig: «Marc hat sofort nach der Rückkehr an die Box gesagt, er wolle sich entschuldigen und alles erklären. Es war Marcs Entscheidung, dorthin zu gehen. Wir marschierten also zur Yamaha-Box. Sie haben uns aber gebeten, wieder zu gehen. Ich kann das verstehen. Wenn das deinem Fahrer passiert, bist du verärgert. Aber ich wiederhole: 'That’s racing.' Was können wir tun? Wir wollten uns entschuldigen. Das wurde nicht akzeptiert. Es macht also keinen Sinn, weiter darüber zu diskutieren. Vielleicht kann Yamaha unsere Entschuldigung annehmen für einen Vorfall, den wir nicht für einen echten Fehler halten. Aber die Konsequenz davon war, dass Valentino gestürzt ist.»

Drei Dinge sind unbestritten: Was Márquez am Grid aufgeführt hat, war im höchsten Masse illegal, das muss jeder Anfänger wissen. Als Weltmeister muss er die entsprechenden Vorschriften im Kopf haben. Beim Aufprall gegen Espargaró kam Márquez von hinten, also trifft ihn die alleinige Schuld. Es ist keinem Rennfahrer verboten, zwei oder drei Sekunden langsamer zu fahren als der Weltmeister. Und keiner hat Augen am Hinterkopf.

Zum Rossi-Vorfall: Nach 21 Runden musste Marc Márquez wissen, in welcher Kurve wie viel Wasser stand.

Diese Stelle war genauso feucht wie in den Runden davor.

«Die Vorschriften lassen manchmal verschiedene Spielräume für Interpretationen», warf Puig ein.

Aber als Geisterfahrer am Grid darf sich kein GP-Fahrer betätigen, der seine fünf Sinne beisammen hat.

Wird Alberto Puig als Vorgesetzter für die nächsten Rennen irgendwelche Ratschläge an Márquez geben? «Ich denke, Marc braucht keine Ratschläge», entgegnete Puig. «Ich kann keinen Fahrer bevormunden, der sechs WM-Titel gewonnen hat. Mein einziger Rat ist immer: Versuch das Rennen zu gewinnen.»

Übrigens war Márquez in Las Termas nicht der Einzige, für den die FIM-Paragraphen offenbar ein unbeschriebenes Blatt sind.

Die deutschen Eurosport-TV-Reporter wetterten gegen die Dorna, um ihre eigene Ahnungslosigkeit zu übertünchen. Und manche Fahrer beklagten sich über die IRTA-Funktionäre.

Aber: Die Dorna ist Inhaber der kommerziellen GP-Rechte. Die Abwicklung der Rennen ist Sache der Race Direction mit Race Director Mike Webb an der Spitze, assistiert von Safety Officer Franco Uncini und Dorna-Berater Loris Capiriossi.

Die Teamvereinigung IRTA stellt ihr Personal (die Männer mit den blauen Hemden) zur Verfügung, um die Kommunikation mit den Teams und Fahrern in Gang zu halten.

Das MotoGP-Rennen in Las Termas wurde als «flag to flag»-Race gekennzeichnet. Bei Eurosport wird wohl noch heute gerätselt, ob es als Trocken- oder als «wet race» deklariert wurde.

Aber bei landesweiter Trockenheit wird üblicherweise kein «flag to flag» mit möglichem Motorradwechsel ausgerufen...

Und die Einblendung «race delayed for safety reasons» war ja sehr erhellend. Sie beseitigte jeden Zweifel. Niemand von der Race Direction wollte 23 Fahrer dicht gedrängt bei der Ausfahrt der Boxengasse Aufstellung nehmen lassen.

Das hätte in der ersten Kurve zu haarigen Situationen geführt.
Und da so eine Startprozedur erstmals stattfand, musste zuerst einmal ein paar Minuten lang beratschlagt werden, wie man genau vorgehen sollte.

Die Dorna nimmt in so einer Situation keinen Einfluss, auch wenn Carlos Ezpeleta als Sporting Director der Diskussion zuhörte – wie auch Technical Director Danny Aldridge.

Trotzdem: Wegen der weltweiten Satelliten-Übertragung kam es der Dorna als Inhaberin der TV-Rechte entgegen, dass nicht ewig herumgeschustert wurde. Den TV-Zuschauern allerdings auch.

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