Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Pit Beirer (KTM): Deutliche Kritik an Pol Espargaró

Von Günther Wiesinger
KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer übt nach dem Aragón-Crash Kritik an Werkspilot Pol Espargaró. «Seine Konzentrationsphasen sind zu kurz.»

Natürlich hat sich das Red Bull-KTM nach der erfreulichen MotoGP-Auftaktsaison 2017 von der aktuellen Saison mehr erwartet als den 15. Gesamtrang des 2017 so starken Pol Espargaró mit 32 Punkten und den 19. Zwischenrang von Bradley Smith (mit kargen 18 Punkten), nachdem der Spanier 2017 mit der KTM RC16 bereits zwei neunte GP-Ränge in Brünn und Phillip Island erobert hatte.

Aber Pit Beirer, Motorsport-Director bei KTM, verweist trotz der heftigen Rückschläge und des Verletzungspechs mit Mika Kallio (Knie demoliert) und Pol Espargaró auf einzelne positive Aspekte hin. «Bradley Smith ist in Aragón im FP3 eine Zeit von 1:48,2 min gefahren. Marc Márquez hat dort im Vorjahr noch 1:48,2 min erreicht», gibt Beirer zu bedenken. «Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wir fahren jetzt zwei Zehntel schneller als Marc im letzten Jahr. Und Bradley hat im FP3 nur sieben Zehntel auf den ersten Platz verloren. Wir scheinen ein Paket zu haben, das funktioniert, zumal Aragón eine lange Strecke mit 17 Kurven und einer sehr langen Rundenzeit ist.»

Aber: Im 23-Runden-Rennen verlor Smith als 13. immerhin 28,221 Sekunden auf Sieger Marc Márquez.?

Man kann’s natürlich auch positiv sehen: Maverick Viñales war mit der Werks-Yamaha nur 6,6 sec schneller als Smith.

Pit, natürlich kann man alles schönreden. Aber KTM bleibt in der MotoGP-Saison 2018 hinter den Erwartungen.

Die Zeitabstände in Aragón waren okay.

Und wir hoffen ja, dass wir in Zukunft stärkere Fahrer haben werden.

Aber es stimmt. Auf dem Papier sehen wir in der MotoGP momentan nicht die Erfolge, die wir uns vorgestellt haben. ?

Pol Espargaró hat sich im FP3 in Aragón zum dritten Mal in diesem Jahr verletzt. Dazu ist mir eine hinterlistige Frage eingefallen.?

Bitte!

Du hast im Frühjahr gesagt: «Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem auch unsere Fahrer gefordert sind: Sie müssen über das Limit des Motorrads auch mal drüberfahren.»

Ja, Pol hat ja was gezeigt im FP3 in Aragón…

Nein, ich bin stinksauer gewesen nach diesem Sturz. Weil ich glaube, das war ein unnötiger Sturz. ?

Macht sich Pol Espargaró in diesem Jahr zu viel Druck? Er hat im Winter zuerst mit einem fünften und dann im März mit einem sechsten Gesamtrang in der WM 2018 spekuliert. Oder will er unbedingt besser sein als Bradley Smith, der gehen muss??

Ob er es jetzt auf dem Smith bezieht, weiß ich nicht. Aber Pol ist halt ein südländischer Heißsporn. Und wenn er in die Box kommt, will er es erzwingen.

Aber nach den ganzen Verletzungen, die er in diesem Jahr erlitten hat, gibt es keinen «short cut», keine Abkürzung.

Wir haben ihn vor dem Aragón-Wochenende angefleht, dieses Wochenende noch einmal Basisarbeit zu machen. Das Schlüsselbein war nach dem Sturz von Brünn wieder in Ordnung. Aber körperlich war er nach den fünf Wochen noch nicht auf der Höhe.

Teammanager Mike Leitner und ich haben schon in Misano geahnt, dass Pol in Aragón noch nicht richtig fit sein wird. Aber wenn wir Aragón noch ordentlich durchgekriegt hätten, hätten wir bei den Übersee-Rennen wieder angreifen können. Das war eigentlich der Plan.

Deshalb war es völlig unnötig, am Samstag in Aragón das Ding wegzuschmettern. Pol ist auch eine Linie gefahren, die sonst noch kein Mensch das ganze Wochenende probiert hatte. Deshalb waren wir am Samstag in Aragón alles andere als gut gelaunt. ?

Aber das südländische Temperament darf man Pol nicht hemmungslos vorwerfen. Er ist von Assen 2017 bis Assen 2018 in 19 Rennen 16 Mal in die Punkte gefahren – immer zwischen Rang 9 und Rang 13. In dieser Phase lag ihm das Team zu Füssen. Seit dem Brünn-GP, wo er im Warm-up schwer stürzte und sogar Lähmungserscheinungen hatte, geht alles schief bei Pol.

Ja, wenn du mal eine schlechte Serie hast… Wir haben letztes Jahr einige Lichtblicke erlebt. Wir haben uns damals selbst davor gewarnt, dass das noch nicht die Realität ist.

Mike Leitner war der, der am lautesten geschrien hat, dass wir es in dieser Klasse noch knüppeldick bekommen werden. Genau das ist jetzt eingetroffen.

Es gibt nichts zu jammern. Diese Saison ist ein «Reality Check» für uns alle.

Pol müssen wir jetzt kräftig unterstützen. Er ist ein ausgezeichneter Motorradrennfahrer. ?Aber ich glaube, dass seine Konzentrationsphasen zu kurz sind. Wenn er in die Box kommt, will er es mehr als alle andern auf der ganzen Welt erzwingen. Aber du musst das ein bisschen besser vorbereiten.

Pol hat den schweren Sturz in Sepang im Januar unmittelbar in der ersten Runde nach der Mittagspause gehabt. Der schwere Sturz in Brünn ist passiert, nachdem er in der Runde vorher sechs Sekunden langsamer gefahren ist. Dann ist er mit kalten Reifen auf Zeitenjagd gegangen.?

Wenn man die Zeiten vom FP3 in Aragón anschaut: In der Runde vor dem Sturz ist Pol zehn Sekunden langsamer als in seiner besten Runde gefahren.

Das ist der Punkt, an dem wir in der Vorbereitung und beim Training für 2019 jetzt bei ihm massiv ansetzen müssen. Das wird nicht ganz einfach, wenn er in Andorra sitzt und wir in Oberösterreich sitzen.

Aber wir dürfen aus den Vorkommnissen in Aragón auch kein zu großes Drama drausmachen. Pol ist in einer langsamen Kurven das Vorderrad weggerutscht – und er ist auf die Schulter geflogen. Das ist kein grosses Drama. Solchen Sachen passieren in unserem Sport. Aber die Auswirkungen für uns sind halt jetzt ein bisschen dramatischer, weil wir seit Wochen darauf warten, dass wir wieder mit stärkster Besetzung fahren können.

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